Название: Die Ahnen
Автор: Gustav Freytag
Издательство: Public Domain
Жанр: Зарубежная классика
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»Bin ich Erbtochter in diesem Hofe, so bin ich auch Erbin der Bundespflicht und geschworener Eide, und ich denke sie treu zu halten. Nie habe ich deiner Freundschaft die Ehre geweigert, weder dem Ohm Sintram noch deinem Neffen Theodulf, wie ich auch im Herzen von ihnen denke. Du aber schilt mich nicht, wenn ich auch solchen Liebe erweise, welche dem Geschlecht meines Vaters befreundet sind.«
»Schweige, du Widerspenstige,« antwortete die Mutter heftig, »zu lange hat der Wille des Fürsten dich im Hause bewahrt; es ist Zeit, daß dir der übermütige Sinn bezwungen werde durch die Vermählung.«
Als die Fürstin das Gemach verlassen hatte, starrte Irmgard vor sich hin und hielt die Hände fest zusammengepreßt. »Die Herrin redet hart mit den Mägden,« begann Frida eintretend, »im Milchkeller verdarb der Rahm.«
»Streng ist sie auch gegen uns andere«, antwortete Irmgard, mühsam nach Worten ringend. »Du bist mir treu und ich habe niemanden, dem ich vertrauen kann, als dich, wenn du Mut hast, den Unwillen der Herrin zu ertragen.«
»Ich bin eine Freie; dir habe ich mich zur Gespielin gelobt, nicht der Hausfrau, und um deinetwillen weile ich im Herrenhofe, obgleich der Vater mich nach Hause begehrt. Manchmal haben wir den Zorn der Herrin überwunden, vertraue mir auch jetzt, was dich grämt.«
»Unwillig wurde die Mutter auf unsern Gast, den sie am Anfang so gütig beachtete, und ich fürchte, es kann ihm an Pflege fehlen; denn wo die Herrin nicht wohnt, sind die Mägde säumig.«
»Sei ohne Sorge, da doch der junge Wolf sein Kämmerer ist. Wenn ich dem Knaben Erlaubnis gebe, erzählt er mir mehr von seinem Herrn, als wir hören wollen.« »Laß mich alles hören,« mahnte Irmgard, »denn gut ist, wenn man weiß, was die Gäste bedürfen.«
»Und wir vernehmen auch gern von einem und dem anderen«, versetzte Frida lachend. »Viel lieber ist mir der Gast, als der Wasserreiher Theodulf, der den Kopf hinten im Nacken trägt. Und das sage ich dir, wenn die Freiwerber des Theodulf in den Hof kommen, und man sagt ja, daß sie kommen werden, dann sollen sie einen Besen am Hoftor finden, durch das sie hinausgehen; damit sie ahnen, was wir Mädchen von ihrer Werbung denken.«
Aber Irmgard barg nach diesen dreisten Worten ihr Gesicht in den Händen, die Tränen rannen ihr durch die Finger, ihr Leib bebte im Schmerz. Frida umschlang das Herrenkind mit den Armen, kniete vor ihm nieder und gab ihm Küsse und zärtliche Worte.
Nicht zufällig geschah es, daß kurze Zeit nach dem Gespräch zwischen Mutter und Tochter Held Sintram in den Hof ritt. In der Kammer der Fürstin saß er mit dem Wirt lange im vertrauten Gespräch, für seinen Verwandten, den Theodulf, beredete er noch einmal die Brautwerbung. Denn solange der Edle als Mann im Hofe verpflichtet war und durch Diensteid an den Fürsten gebunden, konnte die feierliche Werbung nicht geschehen. Aber zum Neujahr in den zwölf Nächten sollte ihn der Fürst seines Eides entledigen, dann würde Theodulf mit den Freiwerbern seinen Eintritt halten, und im Frühling sollte die Vermählung sein. Alles wurde festgesetzt, auch Brautkauf und Mitgift, und die Fürstin mahnte, daß die Männer einander über dem heimlichen Abkommen ihr altes Gelöbnis erneuten. Vergnügt lachte Sintram, als er wieder das Roß bestieg, und da ihn der Wirt bis vor das Tor geleitete und dort sorglos mit warmem Händedruck entließ, so verachtete der Scheidende gänzlich den Besen, welchen die zornige Frida an die Seite des Hoftors gestellt hatte; nur Theodulf, der beim Abschied herzugetreten war, gab dem Besen einen Fußtritt, daß er weit wegflog, und warf auf Frida, der er im Hof begegnete, einen Blick voll von heißem Haß.
So verging nach Sonnenglut und Wetterwolken der fröhliche Sommer. Die Felder waren geräumt, die Gaugenossen wurden gesellig. Die ansehnlicheren Höfe des Gaues begehrten nach der Reihe den Gast zu bewirten, Gelage wechselten mit Jagdreisen über die Waldhügel, der Fürst und Ingo waren jetzt selten daheim. Dem Fürsten wurde der Gast noch werter, als er sah, wie sehr dieser von den Gaugenossen gerühmt wurde und wie vornehm und geradsinnig er sich hielt. Von den Sorgen im Frauengemach merkte der Hausherr völlig nichts, die kluge Wirtin verschwieg, was ihrem Herrn unsichere Gedanken machen konnte, sie war zufrieden, daß die Helden wochenlang auswärts schweiften. Aber Ingo erkannte, daß Irmgard feierlich aussah, und er zürnte, daß ihm so schwer wurde, sie ohne Zeugen zu sprechen.
Einst ritt Ingo mit dem Fürsten nach demselben Gehege, welches er zuerst betreten hatte, als er über die Berge kam. Im Walde rieselte das gelbe Laub zum Boden, um die Lichtungen klang Jagdruf der Männer und Gebell der Meute. Die wohlgenährten Rinder liefen brüllend umher, der Hirt bereitete den Aufbruch aus der Wildnis in die Dörfer, und die Mädchen vom Herrenhofe waren wieder beschäftigt, die letzte Tracht aus dem Milchkeller in den Wagen zu heben. Während Herr Answald die Füllen betrachtete, stand Ingo neben Irmgard. Diese wies auf Frida, die mit dem Milchkrug vorüberging: »Aus diesem Quell schöpftest du bei uns den ersten Trunk, und da, wo du stehst, sah ich dich zum erstenmal. Seitdem ist das lustige Grün geschwunden, die Wildvögel sind fortgeflogen.«
»Auch aus deinem Antlitz wich die Freude«, versetzte Ingo herzlich.
Doch Irmgard fuhr fort: »Selig waren einst die hohen Frauen, welche im Federkleide dahinschwebten, wohin sie ihr Wille trieb. Ich weiß ein Mädchen, das am Gießbach steht und sich sehnt nach der Himmelskunst. Zwei Federhemden möchte sie nähen für Schwan und Schwänin; aber vergeblich ist der Wunsch, und sie schaut traurig nach, wenn die gefiederte Schar sich von ihrer Flur in die Ferne schwingt.«
»Vertraue mir,« bat Ingo leise, »was verstört dir den Mut?«
Irmgard schwieg. »Der Tag wird kommen, wo dir‘s andere sagen, nicht ich«, antwortete sie endlich. »Weilst du den Winter bei uns, so fürchte ich nicht, was er auch an Sorgen bringe.«
Die Rede unterbrach wildes Jauchzen und fremder Kriegsruf. Ingo fuhr empor; wie damals in der Halle strahlte sein Antlitz vor Freude, während die anderen Männer zu einem Haufen sprangen und nach den Waffen griffen.
»Sie kommen in Frieden,« rief Beros Tochter, »mein Vater reitet unter ihnen«, und sie wies auf eine Schar Reiter, welche jubelnd und die Speere schwingend von der Höhe herabrannten. Ingo eilte ihnen entgegen, die Reiter sprangen ab und umdrängten den Helden, sie hielten seine Arme, neigten sich auf seine Hände, umschlangen die Knie, wieder und wieder erklang der wilde Jubelschrei. Ingo rief die Namen der einzelnen, umarmte und küßte sie, und die Tränen brachen ihm aus den Augen; auch vergeblich suchend irrte sein Blick von einem zum anderen, nicht alle standen lebend vor ihm, die er zu grüßen hoffte. Und doch war das Glück dieser Stunde so groß, daß er und die Fremden lange die Gegenwart der anderen vergaßen. Um den Fürsten sammelten sich seine Mannen, die der Kriegsruf aus dem Walde herangezogen, auch dem Herrn und der Jungfrau wurden die Augen naß, und sie lauschten hingerissen auf schnelle Frage und Antwort, auf Lachen und Klageruf der Fremden. Ruhiger sah Bero in die Schar, während er dem Fürsten erzählte: »Ich war südwärts geritten über unsere Berge hinab bis zum Idisbach, wo das kleine Volk der Marvinge wohnt, und als ich mit den Leuten dort um Herdenvieh handelte, traf ich auf diesen Flug wilder Gänse, der seine Leitgans suchte. Ich wußte Bescheid, und da mir ihr behendes Wesen gefiel, so führte ich sie her.«
Ingo trat vor den Fürsten: »Verzeih, o Herr, daß wir in der Freude vergaßen, um deine Huld zu sorgen. Diese hier sind Gebannte wie ich, um meinetwillen wichen sie aus der lieben Heimat, auch sie haben nicht Eltern, nicht Freunde; nur einander sind wir Blutsbrüder für Leben und Tod, und unser Stolz ist, daß wir uns einer den anderen ehren und Glück und Leid teilen, solange wir heimatlos über die Männererde wandern. Auf ihren treuen Herzen allein steht der Königsstuhl des armen Ingo; wo sie ihr Haupt niederlegen, da muß auch das meine ruhen. Mich hast du freundlich aufgenommen, Fürst, aber jetzt bin ich ein Haufe geworden, und unsicher trete ich vor deine Augen.«
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