Der Trotzkopf. Emmy von Rhoden
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Название: Der Trotzkopf

Автор: Emmy von Rhoden

Издательство: Public Domain

Жанр: Зарубежная классика

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СКАЧАТЬ Sie nahm die sauber, mit roten Bändern gebundene Wäsche und warf sie achtlos in die Schubladen; es war ihr gleich, wie alles zu liegen kam.

      Nellie sah diesem Treiben einige Augenblicke zu, dann fing sie zu lachen an. »Was machst du?« fragte sie. »Weißt du nicht, wie Ordnung ist? Taschentücher, Kragen, Schürzen – alles wirfst du durcheinander. Das sieht sehr bunt aus. Hübsch nebeneinander mußt du es machen, so!« Und sie zog eine Schublade nach der andern in ihrem Schrank auf und zeigte Ilse, wie sauber dort alles lag.

      »Das kann ich nicht!« entgegnete Ilse. »Übrigens fällt es mir auch gar nicht ein, so viele Umstände wegen der dummen Sachen zu machen.«

      »Dumme Sachen?« wiederholte Nellie. »O Ilse, wie kannst du so sagen! Sieh diesen feinen Taschentücher, wie sie schön gestickt! Oh, und diese süßen Schürzen! Und du hast so schwere Bücher daraufgetan – wie hast du sie zerdrückt! – Laß nur sein!« fuhr sie fort, als Ilse im Begriff war, Schuhe und Stiefel auf die Wäsche zu werfen. »Ich werde ohne dir machen, du verstehst nix.«

      Ilse ließ sich das nicht zweimal sagen. Ruhig sah sie zu, wie Nellie das Schuhzeug nahm und es unten in den Kleiderschrank stellte, wie sie überhaupt jedem Ding den rechten Platz gab.

      »Oh, ein schönes Buch!« rief Nellie plötzlich und nahm aus dem Koffer ein Buch, elegant in braunes Leder gebunden. In der Mitte des Deckels befand sich ein kleines Schild mit den eingravierten Worten: Ilses Tagebuch.

      Ilse nahm es Nellie aus der Hand und sah es verwundert an. Was war das für ein Buch? Sie wußte nichts davon. Ein kleiner Schlüssel steckte in dem Schloß, und als Ilse es aufschloß, fiel ein beschriebenes Blatt gerade vor ihre Füße.

      Sie hob es auf und las:

      »Mein liebes Kind!

      Möge dieses Buch Dein treuer Freund in der Fremde sein! Wenn Dein Herz schwer ist, flüchte zu ihm und teile ihm mit, was Dich bedrückt! Es wird verschwiegen sein und Dein Vertrauen nie mißbrauchen.

      Gedenke in Liebe

      Deiner

      Mama«

      Ohne ein Wort zu sagen, legte Ilse das Buch beiseite. Sie empfand keine Freude über die reizende Überraschung, und die liebevollen Worte der Mutter blieben in ihr ohne Widerhall.

      »Freut dir das Buch nicht?« fragte Nellie, die sich über diese Gleichgültigkeit wunderte.

      Ilse schüttelte den Kopf. »Was soll ich damit? Ich werde niemals etwas hineinschreiben. Ich werde froh sein, wenn ich meine Aufgaben gemacht habe; zu langen, unnützen Geschichten habe ich keine Zeit und keine Lust.«

      »Ich würde viel Freude haben, wenn ich eine Mutter hätte, die mir so beschenkte«, sagte Nellie traurig.

      »Ist deine Mutter tot?« fragte Ilse teilnehmend.

      »Oh, sie ist lange, lange tot!« entgegnete Nellie. »Sie starb, als ich noch ein kleines Baby war. Mein Vater ist auch tot – ich bin ganz allein. Niemand hat mir recht von Herzen lieb.«

      »Arme Nellie!« flüsterte Ilse und ergriff ihre Hand. »Aber du hast doch sicher Geschwister?«

      »O nein, keine Schwester – ich sein ganz allein! Ein alter Onkel laßt mir in Deutschland ausbilden, und wenn ich gutes Deutsch gelernt habe, muß ich eine Gouvernante sein.«

      »Gouvernante?« rief Ilse erstaunt. »Du bist doch viel zu jung dazu! Alte Mädchen können doch erst Gouvernanten werden!«

      Über diese sonderbare Anschauung mußte Nellie herzlich lachen; nun war ihre traurige Stimmung wieder verschwunden, und ihre angeborene Heiterkeit brach hervor wie der Sonnenstrahl durch graue Wolken.

      Auf Ilse aber machte Nellies Verlassenheit einen tiefen Eindruck. »Laß mich deine Freundin sein!« bat sie in ihrer kindlich offenen Weise. »Ich will dich auch sehr liebhaben.«

      »Gern sollst du meine Freundin sein«, entgegnete Nellie und reichte Ilse die Hand. »Du hast mich von der erste Augenblick an so nett gefallen.«

      Der große Koffer war nun leer, und Nellie ergriff den kleinen und wollte ihn eben öffnen, als ihn ihr Ilse unsanft aus der Hand nahm. »Der bleibt geschlossen!« sagte sie. »Du darfst nicht sehen, was dann ist.«

      »O je! Was machst du so böse Augen!« rief Nellie und stellte sich höchst erschrocken. »Hast du Heimlichkeiten in der kleinen Koffer? Ist wohl Kuchen und Wurst darin?«

      Nellie begleitete ihre Worte mit so komischen Gebärden, daß Ilse lachen mußte. Sie bereute auch schon ihre Heftigkeit. »Ich war recht heftig, Nellie, sei mir nicht böse!« bat sie. »Wenn du mich nicht verraten willst, dann werde ich dir zeigen, was darin ist; aber gib mir die Hand darauf, daß du schweigen wirst!«

      Nellie legte den Zeigefinger auf den Mund und besiegelte mit einem Händedruck ihre Verschwiegenheit.

      Jetzt nahm Ilse den Schlüssel, den sie am schwarzen Band um den Hals trug; doch als sie aufschließen wollte, wurde zum Abendessen geläutet.

      »O wie schade!« rief Nellie, die vor Neugierde brannte, die geheimnisvollen Schätze zu sehen. »Nun müssen wir hinunter, und erst nach die Schlafengehen können wir auspacken.«

      »Nach dem Schlafengehen?« fragte Ilse erstaunt. »Da liegen wir ja in unseren Betten!«

      »Schweig!« entgegnete Nellie und legte abermals den Finger auf den Mund. »Das ist mein Geheimnis.«

      Ilse nahm ihren Platz neben der Vorsteherin. An ihrer andern Seite saß eine junge Russin, Orla Sassuwitsch, ein reizvolles, gepflegtes junges Mädchen mit kurzgeschnittenem, schwarzem Haar, sehr lebhaften, dunklen Augen und einem Stupsnäschen. Sie zählte siebzehn Jahre, sah aber älter aus. Sie sprach fließend deutsch.

      Ilse wäre gern neben Nellie gesessen, mit der sie in den wenigen Stunden so vertraut geworden war – die aber saß weit entfernt von ihr. Im Augenblick hatte sie ihren Platz noch gar nicht eingenommen, sondern stand mit einem anderen Mädchen an einem Nebentisch und war der Wirtschafterin behilflich, den Tee zu reichen.

      Ilse war hungrig. Zu Mittag hatte sie fast gar keinen Bissen genießen können, jetzt aber machte die Natur ihre Rechte geltend. Sie nahm sich vier Brötchen auf einmal, legte zwei und zwei aufeinander und verschlang den ganzen Vorrat in drei bis vier Bissen. Ihr Mund war so voll, daß sie kaum atmen konnte. Das kümmerte sie indes wenig; sie war gewohnt, von einem Butterbrot tüchtig abzureißen. Als sie trank, hielt sie ihre Tasse mit beiden Händen und stützte die Ellenbogen dabei auf den Tisch.

      Fräulein Raimar achtete nicht auf Ilse und wurde erst aufmerksam, als sie in ihrer Nähe unterdrücktes Kichern hörte. Melanie und Grete, zwei Schwestern aus Frankfurt am Main, die Ilse gerade gegenüber saßen, unterhielten sich köstlich über das unbekümmerte Benehmen der »Neuen«, stießen heimlich ihre Nachbarinnen an und zeigten verstohlen auf die nichtsahnende Ilse.

      Ein strenger Blick der Vorsteherin brachte die Mädchen zur Ruhe. Sie liebte es nicht, daß über Schwächen und Fehler anderer gespottet wurde. Über Ilses unfeine Art zu essen sagte sie vorläufig nichts, um sie nicht vor den vielen Mädchen zu beschämen.

      Um halb acht Uhr war das Abendessen vorbei, danach wurde den Pensionärinnen die Erlaubnis gegeben, bis neun Uhr zu tun, was sie wollten. Dann war Schlafenszeit.

      »Komm«, sagte Nellie zu Ilse, »ich werde mit dich in die Garten spazieren! Aber du hast deine Serviette noch nicht schön СКАЧАТЬ