Reisen in die Felsengebirge Nordamerikas. Balduin Mollhausen
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СКАЧАТЬ Carrol, ein ganz junger Mensch, war anerkannt tüchtig in seinem Fach, außerdem aber ein guter Gesellschafter. Als eingefleischter Amerikaner war er natürlich voll krasser Vorurteile, wodurch er während der vielen Stunden, die wir auf irgendeiner unerwünschten Sandbank zubrachten, reichen Stoff zur Unterhaltung lieferte. Er bestritt die Möglichkeit, daß unter einer schwarzen Haut eine Seele wohnen könne; er bewies das Naturwidrige einer Verbindung der weißen mit jeder farbigen Rasse und handhabte dabei seine Maschinen sowie seine Flöte, als wenn er mit beiden zusammen auf die Welt gekommen wäre; und wenn das eine oder das andere seinem Schrauben und Hämmern nicht sogleich Folge leistete, so nahm er seine Zuflucht zu derben Verwünschungen, was in seinen Augen eine gute Wirkung zu haben schien, ihm von uns dagegen den Namen »Captain Iron« (»Kapitän Eisen«) eintrug. Er war übrigens in das Stadium gelangt, in dem man sich so gern necken läßt, und stets genügten einige Bemerkungen über die schönen Bewohnerinnen von Philadelphia, um seinen Zorn, den er an leblosen Gegenständen ausließ, zu besänftigen. Philadelphia war nämlich seine Vaterstadt; er hatte von dort aus unsere kleine »Explorer« nie aus den Augen verloren und endlich die Zusammenstellung derselben an der Mündung des Colorado geleitet.

      Kapitän Robinson, der schon seit einigen Jahren an der Mündung des Colorado in einer Hütte lebte, war das Bild eines biederen, ruhigen Seemanns. Auf den zahlreichen Reisen, die er als Kapitän auf den Dampfbooten zwischen Fort Yuma und dem Golf zurückgelegt hatte, erwarb er sich eine so genaue Kenntnis des Charakters dieses Flusses, daß es ihm vollkommen gelang, die »Explorer« auf der gefährlichen Straße ohne Unglücksfall hin und zurück zu steuern. Er war beliebt bei der ganzen Gesellschaft, und ich sage nicht zuviel, wenn ich behaupte, daß der glückliche Erfolg der Flußexpedition hauptsächlich der Ruhe, der Umsicht und der Energie des braven Kapitän Robinson zugeschrieben werden muß. Zwei Bootsleute, ein Schmied der zugleich Heizer war, und ein Zimmermann, bildeten die übrige Bemannung des Dampfbootes, das dazu bestimmt war, mit dem Stöhnen einer Dampfmaschine zum ersten Mal das Echo in den geheimnisvollen Schluchten des Colorado zu wecken.

      Die beiden letzten Tage in Fort Yuma waren für uns also Tage der Arbeit; niemand wollte sich mit entbehrlichen Sachen beschweren, aber auch nichts zurücklassen, was auf der Reise von Wichtigkeit hätte sein können. Es wurde gepackt, wieder umgepackt, manches zurückgelegt, manches hinzugefügt, und die Dämmerung schlich herbei, ehe man es gewahrte. Den Abend verbrachten wir im fröhlichen, geselligen Zusammensein, bei welcher Gelegenheit etwas mehr wie gewöhnlich getrunken wurde, was ich aber lediglich auf Rechnung der Sandstürme schreibe, die während des Tages den Gaumen förmlich dörrten und die Zunge fast unbrauchbar zur Unterhaltung und noch mehr zum Gesang machten.

      Ja, man sang auch, und zwar melancholische Heimatlieder, die eine Träne der Wehmut ins Auge lockten; man sang aber auch das Lob auf den Rheinwein, wodurch der Gedanke an die Tausende von Meilen, die uns von der Heimat trennten, weit zurückgedrängt wurde. Den Gesang begleiteten Egloffstein und Carrol auf ihren Flöten, Dr. Newberry auf der Violine und Lieutenant Ives und ich auf Gitarren — lauter Instrumente, die wir noch auf der »Explorer« unterzubringen wußten und die uns später in der leblosen Wildnis manchen heiteren Abend verschafften.

      Auf die Gesänge folgten Tänze, und was für Tänze! Bärtige Männer umschlangen sich mit nerviger Faust und stampften mit schweren Absätzen nach unserer taktlosen Musik, dem ewigen Yankee-doodle und dem schottischen Hornpipe. — Der Atem ging zuletzt aus, die Finger erlahmten, hoch schwang einer der im Fort Zurückbleibenden den vollen Becher, indem er uns zurief: »Wenn die Mohave-Indianer euren Skalp lüften, dann denkt an uns!«

      »Wenn die Mormonen euch mit eurem Fort niederbrennen, dann denkt an uns«, erhielt er zur Antwort, und der Chor fiel jubelnd mit lautem Gesang ein: »I can’t stay in this wilderness, but a few days ...« Die Hände wurden gereicht, kühle Luft strömte durch die plötzlich geöffneten Türen, und jeder schritt seiner Wohnung oder seinem Lager zu. Das war die letzte Nacht in Fort Yuma.

      Am folgenden Morgen, dem 11. Januar, in den Frühstunden war an der Fähre die ganze weiße und indianische Bevölkerung von Fort Yuma und Umgegend versammelt; schwarzer Rauch entstieg dem Schornstein der »Explorer«, feine weiße Dampfwölkchen zischten aus den Fugen der zugedrehten Ventile, ungeduldig, in kurzen Absätzen peitschte das große Rad die lehmigen Fluten, und schrillend rief die am Kessel sinnig angebrachte Dampfpfeife: »Alle Mann an Bord!« Ein schwankendes Brett bildete die Verbindung zwischen dem Ufer und dem Boot, und über diese schwache Brücke eilten mit ihren Bündeln und Musketen die Soldaten und Arbeiter unserer Expedition. Wir standen noch auf dem Ufer und wechselten die letzten Abschiedsworte mit unseren Freunden, beobachteten das geschäftige Treiben der gedrängt stehenden Bemannung, die auf beste Weise ihre Glieder wegzustauen trachtete, und spendeten Lobsprüche der kleinen »Explorer«, die wie ein mutiges Streitroß ungeduldig an dem fesselnden Tau riß und ihre Flagge, die lustigen Sterne und Streifen, stolz im Wind flattern ließ.

      »Auf Wiedersehen«, hieß es endlich; der langbärtige Kapitän Robinson ergriff das Steuerruder; die Kommandos »Alle Mann an Bord!« und »Los das Tau!« erschallten; die Strömung führte das Fahrzeug vom Ufer der Mitte des Flusses zu, Mr. Carrol öffnete auf des Kapitäns Befehl die Ventile der Dampfröhren, das Rad tauchte seine Speichen der Reihe nach in die Fluten, wälzte sich schneller und schneller um die drehende Achse, weißer Schaum bildete sich vor dem Bug des Schiffes, und dahin zogen wir einem unbekannten Ziel entgegen. »Hurra!« riefen die am Ufer Versammelten; »Hurra!« antwortete die Expedition, und dreimal wurde auf beiden Seiten der Gruß wiederholt, ehe der Fort-Yuma-Felsen sich zwischen uns und unsere früheren Gefährten drängte.

      Als wir um den Felsen bogen, hatten wir die lange Strecke des Flusses vor uns, die man von der Höhe des Forts zu übersehen vermag und die scheinbar aus einer Reihenfolge von Sandbänken besteht, zwischen denen sich das Wasser schmale Kanäle hindurchgewühlt hat. Unser Wunsch, noch vor Abend den Blicken der vom Fort aus Nachschauenden entzogen zu werden, schien sich nicht erfüllen zu wollen; denn noch keine zwei Meilen hatten wir zurückgelegt, als der Bootsmann, der fortwährend die Meßstange in die Fluten tauchte, ausrief: »Dreieinhalb Fuß! — Drei Fuß! — Zweieinhalb Fuß!« und das Schiff, das mit seiner schweren Ladung zweieinhalb Fuß Tiefgang hatte, gleich nachher auf einer Sandbank festsaß.

      Der Fluß wurde darauf mittels eines leichten Ruderbootes untersucht, und als sich in geringer Entfernung wieder tieferes Wasser zeigte, wurde der Anker ungefähr zweihundert Fuß weiter nach vorn ausgeworfen und die »Explorer« über das Hindernis hinübergewunden. Es war eine schwere, langwierige Arbeit; die mehrere Stunden und alle Kräfte erforderte; dafür gewannen wir aber Zeit, uns einigermaßen auf dem Dampfboot zu orientieren und uns auf dem sehr beschränkten Raum, der für Monate unser täglicher Aufenthalt bleiben sollte, etwas bequemer einzurichten. Der größte Teil des Dachs der Kajüte wurde von Kapitän Robinson in Anspruch genommen, dessen eiserne Ruderstange in einer für unsere Füße gefährlichen Weise über die ganze Breite der Plattform hin und her fegte. Auf dem Radkasten, also hinter der Ruderstange, befand sich eine Art von Bank für vier Personen, die von dem Hydrographen Bielawsky, von Egloffstein dem Topographen, von Lieutenant Ives und zuweilen von Lieutenant Tipton, dem Kommandeur unserer Eskorte, eingenommen wurde. Vor dem Revier von Kapitän Robinson befand sich ein fünf Fuß breiter freier Raum, der ebenfalls über die ganze Breite reichte; diesen nun erklärten Dr. Newberry und ich für unser Reich. Dort lagen und standen außer den Waffen der Soldaten und einigen Instrumenten die Apparate und Koffer, die zu unseren Sammlungen bestimmt waren. Wir selbst fanden bequemen Platz auf den Kisten und hatten dort stets unsere Zeichen- und Jagdgerätschaften in der Nähe; und bei der freien Aussicht, die sich uns von dort aus bot, hatten wir fast unausgesetzt Gelegenheit, von dem einen oder dem anderen Gebrauch zu machen.

      Unten im Boot selbst, auf dem angehäuften Brennholz, auf den Wänden des Fahrzeugs und sogar oben auf dem Dampfkessel, saßen, lagen und kauerten die Soldaten, Bootsleute, Diener und Indianer. Alle außer den wackeren und gewandten Bootsleuten zeigten in ihren Mienen unverkennbare Zufriedenheit darüber, daß es ihnen vergönnt war, den größten Teil der Zeit in süßem Nichtstun hinzubringen.

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