Das letzte Märchen. Paul Keller
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Название: Das letzte Märchen

Автор: Paul Keller

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Hofberichterstatters ganz zweifellos die Pflicht hat, sich pro Fest wenigstens einigemal »blenden« zu lassen; so manch eine traumhafte Toilette hat weder meinen »Neid noch meine Bewunderung« erregt – woraus ich den Schluß ziehe, daß ich für solche Dinge ein verlorener Mann bin. Aber es gab unendlich viel Schönes.

      Der König – der König war schön! Ein alter, feingliederiger Mann mit den milden Augen vornehmer Greise, an deren abendlich sanfter Wärme zwar keine Früchte mehr reifen, aber auch keine Wetter sich mehr entzünden, die mit ihrer ruhigen herbstlichen Strahlenschönheit die Werke eines langen Fruchttages beleuchten und verklären.

      Unter der goldenen Königskrone trug er die silberne Lockenkrone eines Mannes, der in Ehren alt wurde, und diese weißseidenen Haare bildeten eine vollendet schöne Unterlage für das schimmernde Machtmetall.

      Zur Rechten des Königs saß eine wunderliebliche Jungfrau: die Prinzessin Goldina! Blondlockig, blauäugig, schön, wie nur je eine Märchenprinzessin schön gewesen ist. Sie war des Königs Enkelkind, das Ebenbild seiner einzigen, früh dahingerafften Tochter.

      Neben ihr stand, hochaufgerichtet in männlicher Jugendschönheit, Juvento, der Erbprinz aus dem Nachbarlande. Sein Vater war der Bruder des Königs. Früher waren beide Länder vereinigt gewesen. Erst unter die beiden Brüder waren sie geteilt worden. Nun war Juvento an den Hof seines königlichen Oheims gekommen und sollte ein ganzes Jahr in Marilkaporta bleiben. Ich ahnte, was die Sehnsucht der Völker und wohl auch der Höfe war: eine Verbindung dieser beiden schönen, jungen Leute, und damit wieder die Verbindung der getrennten Reiche.

      Links vom König stand Hamrigula. Er hielt meist den Blick ergebungsvoll auf den Herrscher gerichtet; zuweilen aber hingen seine lodernden, dunkeln Augen auf einen Augenblick an der lieblichen Goldina oder musterten kalt und forschend die Gestalt des Erbprinzen.

      Daran mußte ich denken, als wir heimgingen, so lebhaft denken, daß ich selbst der wenigen, gütigen Worte vergaß, die der greise König an mich gerichtet hatte.

      Unsere Redaktion

      Ein Ministerrat, dem der König selbst präsidierte, und zu dem ich zugezogen wurde, beschäftigte sich mit der Feststellung der Grundlinien des neuen Zeitungsunternehmens. So ernst wurde die Sache genommen!

      Bei uns zu Hause geht ja so etwas leichter. Wenn sich in Deutschland ein »frischaufstrebender« Verleger, der 2000 Mark Kapital besitzt, und ein Literat, der über einen entsprechenden geistigen Reichtum verfügt, begegnen, dann gibt es vier Wochen später eine neue Zeitung.

      In dem Ministerrat gingen die Meinungen sehr auseinander. Der Kanzler meinte, wenn jedes Vierteljahr eine Nummer erschiene, so wäre das völlig genügend. Die Leute müßten sich erst an die Neuerung gewöhnen, und das Zeitunglesen sei eine der zeitraubendsten und unnützesten Beschäftigungen. Die Redaktion solle gemeinsam vom Staatsministerum mit einer Anzahl vom König zu ernennenden Parlamentariern, Gelehrten und anderen Männern der Öffentlichkeit geführt werden; ich solle eine beratende Stimme haben. Abonnent dürfe jeder werden, der eine Staatsprüfung bestanden, das 750. Lebensjahr zurückgelegt habe und mindestens in der zweiten Steuerstufe sei.

      Daraufhin um meine Meinung befragt, gab ich meine Dimission.

      Der König nahm die Dimission nicht an, schloß vielmehr die Sitzung und gab mir auf, in einem schriftlichen Gutachten meine Vorschläge niederzulegen, die er, wenn irgend möglich, genehmigen werde.

      Daraufhin gab das Kabinett seine Dimission, die ebenfalls nicht angenommen wurde.

      Meine Vorschläge waren dann in der Hauptsache folgende:

      Die Redaktion besteht aus Dr. Barragu, als Chef, Herrn von Stimpekrex, als Vertreter der Regierungsparteien, Dr. Nein, als Vertreter der Opposition, und einem noch zu findenden Lokalredakteur.

      Die Zeitung erscheint wöchentlich einmal in einer von der Redaktion zu bestimmenden Stärke.

      Eine Zensur existiert nicht.

      Abonnent kann jeder werden, der bezahlen kann.

      Das ganze Unternehmen geht auf Rechnung der Staatskasse.

      Der König setzte an Stelle des wöchentlichen Erscheinens das einmonatliche; alle anderen Punkte genehmigte er. Darauf gab das Kabinett abermals seine Dimission, die wiederum abgelehnt wurde. Ich versprach den Herren, die zweimalige für sie höchst ehrenvolle Ablehnung ihrer Dimission bald in der ersten Nummer gebührend hervorzuheben, worauf ich von ihnen zu einem diplomatischen Abendbrot eingeladen wurde, bei dem wir uns alle königlich amüsierten.

      Druckereien gab es mehrere in Marilkaporta. Auch Bibliotheken waren da. Die Herididasufoturianer folgen dem smarten amerikanischen Brauche, alles von fremden Völkern nachzudrucken, was sie durch ihren Beifall auszeichnen, ohne indes erst dem Autor oder Verleger mit irgendwelchen Verhandlungen oder gar Honorarangeboten beschwerlich zu fallen. So fand ich in Marilkaporta die interessantesten Bücher der Weltliteratur, angefangen von der Iliade der Griechen und den Veden der Inder bis zu den »Schluchten des Balkan« von Karl May. Auch die eigene umfangreiche Literatur blieb mir nicht lange verschlossen, da ich die Landessprache bald beherrschte.

      Die Sprachenfrage interessierte mich natürlich sehr, zumal ich mich nach meiner Schätzung unter österreichischem Staatsgebiet befinden mußte. Ich hörte, daß außer der Landessprache in den Schulen das Deutsche, Polnische und Czechische obligatorisch sei, während das Wendische leider nur als fakultatives Fach auftrat.

      Noch vor der Herausgabe der ersten Nummer erhielt ich etliche hundert Briefe, in denen (meist in Versen) die Erwartung ausgesprochen wurde, daß ich als guter Sohn meines Vaterlandes die Zeitung deutsch drucken würde; gegen tausend polnisch gesinnte Herididasufoturianer drohten mir mit dem Boykott, falls ich mich nicht der polnischen Sprache bedienen sollte, und ein czechisches Komitee sandte mir einfach per Post einen Knüppel ins Haus.

      Das war schlimm für einen Mann, der für Rassen — und Sprachenkämpfe nie etwas anderes übrig hatte als schmerzliches Bedauern. Eine fremde Sprache hat mir nie eine Abneigung eingeflößt, höchstens vorübergehend dann, wenn ich mich mit ihren unregelmäßigen Verben abquälte.

      Aber das Märchenland ist glücklich. Es hat eine Sprache, die alle verstehen, in der alle Substantiva nach dem Muster des Wortes »Bruder« dekliniert werden und in der das Eigenschaftswort »ehrlich« das einzige ist, das sich nicht steigern läßt. Diese Sprache ist so kinderleicht und einfach, daß man sie in wenigen Tagen lernen kann. Mancher begreift sie in einer Stunde; ja, ich glaube, die Begnadetsten werden damit geboren.

      Kurz und gut, ich druckte die Zeitung herididasufoturanisch, und ich habe damit bei Deutschen, Polen, Czechen und Wenden die besten Erfahrungen gemacht. –

      Bald in den ersten Tagen fand ich den »Lokalredakteur«. Schnaff hieß der Edle. Dr. Nein hatte ihn mir empfohlen. Herr Schnaff reichte mir mit seiner Bewerbung einen »Lebenslauf« von dem Umfang eines zweibändigen Romans ein, aus dem ich hier einige dürftige Angaben mache.

      Herr Schnaff hatte in seiner Jugend nacheinander an sämtlichen vier Fakultäten studiert, hatte darauf eine Stelle als Straßenkehrer angenommen, war dann als Zirkusathlet aufgetreten und darauf mit einer gräflichen Familie als Reisebegleiter ins Ausland gegangen. Wegen einer gänzlich unglücklichen Liebe zu einer Komtesse hatte er allein nach der Heimat zurückkehren müssen und daselbst einen ehrenvollen Ruf an den königlichen Steinbruch von Marilkaporta erhalten, wo er sich in seinen Mußestunden zum Wunderdoktor ausbildete, wegen einiger »Kunstfehler« wanderte er ins Gefängnis, wo er sehr in sich gegangen sein muß, denn er etablierte sich nach seiner Entlassung als Wanderprediger. Darauf spekulierte СКАЧАТЬ