Quitt. Theodor Fontane
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Название: Quitt

Автор: Theodor Fontane

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ verirrt hatte, war das einzige, was die Stille unterbrach. Endlich kam die Magd und sagte, sie wisse schon, er möge nur eintreten.

      Das tat er denn auch.

      Es war des Alten Studierstube, die Lehnert von seinen Kindertagen her kannte. Das Christusbild, mit Friedrich Wilhelm III. und dem Kronprinzen zur Linken und Rechten, hing noch geradeso schief wie vor vierzehn Jahren, als er hier, wöchentlich zweimal, auf einer wackligen Konfirmandenbank gesessen hatte. Alles genau wie damals und nur die Dielen noch etwas ausgehöhlter.

      Lehnert hatte so seine Betrachtungen, kam aber nicht weit damit, denn in der nächsten Minute schon trat der Alte, der mittlerweile seinen Talar abgelegt und einen Imbiß genommen hatte, von der Nebenstube herein und ließ sich in einen vor seinem Schreibtisch stehenden Polstersessel nieder.

      »Ja, Lehnert«, hob er an, »es ist das alte Lied. Deine Mutter hat sich wieder über dich beklagt.«

      »Ach, Herr Prediger …«

      »…Und daß du wieder deine Tobsucht hast und nichts wie bittere Worte sagst und ihm, ich meine natürlich deinen Nachbar Opitz, den Tod an den Hals wünschst und fluchst und dich verschwörst, daß er dran glauben solle. Lauter gotteslästerliches dummes Zeug, für das du viel zu klug und, ich muß dir das nachsagen, auch eigentlich viel zu gut bist. Ich begreife dich nicht. Du hast doch einen guten Verstand und hast die gute Schule gehabt, und wenn ich auch weiß, daß man nicht immer nach dem Worte Gottes lebt, so kennst du‘s doch und darfst nicht so sprechen, als ob du‘s nicht kenntest und als ob es gar nicht da wäre. Du weißt recht gut, daß es da ist, und weißt auch recht gut, daß Gottes Wort heilig ist und daß es das klügste und beste ist, seine Gebote zu halten. Aber du redest drauflos wie ein Heide und Türke …«

      »Ach, Herr Prediger …«

      »Wie ein Heide und Türke, sag ich, und tust es nicht bloß zu Haus und in deinen vier Pfählen, du sagst es auch jedem, der‘s hören will, und wenn du dich müde gesprochen und keine Worte mehr gegen ihn finden kannst, dann bindest du mit dem Grafen an, dem guten gnädigen Herrn, von dem du doch weißt, wie nachsichtig er ist, und hältst ihm vor, daß er was Besseres tun könne, als solchen Großtuer und Menschenquäler in die Försterei zu setzen, und daß es kein gutes Ende nehme.«

      Lehnert nickte.

      »Nun siehst du, du nickst und hältst es nicht mal für nötig, ›nein‹ zu sagen und deinem alten Freund und Lehrer, von dem du weißt, daß er‘s gut mit dir meint, in einer Entschuldigung oder so was Ähnlichem entgegenzukommen. Du bist geblieben, wie du schon warst, als du hier mit deinem blonden Krauskopf auf der Konfirmandenbank saßest. Das krause Haar haben sie dir bei den Soldaten weggekämmt, aber den krausen Sinn haben sie dir nicht wegschaffen können, du bist ein Trotzkopf, voll Selbstgerechtigkeit, und glaubst, alles am besten zu wissen. Und nun liest du auch noch allerlei dumme Blätter, in denen hochmütige Schulmeister und verlogene Winkeladvokaten ihre Weisheit zu Markte bringen, und redest hier in den Kretschams herum von Freiheit und Republik und dem glücklichen Amerika. Lehnert, Lehnert, dazu bist du mir viel zu schade! Sieh, Junge! aus dir hätt eigentlich was Ordentliches und was ganz apart Gutes werden müssen, und nun vertust du deine Zeit mit schlechter Tat und schlechtem Wort. Und das schlechte Wort ist schlimmer als die schlechte Tat. Ich lebe nun hier seit Anno 29, und noch zwei Jahre, dann hab ich mein Jubiläum, und ich darf wohl sagen, ich kenne euch und weiß, daß euch allen der Pascher und Wilddieb von Kindheit an im Leibe steckt. Das wird euch so gleich mit in die Wiege gelegt, und so nehmt ihr‘s als euer gutes Recht, und wenn ihr einen Grenzer oder Förster über den Haufen schießt, dann ist es nicht Mord, dann ist es Notwehr. Ich weiß das alles und find es traurig genug. Aber ich finde mich darin zurecht, das heißt, mißversteh mich nicht, ich finde mich darin zurecht, weil ich die schwache menschliche Natur kenne, der es schwer wird, der Versuchung und der Sünde, die heute so ist und morgen so, zu widerstehen. Aber daß ihr das alles in der Ordnung findet, daß ihr tut, als ob das Gesetz sich gegen euch versündige, sieh, das ist das Traurige. Und daß du die Dummheit mitmachst und auch so sprichst, als ob der Opitz ein Scheusal und eigentlich nicht viel besser als der Gottseibeiuns wäre, das tut mir leid. Und nun sprich und sage was Vernünftiges. Aber erst trink ein Glas Wein mit mir. Es ist heiß, und die Zunge klebt einem am Gaumen.«

      Der Pastor trank auch wirklich ein Glas; Lehnert aber dankte.

      »Nun gut, dann setz dich wenigstens. Und dann sage mir, was du zu sagen hast.«

      »Ach, Herr Prediger, Sie wissen ja, wie‘s liegt, und wissen auch, wir sind nicht so schlimm, ich schon gewiß nicht. Ich war bei den Soldaten und weiß, was gehorchen heißt, und is gar kein vernünftiger Mensch, der gegen s Gehorchen is. Denn das hält alles zusammen. Und so muß auch das Gesetz sein. Aber die Menschen, ja, Herr Pastor, die Menschen, die machen den Unterschied, und wenn die nichts taugen, dann ist es schlimm. Das weiß ich auch noch von den Soldaten her, und ich darf wohl sagen, und ich hab es schriftlich in meinen Attesten, ich war ein guter Soldat. Aber auf die, die den Befehl haben, auf die kommt es an, und was gibt es nicht für Vorgesetzte! Da muß man antreten mit Gepäck und zwei Stunden auf dem Hofe nachexerzieren, und die Sonne brennt und sticht, und wie man sich quälen mag, der Paradeschritt taugt nichts, die Griffe bleiben falsch, und wenn sie noch so richtig wären; immer wieder ran, immer wieder vor, und dann einen Stoß unters Kinn und Verwünschungen und Drohungen, ›daß man‘s wohl noch bis zum Zuchthaus oder bis zum Baugefangenen bringen würde‹. Ja, Herr Pastor, solch Unteroffizier – und es gibt‘s ihrer – verlangt auch Gehorsam und findet ihn auch, aber wenn‘s dann paßt, dann stellt man ihm ein Bein oder schafft ihn über Eck. Und die, die das tun, die sind nicht gegen Gehorsam und Disziplin, die sind bloß gegen den Unteroffizier. Und was mich angeht, Herr Prediger, ich bin nicht gegen das Gesetz, auch wenn ich‘s nicht immer halte, ich bin bloß gegen den Opitz, diesen Schuft und Schelm, diesen Saufaus und Menschenschinder.«

      Siebenhaar lächelte. »Da haben wir‘s wieder, ganz wie ein Puter, wenn er den roten Lappen sieht. Du willst Person und Sache trennen. Aber geht das, hast du ein Recht dazu?«

      »Ich meine ›ja‹, Herr Pastor. Sie wissen, daß ich zwei Monat drüben in Jauer war, wie ‚n Verbrecher, unter lauter Gesindel. Und das verdank ich ihm.«

      »Er hat dich angezeigt. Das war seine Pflicht.«

      »Er hat mich angezeigt, das war seine Lust. So liegt es. Er ist immer lustig dazu, bei jedem, aber doppelt bei mir, denn wir sind alte Feinde, noch von den Soldaten und vom Kriege her. Ich kenn ihn, Herr Pastor; er ist ein schlechter Kerl, und solang ich denken kann, hat er mich gequält. Er war mein Oberjäger, und kein gutes Wort hat er mir je gegönnt. Immer hart, immer roh, auch vorm Feind, und nur wenn‘s in die Schlacht ging, war er wie ‚n Ohrwurm. Es gibt eben Kugeln, die sich verirren. Und dann, Herr Pastor, wenn er nicht war, so hätt ich das Kreuz. Aber er hat dagegen gesprochen. Und was hat er gesagt? Ich taugte nichts, ich wäre frech und übermütig, und man könne nicht jedem das Kreuz geben, der ein paarmal aus einem Fenster geschossen habe, bei guter Deckung. Wahr und wahrhaftig, ›bei guter Deckung‹, so hat er gesagt, der schlechte Kerl. Und er war gar nicht einmal dabei. Ich will nicht sagen, daß er feige ist, nein, feige ist er nicht, aber ein Neidhammel ist er. Und was dann nachher kam, ich meine das vorige Jahr, nun, das weiß der Herr Pastor. Von Unschlitt und Schimmelbrot will ich leben, wenn ich‘s dem Kerl verzeih, daß er mich belauert und an die Grenzaufseher verraten hat und daß sie mich nach Jauer abgeliefert haben. Und warum? Um ein Stück Reichenberger Tuch, nicht der Rede wert! Immer hat er mir den Weg gekreuzt. Hol ihn der Teufel!«

      Siebenhaar drohte halb scherzhaft mit dem Finger. Lehnert aber trat an den Alten heran und bat in einem Tone, drin sich Ernst und gute Laune die Waage hielten, um Entschuldigung.

      »Ich will dir den ›Teufel‹ zugute halten, Lehnert, wiewohlen man ihn nicht anrufen soll. Aber versprich mir dafür, Friede zu halten. Ich weiß nicht, ob er dir unrecht getan hat mit dem Kreuz, aber wenn es auch wäre, du mußt es vergessen.«

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