Heidis Lehr- und Wanderjahre. Johanna Spyri
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Название: Heidis Lehr- und Wanderjahre

Автор: Johanna Spyri

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ er vor Langeweile nun gar nicht mehr, was anfangen, wenn Heidi nicht bei ihm war; dann kam er um sein reichliches Mittagsmahl, und dann waren die Geißen so störrig an diesen Tagen, dass er die doppelte Mühe mit ihnen hatte; denn die waren nun auch so an Heidis Gesellschaft gewöhnt, dass sie nicht vorwärts wollten, wenn es nicht dabei war, und auf alle Seiten rannten. Heidi wurde niemals unglücklich, denn es sah immer irgendetwas Erfreuliches vor sich. Am liebsten ging es schon mit Hirt und Geißen auf die Weide zu den Blumen und zum Raubvogel hinauf, wo so mannigfaltige Dinge zu erleben waren mit all den verschieden gearteten Geißen; aber auch das Hämmern und Sägen und Zimmern des Großvaters war sehr unterhaltend für Heidi; und traf es sich, dass er gerade die schönen runden Geißkäschen zubereitete, wenn es daheim bleiben musste, so war das ein ganz besonderes Vergnügen, dieser merkwürdigen Tätigkeit zuzuschauen, wobei der Großvater beide Arme bloß machte und damit in dem großen Kessel herumrührte. Aber vor allem anziehend war für das Heidi an solchen Windtagen das Wogen und Rauschen in den drei alten Tannen hinter der Hütte. Da musste es immer von Zeit zu Zeit hinlaufen von allem anderen weg, was es auch sein mochte, denn so schön und wunderbar war gar nichts wie dieses tiefe, geheimnisvolle Tosen in den Wipfeln da droben; da stand Heidi unten und lauschte hinauf und konnte niemals genug bekommen, zu sehen und zu hören, wie das wehte und wogte und rauschte in den Bäumen mit großer Macht. Jetzt gab die Sonne nicht mehr heiß wie im Sommer, und Heidi suchte seine Strümpfe und Schuhe hervor und auch den Rock, denn nun wurde es immer frischer, und wenn das Heidi unter den Tannen stand, wurde es durchblasen wie ein dünnes Blättlein, aber es lief doch immer wieder hin und konnte nicht in der Hütte bleiben, wenn es das Windeswehen vernahm.

      Dann wurde es kalt, und der Peter hauchte in die Hände, wenn er früh am Morgen heraufkam, aber nicht lange; denn auf einmal fiel über Nacht ein tiefer Schnee, und am Morgen war die ganze Alm schneeweiß und kein einziges grünes Blättlein mehr zu sehen ringsum und um. Da kam der Geißenpeter nicht mehr mit seiner Herde, und Heidi schaute ganz verwundert durch das kleine Fenster, denn nun fing es wieder zu schneien an, und die dicken Flocken fielen fort und fort, bis der Schnee so hoch wurde, dass er bis ans Fenster hinaufreichte, und dann noch höher, dass man das Fenster gar nicht mehr aufmachen konnte und man ganz verpackt war in dem Häuschen. Das kam dem Heidi so lustig vor, dass es immer von einem Fenster zum anderen rannte, um zu sehen, wie es denn noch werden wollte und ob der Schnee noch die ganze Hütte zudecken wollte, dass man müsste ein Licht anzünden am hellen Tag. Es kam aber nicht so weit, und am anderen Tag ging der Großvater hinaus — denn nun schneite es nicht mehr — und schaufelte ums ganze Haus herum und warf große, große Schneehaufen aufeinander, dass es war wie hier ein Berg und dort ein Berg und dort ein Berg um die Hütte herum; aber nun waren die Fenster wieder frei und auch die Tür, und das war gut, denn als am Nachmittag Heidi und der Großvater am Feuer saßen, jedes auf seinem Dreifuß — denn der Großvater hatte längst auch einen für das Kind gezimmert —, da polterte auf einmal etwas heran und schlug immerzu gegen die Holzschwelle und machte endlich die Tür auf. Es war der Geißenpeter; er hatte aber nicht aus Unart so gegen die Tür gepoltert, sondern um seinen Schnee von den Schuhen abzuschlagen, die hoch hinauf davon bedeckt waren; eigentlich der ganze Peter war von Schnee bedeckt, denn er hatte sich durch die hohen Schichten so durchkämpfen müssen, dass ganze Massen an ihm hängen geblieben und auf ihm festgefroren waren, denn es war sehr kalt. Aber er hatte nicht nachgegeben, denn er wollte zu Heidi hinauf, er hatte es jetzt acht Tage lang nicht gesehen.

      »Guten Abend«, sagte er im Eintreten, stellte sich gleich so nah als möglich ans Feuer heran und sagte weiter nichts mehr; aber sein ganzes Gesicht lachte vor Vergnügen, dass er da war. Heidi schaute ihn sehr verwundert an, denn nun er so nah am Feuer war, fing es überall an ihm zu tauen an, so dass der ganze Peter anzusehen war wie ein gelinder Wasserfall.

      »Nun, General, wie steht‘s?«, sagte jetzt der Großvater. »Nun bist du ohne Armee und musst am Griffel nagen.«

      »Warum muss er am Griffel nagen, Großvater?«, fragte Heidi sogleich mit Wissbegierde.

      »Im Winter muss er in die Schule gehen«, erklärte der Großvater; »da lernt man lesen und schreiben, und das geht manchmal schwer, da hilft‘s ein wenig nach, wenn man am Griffel nagt; ist‘s nicht wahr, General?«

      »Ja, ‚s ist wahr«, bestätigte Peter.

      Jetzt war Heidis Teilnahme an der Sache wach geworden und es hatte sehr viele Fragen über die Schule und alles, was da begegnete und zu hören und zu sehen war, an den Peter zu richten, und da immer viel Zeit verfloss über einer Unterhaltung, an der Peter teilnehmen musste, so konnte er derweilen schön trocknen von oben bis unten. Es war immer eine große Anstrengung für ihn, seine Vorstellungen in die Worte zu bringen, die bedeuteten, was er meinte; aber diesmal hatte er‘s besonders streng, denn kaum hatte er eine Antwort zustande gebracht, so hatte ihm Heidi schon wieder zwei oder drei unerwartete Fragen zugeworfen und meistens solche, die einen ganzen Satz als Antwort erforderten.

      Der Großvater hatte sich ganz still verhalten während dieser Unterhaltung, aber es hatte ihm öfter ganz lustig um die Mundwinkel gezuckt, was ein Zeichen war, dass er zuhörte.

      »So, General, nun warst du im Feuer und brauchst Stärkung, komm, halt mit!« Damit stand der Großvater auf und holte das Abendessen aus dem Schrank hervor, und Heidi rückte die Stühle zum Tisch. Unterdessen war auch eine Bank an die Wand gezimmert worden vom Großvater; nun er nicht mehr allein war, hatte er da und dort allerlei Sitze zu zweien eingerichtet, denn Heidi hatte die Art, dass es sich überall nah zum Großvater hielt, wo er ging und stand und saß. So hatten sie alle drei gut Platz zum Sitzen und der Peter tat seine runden Augen ganz weit auf, als er sah, welch ein mächtiges Stück von dem schönen getrockneten Fleisch der Alm-Öhi ihm auf seine dicke Brotschnitte legte. So gut hatte es der Peter lange nicht gehabt. Als nun das vergnügte Mahl zu Ende war, fing es an zu dunkeln, und Peter schickte sich zur Heimkehr an. Als er nun »Gute Nacht« und »Dank Euch Gott« gesagt hatte und schon unter der Tür war, kehrte er sich noch einmal um und sagte: »Am Sonntag komm ich wieder, heut über acht Tag, und du solltest auch einmal zur Großmutter kommen, hat sie gesagt.«

      Das war ein ganz neuer Gedanke für Heidi, dass es zu jemandem gehen sollte, aber er fasste auf der Stelle Boden bei ihm, und gleich am folgenden Morgen war sein Erstes, dass es erklärte: »Großvater, jetzt muss ich gewiss zu der Großmutter hinunter, sie erwartet mich.«

      »Es hat zu viel Schnee«, erwiderte der Großvater abwehrend.

      Aber das Vorhaben saß fest in Heidis Sinn, denn die Großmutter hatte es ja sagen lassen; so musste es sein. So verging kein Tag mehr, an dem das Kind nicht fünf- und sechsmal sagte: »Großvater, jetzt muss ich gewiss gehen, die Großmutter wartet ja immer auf mich.«

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