Название: Strafrecht Besonderer Teil. Teilband 1
Автор: Reinhart Maurach
Издательство: Bookwire
Серия: C.F. Müller Lehr- und Handbuch
isbn: 9783811492561
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Die Unterscheidung von Mord und Totschlag nach psychologischen Merkmalen, von der Wissenschaft von Beginn an überwiegend kritisch betrachtet, hat sich jedoch nicht bewährt. In der Tat war sie einerseits nicht fähig, den Unrechtsgehalt besonders verwerflicher Tötungen auch nur annähernd auszuschöpfen, andererseits führte sie zu unverständlicher Strenge und zwang die Gerichte zu Unehrlichkeit. So musste der Lustmord vielfach außerhalb des Bereiches des § 211 bleiben, da die erforderliche „Überlegung“ fehlte oder nicht nachweisbar war; umgekehrt zwang das Gesetz den Richter, Fälle mit geringer Strafwürdigkeit, wie z.B. die nach langen Gewissensqualen durchgeführte Tötung aus Mitleid, wegen der erwiesenen „Überlegung“ als Mord zu qualifizieren. Rein gesetzestechnisch erwuchs endlich eine erhebliche Schwierigkeit daraus, dass über den logischen Einbau des Tatbestandsmerkmals der „Überlegung“ keine Klarheit gewonnen werden konnte. Es blieb bis zuletzt umstritten, ob dieses Merkmal bei Planung der Tat, bei ihrer Ausführung oder in beiden Stadien vorliegen musste (nach h.M. nur bei Ausführung – sehr unbefriedigend!).
Durch Gesetz vom 4.9.1941 wurde daher, vorwiegend auf der Grundlage des (in dieser Form in der Schweiz selbst nicht Gesetz gewordenen) schweizerischen Entwurfes 1916 (Entw. Stooss)[2], mit einer grundsätzlichen Änderung der §§ 211, 212 und der Streichung der überflüssig gewordenen §§ 214, 215 das psychologische Moment durch das ethische ersetzt, allerdings nicht ohne, glücklicherweise folgenlos gebliebene, Konzession an den damals herumspukenden Gedanken des „Täterstrafrechts“ (vgl. u. Rn. 6 und 22). Totschlag ist heute die vorsätzliche Tötung schlechthin; Mord ist die vorsätzliche Tötung, die sich durch die Begehung als sittlich besonders verwerflich oder als besonders gefährlich darstellt. Damit wurde der Anschluss an das überlieferte deutsche Rechtsdenken wiedergewonnen. Der Anteil der Verurteilungen wegen Mordes an den vorsätzlichen Tötungen stieg zwar von 23% 1925–1939 auf 47% 1950–1975[3], doch ist hierbei auch die Enthemmung durch die Abschaffung der Todesstrafe 1949 zu berücksichtigen; überdies war der Anteil schon 1933–1939 auf 38% gegenüber 21% 1926–1932 gestiegen.
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In der jüngsten Zeit sind die Straftaten gegen das Leben immer mehr in den Blickpunkt der Kriminalpolitik gerückt. Umfangreiches rechtsvergleichendes Material bieten Simson-Geerds, Straftaten gegen die Person und Sittlichkeitsdelikte in rechtsvergleichender Sicht, 1969. Nachdem der Bundesjustizminister Ende 1969 eine Reform der Straftaten gegen das Leben als besonders dringlich bezeichnet hatte (SA-Berat. VI/3), wurde der einschlägige Teil des Alternativ-Entwurfs vorgelegt (Bes. Teil. Straftaten gegen die Person. 1. Hlbbd., 1970), und befasste sich die Strafrechtslehrertagung in Regensburg 1970 mit diesem Komplex[4]. 1977 entschied das BVerfG, dass die lebenslange Freiheitsstrafe nur dann mit Art. 1–3 GG vereinbar ist, wenn für den Verurteilten die Chance einer Strafaussetzung besteht und überdies § 211 restriktiv ausgelegt wird[5]. Die erstere Voraussetzung wurde mit dem 20. StÄG 1981 (Einfügung von § 57a StGB) erfüllt. Das Urteil löste eine erneute Reformbewegung aus[6]; insbesondere befasste sich der 53. DJT 1980 mit der Materie[7]. Das 6. StrRG hat sich darauf beschränkt, den zweihundert Jahre alten Privilegierungstatbestand der Tötung eines nichtehelichen Kindes in oder gleich nach der Geburt (§ 217 StGB)[8] abzuschaffen, da die einschlägigen Fälle im Rahmen des allgemeinen Privilegierungstatbestandes des § 213 StGB berücksichtigt werden könnten (BT-Dr. 13/8587 S. 34). Dessen Höchststrafdrohung wurde aber gleichzeitig auf zehn Jahre verdoppelt! Hier wurde eine segensreiche Strafmilderung, die anderen Staaten als Vorbild gedient hat (so noch Russland 1996), auf dem Altar der political correctness geopfert![9] Außerdem wurde der Tatbestand der Aussetzung (§ 221 StGB) erheblich erweitert (s.u. § 4).
Im Juni 2015 legte eine vom Bundesjustizministerium eingesetzte Expertenkommission ihren Abschlussbericht zu einer Reform der Tötungsdelikte vor. Einigkeit bestand in der Kommission darin, dass die auf eine Tätertypologie hindeutende Terminologie des geltenden Rechts („Mörder„ und „Totschläger„) durch eine an die Tathandlung anknüpfende sprachliche Fassung ersetzt werden sollte. Mit großer Mehrheit befürwortete die Kommission zudem eine Reform des § 211, nach der bei Mord zwar weiterhin regelmäßig, aber nicht mehr absolut zwingend eine lebenslange Freiheitsstrafe als Rechtsfolge verhängt werden müsse. Darüber hinaus wurde insbesondere das Mordmerkmal der Heimtücke einerseits als zu eng empfunden (da es die Ausnutzung einer konstitutionellen Schutzlosigkeit des Opfers nicht erfasse), andererseits als zu weit angesehen (da es auch Tötungen in notstandsnahen Situationen mit erfasse).
Während dieser Empfehlungen der Expertenkommission bislang nicht in eine entsprechende Reform der Tötungsdelikte mündeten, stellte der Gesetzgeber am 10.12.2015 in einem neuen § 217 die geschäftsmäßige Suizidbeihilfe strafbar. Obwohl der (versuchte) Suizid selbst weiterhin keinen Straftatbestand erfüllt, gilt dies für die (versuchte) Beihilfe dazu nicht mehr uneingeschränkt. Gegen diese Regelung sind derzeit allerdings noch Verfassungsbeschwerden suizidwilliger Schwerstkranker wegen Eingriffs in ihr Recht auf einen selbstbestimmten Tod vor dem BVerfG anhängig.
Anmerkungen
Eingehend Thomas, Die Geschichte des Mordparagraphen, 1985; Müssig aaO 7 ff.
Dazu Busch aaO 290, Schroeder JuS 84, 275. Zur Verdeckungsabsicht Zwiehoff JZ 02, 343.
Sessar aaO 68, 74 und MSchrKrim 80, 194.
Referate von Arzt und Otto ZStW 83, 1 ff. Zur Kriminologie und Reform des Mordes Riess MSchrKrim 69, 28 und Siol, Mordmerkmale in kriminologischer und kriminalpolitischer Sicht, 1973.
BVerfGE 45, 187 m.Anm. Schmidhäuser JR 78, 265; Beckmann GA 79, 439. Sachverständigengutachten bei Jescheck/Triffterer aaO.
Zusammenfassung bei Möhrenschlager NStZ 81, 57; seitdem Albrecht JZ 82, 697; Kargl aaO.
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