Название: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1
Автор: Reinhart Maurach
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811492561
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Anmerkungen
BT-Dr 13/1850 S. 25. Kritisch Satzger JuS 97, 800 ff.; Lesch, Notwehrrecht und Beratungsschutz, 2000.
Hassemer FS Mahrenholz 731; Wolter GA 96, 222; Knierim, Das Tatbestandsmerkmal „Verlangen“ im Strafrecht, 2018,269.
FS Geerds 147. Für eine Umkehrung der Regelung in Richtung auf ein Verbot der Hinderung am Abbruch der Schwangerschaft nach dem Verfahren des § 218a Berghäuser aaO 856 ff.
II. Rechtsgut der Vorschriften
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1. Die Vorschriften gegen den Schwangerschaftsabbruch stehen im 16. Abschnitt „Straftaten gegen das Leben“. Diese Einordnung hat das BVerfG wieder hervorgehoben: „Der Abbruch einer Schwangerschaft zerstört unwiderruflich menschliches Leben. Der Schwangerschaftsabbruch ist eine Tötungshandlung; das wird aufs deutlichste dadurch bezeugt, dass die ihn betreffende Strafdrohung – auch noch im 5. StrRG – im Abschnitt ,Verbrechen und Vergehen wider das Leben‘ enthalten ist und im bisherigen Strafrecht als ,Abtötung der Leibesfrucht‘ bezeichnet war – die jetzt übliche Bezeichnung als ,Schwangerschaftsabbruch‘ kann diesen Sachverhalt nicht verschleiern“ (BVerfGE 39, 46).
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Indessen ist seit Langem anerkannt, dass zwischen fertigem und sich entwickelndem Leben ein bedeutsamer Wertunterschied besteht, der sich u.a. in dem radikalen Unterschied der Strafdrohungen der §§ 211 ff. einerseits, 218 ff. andererseits und in der Zulässigkeit der Aufopferung der Leibesfrucht bei einer Gefahr für das Leben der Mutter (s.o. § 5 Rn. 13) niederschlägt. Wenn daher schon für das frühere Recht die Behandlung der Abtreibungsdelikte als selbstständige Gruppe anerkannt war (s. 5. Aufl. S. 54 ff.), so muss dies umso mehr für das neue Recht gelten.
Der Versuch, den Unterschied der Strafdrohungen auf die subjektive Konfliktlage der Mutter zurückzuführen (Eser/Weißer S/S Vor § 218 9 m. weit. Nachw.), scheitert an der Milderbestrafung auch des Fremdabbruchs; die Heranziehung einer objektiven Interessenkollision unterscheidet sich – per saldo – nicht von der hier vertretenen Auffassung.
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Aus dieser Selbstständigkeit des Rechtsguts „werdendes Leben“ gegenüber dem fertigen Leben folgt, dass hinsichtlich des Embryos bzw. Fötus die Tötungstatbestände i.e.S. (und ebenso die Körperverletzungstatbestände) nicht eingreifen und auf sie auch bei Lücken der Vorschriften über den Schwangerschaftsabbruch nicht zurückgegriffen werden darf. Daher lässt sich der fahrlässige Schwangerschaftsabbruch ebensowenig als fahrlässige Tötung der abgegangenen Leibesfrucht erfassen wie die Verletzung der Leibesfrucht als Körperverletzung des späteren Menschen (Contergan-Fall, s.o. § 1 Rn. 9 und u. § 8 Rn. 6).
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2. Im Übrigen ergeben sich aus der o. I dargestellten Systematik des geltenden Rechts folgende Unterscheidungen:
a) Durch das in den §§ 218, 218a Abs. 1, 3 enthaltene Verbot des Schwangerschaftsabbruchs nach Ablauf von zwölf Wochen seit der Empfängnis wird nicht nur das werdende Leben ab einer bestimmten Entwicklungsstufe, sondern auch die Gesundheit der Schwangeren geschützt (BTD VI/3434 S. 26). Das Gleiche gilt für § 218c Abs. 1 Nr. 3.
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b) Das Verbot des Schwangerschaftsabbruchs innerhalb von zwölf Wochen ohne Beratung (und ohne Verlangen) dient nach den Intentionen des Gesetzgebers dem Schutz des werdenden Lebens (BTD 12/2875 S. 103). Allerdings handelt es sich hier um eine bloße abstrakte Gefährdung. Angesichts der vorherigen Festlegung der meisten Schwangeren vor Aufsuchung der Beratungsstelle (Holzhauer aaO: 90 %) und der „Ergebnisoffenheit“ der Beratung (s.u. Rn. 44) besteht die Gefahr, dass sich der Unrechtsgehalt zu einem bloßen Formalienverstoß verflüchtigt.
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c) Das Rechtsgut des Verbots des Schwangerschaftsabbruchs durch Nichtärzte konnte nach dem SFHG nur die Gesundheit der Schwangeren sein[4]. Da § 218c entgegen BVerfGE 88, 212, 289 ff. dem abbrechenden Arzt keine wesentlichen Pflichten zur Kontrolle der Entscheidung der Schwangeren auferlegt hat (s.u. Rn. 57), ist dies auch weiterhin der Fall. Das Gleiche gilt für § 218c Abs. 1 Nr. 2.
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Aus dieser Rechtsgutsbestimmung ergeben sich wichtige Konsequenzen: 1. Aus der Selbstständigkeit des Rechtsguts werdendes Leben neben dem Leben und der Gesundheit der Schwangeren folgt, dass eine Einwilligung der Schwangeren allein keine rechtfertigende Wirkung haben kann. 2. Ferner folgt daraus, dass ein „Schwangerschaftsabbruch“ auch bei Tötung, entsprechender Verletzung oder Selbstmord der Schwangeren vorliegt (s.u. Rn. 29). 3. Aus der Einbeziehung der Gesundheit der Schwangeren folgt, dass nur bei Beschädigungen der Gesundheit der Schwangeren, sofern sie über die durch die Beseitigung der „Einnistung“ in den Körper der Schwangeren zwangsläufig gegebene Beeinträchtigung des Körpers der Schwangeren hinausgehen (s.o. § 1 Rn. 9), die §§ 223 ff. StGB zusätzlich eingreifen[5].
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Bei einem Verstoß gegen mehrere der hier aufgegliederten Verbote (Schwangerschaftsabbruch im 4. Monat ohne Beratung durch einen Nichtarzt) werden beide Rechtsgüter verletzt.
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Alle drei Verbote sind mit gleicher Strafe bedroht. Dies wird angegriffen, da es sich bei dem Abbruch ohne Beratung nur um einen Formverstoß handle, dessen Unrecht qualitativ mit dem der Verletzung der 12-Wochen-Frist nicht vergleichbar sei[6]. Indessen ist es überraschend, dass dieser Vorwurf einer zu hohen Bestrafung von Befürwortern eines nachdrücklichen Schutzes des werdenden Lebens erhoben wird. Der Schutz durch das Beratungserfordernis ist unzulänglich (s.o. Rn. 12) und auf die Beratung vorverlagert, beruht aber auf der Hoffnung der Rettung wenigstens einiger werdender Leben. Nicht wegen der hohen Strafdrohung wird der Beratungsschein zu einer Tötungserlaubnis[7].
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e) § 218b (Schwangerschaftsabbruch ohne Vorlage einer ärztlichen Feststellung, unrichtige ärztliche Feststellung) schützt das werdende СКАЧАТЬ