Название: In den Schluchten des Balkan
Автор: Karl May
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
isbn:
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»Hm! Ich weiß es nicht. Ihr habt geleugnet!«
»Aber wenn wir nun gestehen?«
»Dann ist‘s vielleicht noch Zeit.«
»Du wirst nachsichtig sein und uns nicht gefangen nehmen?«
»Ihr habt nicht zu fragen, sondern zu antworten. Versteht ihr mich? Was ich dann beschließe, das werdet ihr erfahren. Grausam aber bin ich nicht.«
Sie blickten einander an. Der Nachtwächter erhob wie in stummer Bitte ein wenig die Hand.
»Und hier wird niemand erfahren, was wir dir erzählen, Effendi?« fragte der Kiaja.
»Wohl schwerlich.«
»Nun gut, so sollst du die Wahrheit hören. Gehe nicht hinaus; bleibe hier und sage uns, was du wissen willst. Wir werden dir nun antworten.«
Ich nahm meinen vorigen Platz wieder ein und wendete mich an den Nachtwächter:
»Also es sind Fremde in der Nacht durch das Dorf gekommen?«
»Ja.«
»Wer?«
»Nach Mitternacht ein Ochsenwagen. Später aber diejenigen, nach denen du zu forschen scheinst.«
»Drei Reiter?«
»Ja.«
»Auf was für Pferden?«
»Auf zwei Schimmeln und einem Braunen.«
»Sprachen sie mit dir?«
»Ja. Ich stand mitten auf der Straße, und da redeten sie mich an.«
»Sprachen alle drei mit dir?«
»Nein, sondern nur der eine.«
»Was sagte er?«
»Er bat mich, zu verschweigen, daß ich diese drei Reiter gesehen habe, wenn ich gefragt werden sollte. Er gab mir ein Bakschisch.«
»Wie viel?«
»Zwei Piaster.«
»Ah, das ist viel, sehr viel!« lachte ich. »Und für diese zwei Piaster hast du gegen das Gebot des Propheten gesündigt und mir Lügen gesagt?«
»Effendi, nicht diese Piaster allein haben die Schuld.«
»Was noch?«
»Sie fragten mich, wie unser Kiaja heiße, und als ich den Namen sagte, begehrten sie, zu ihm geführt zu werden.«
»Kanntest du sie oder einen von ihnen?«
»Nein.«
»Aber sie scheinen den Kiaja gekannt zu haben, da sie wünschten, mit ihm zu sprechen. Hast du ihren Wunsch erfüllt und sie zu ihm geführt?«
»Ja.«
Infolgedessen wendete ich mich an den Ortsvorsteher, welcher sich offenbar in weit größerer Sorge befand, als sein Untergebener. Der unsichere Blick, welchen ich an ihm beobachtete, ließ leicht erraten, daß er kein gutes Gewissen hatte.
»Behauptest du immer noch, daß niemand durch das Dorf gekommen sei?« fragte ich ihn.
»Effendi, ich hatte Angst,« antwortete er.
»Wer Angst fühlt, hat Unrecht getan! Du selbst gibst dir da ein schlechtes Zeugnis.«
»Herr, ich bin mir keines Unrechtes bewußt!«
»Wozu und woher also die Angst? Sehe ich aus wie ein Mann, vor dem man sich unschuldigerweise zu ängstigen braucht?«
»O, vor dir hatte ich keine Furcht.«
»Vor wem denn?«
»Vor Manach el Barscha.«
»Ah, so kennst du ihn?«
»Ja.«
»Wo hast du ihn kennen gelernt?«
»In Mastanly und Ismilan.«
»Wie oder wo bist du da mit ihm zusammengetroffen?«
»Er ist Einnehmer der Kopfsteuer in Uskub und war nach Seres gekommen, um sich mit den dortigen Einwohnern zu besprechen. Er besuchte von da aus den berühmten Jahrmarkt zu Menlik.«
»Wann war das?«
»Vor zwei Jahren. Dann hatte er in Ismilan und Mastanly zu tun, und an beiden Orten hatte ich ihn gesehen.«
»Hast du auch mit ihm gesprochen?«
»Nein. Aber ich hörte kürzlich von ihm, daß er höhere Steuern erhoben hat, als er durfte, und daß er deshalb geflohen sei. Er ist in die Berge gegangen.«
»In die Berge gehen« heißt, wie bereits bemerkt, unter die Räuber gehen. Darum sagte ich jetzt in strengem Tone:
»So hattest du, sobald er zu dir kam, die Verpflichtung, ihn festzuhalten!«
»O Effendi, das durfte ich nicht wagen!«
»Warum nicht?«
»Es wäre mein Tod gewesen. Es wohnen so viele Männer in den Bergen; in allen Schluchten stecken sie, und ihre Verbündeten zählen nach Hunderten. Sie kennen sich alle und rächen einander. Hätte ich ihn gefangen genommen, so wären seine Freunde gekommen und hätten mich getötet!«
»Du bist ein Feigling und fürchtest dich, deine Pflicht zu tun. Du solltest keinen Augenblick länger Vorstand bleiben dürfen!«
»O Herr, du irrst! Es ist mir nicht um mich zu tun; aber sie hätten unser ganzes Dörfchen dem Erdboden gleich gemacht.«
Da öffnete sich die Türe, und der Kopf des kleinen Hadschi erschien in der Oeffnung.
»Sihdi,« sagte er, »ich habe ein Wort mit dir zu sprechen.«
Er sprach das, um von dem Kiaja und Nachtwächter vielleicht nicht verstanden zu werden, in arabischer Sprache, und zwar in dem westsaharischen Dialekt seiner Heimat.
»Was ist es?« fragte ich.
»Komm her; mach geschwind!« antwortete er, ohne sich weiter zu erklären.
Ich ging also zu ihm hin. Er hatte mir jedenfalls etwas nicht Unwichtiges mitzuteilen.
»Nun rede!« flüsterte ich ihm zu.
»Sihdi,« erklärte er leise, so daß die beiden ihn nicht zu verstehen vermochten. »Einer von den Einwohnern gab mir einen verstohlenen Wink und entfernte sich hinter das Haus. Ich folgte ihm so unauffällig wie möglich, und da sagte er, daß er uns etwas mitteilen wolle, wenn wir ihm zehn Piaster bezahlen möchten.«
»Wo befindet er sich jetzt?«
»Noch hinter dem Hause.«
»Er СКАЧАТЬ