Название: Die Staatsanwaltsklausur: Prüfungswissen für das Assessorexamen
Автор: Christian Jakob
Издательство: Bookwire
Серия: Referendariat
isbn: 9783811487079
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Obwohl die Tat im materiellen Sinn von der prozessualen Tat streng zu unterscheiden ist, können die folgenden Grundsätze aufgestellt werden:
• | Eine Handlung gem. § 52 StGB bildet in der Regel auch eine Tat im prozessualen Sinn. |
• | Umgekehrt folgen aus mehreren Handlungen gem. § 53 StGB in der Regel auch mehrere Taten im prozessualen Sinn. |
Eine prozessuale Tat ist bei mehreren Handlungen gem. § 53 StGB nach BGH hingegen anzunehmen,
„wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zu Grunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden würde.“[8]
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Obwohl materiell-rechtlich Tatmehrheit vorliegt, kann in Anwendung der Rechtsprechung des BGH folglich von nur einer prozessualen Tat auszugehen sein.
Beispiele:
(1) Der Beschuldigte hat während der Trunkenheitsfahrt (fahrlässig, § 316 Abs. 2 StGB) einen Unfall verursacht und beschließt, den Unfallort zu verlassen (§ 142 StGB und erneut – nun vorsätzlich – § 316 Abs. 1 StGB). Hier soll nach BGHSt 25, 72 durch den Unfall eine Zäsur erfolgt sein, sodass jede weitere Straftat hierzu tatmehrheitlich verwirklicht wird. Dennoch besteht nur eine Tat im prozessualen Sinn.
(2) Gleiches gilt in den Fällen, in denen der Beschuldigte das eigene Haus in Brand gesetzt hat, um die Versicherungssumme zu kassieren. Hier stehen die Brandstiftungsdelikte in Tatmehrheit zum späteren Betrug gegenüber und zu Lasten der Versicherung, gleichwohl handelt es sich um eine prozessuale Tat.[9]
III. Einschränkungen des Strafklageverbrauchs
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Obwohl das zu prüfende Delikt Gegenstand derselben prozessualen Tat ist, über die mit Rechtskraft entschieden wurde, kann das Delikt verfolgt werden, wenn der Strafklageverbrauch eingeschränkt ist und das Delikt die Voraussetzung der weiteren Verfolgbarkeit erfüllt. Fallgruppen, die in Examensklausuren abgeprüft werden können:
1. Nach Einstellung des Verfahrens, §§ 153 ff. StPO
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Hat die Staatsanwaltschaft das Verfahren nach § 153a Abs. 1 StPO endgültig eingestellt, kann die prozessuale Tat nur noch wegen eines Verbrechens verfolgt werden, § 153a Abs. 1 S. 5 StPO. Gleiches gilt für den Einstellungsbeschluss des Gerichts gem. § 153a Abs. 2 S. 2 StPO.
Für die Einstellung wegen Geringfügigkeit gem. § 153 StPO sieht das Gesetz keinen Strafklageverbrauch vor. Erfolgt die Einstellung aber durch Beschluss des Gerichts gem. § 153 Abs. 2 StPO, ist aber § 153a Abs. 1 S. 5 StPO analog anzuwenden. Denn dann hat ein Gericht den Sachverhalt umfassend geprüft, sodass der Beschuldigte bei Einstellung ohne Auflage nicht schlechter stehen soll als bei Einstellung mit Auflage gem. § 153a Abs. 1 StPO.[10]
2. Nach Verurteilung durch Strafbefehl
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Ist der Beschuldigte in einem anderen Strafverfahren durch rechtskräftigen Strafbefehl verurteilt (§ 410 Abs. 3 StPO) worden, kann dieselbe prozessuale Tat nur noch unter den Voraussetzungen des § 373a StPO verfolgt werden.[11] Bekanntlich kann ein Strafbefehl ausschließlich bei Vergehen erlassen werden, vgl. § 407 Abs. 1 S. 1 StPO. Konsequenterweise eröffnet § 373a StPO die Möglichkeit, die Tat
(1.) wegen eines Verbrechens weiter zu verfolgen, sofern
(2.) neue Beweismittel oder Tatsachen beigebracht worden sind.
Aber beachten Sie: § 373a StPO bildet keinen Fall der Rechtskraftbeschränkung, sondern der Rechtskraftdurchbrechung. Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft das Wiederaufnahmeverfahren zuungunsten des Beschuldigten aus der Akte des abgeschlossenen Verfahrens heraus betreiben wird. Die Tat wird nach erfolgreicher Zulässigkeitsprüfung (sog. Additionsverfahren) in zumeist neuer Hauptverhandlung (sog. Probationsverfahren) unter dem alten Aktenzeichen weiterverfolgt werden. In der Klausursituation dürfte Ihnen indes ein neues Verfahren in neuer Akte (neues Js-Aktenzeichen!) vorliegen. In diesem Verfahren dürfen Sie das Delikt folglich nicht (erneut) anklagen, sondern müssen die Voraussetzungen des Wiederaufnahmeverfahrens (§ 373a Abs. 2 i.V.m. §§ 359 ff. StPO) – je nach Bundesland: im B-Gutachten – prüfen.
Beispiel:
Der Beschuldigte hat sich wegen eines Straßenverkehrsdelikts am 25.07.2020 hinreichend verdächtig gemacht. Zugleich ergeben die Ermittlungen aus der Akte, dass er sich am 23.12.2019 wegen Raubes hinreichend verdächtig gemacht hat. Hinsichtlich dieser Tat wurde der Beschuldigte bereits wegen Diebstahls im Wege eines rechtskräftigen Strafbefehls (Az. 21 Js 532/19) verurteilt.
In der Klausur klagen Sie das Straßenverkehrsdelikt an. Hinsichtlich des Raubverdachts prüfen Sie die Voraussetzungen eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens, der in der anderen Verfahrensakte (Az. 21 Js 532/19) zu stellen wäre. Im Bearbeitervermerk findet sich zur Prüfungserleichterung häufig der Hinweis, dass der Prüfling im Fall eines „weiteren Antrags an ein Gericht, der nicht den Abschluss dieses Verfahrens betrifft“, den Antrag lediglich zu benennen, nicht aber zu formulieren braucht (nochmal: im B-Gutachten!):
„In dem abgeschlossenen Strafverfahren mit dem Aktenzeichen 21 Js 532/19 ist ein Antrag auf Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Beschuldigten zu stellen. Es liegen – wie dargelegt – die Voraussetzungen der Wiederaufnahme des Verfahrens gem. §§ 373a Abs. 1, 2 StPO i.V.m. §§ 359 ff. StPO vor.“
3. Nach Nichteröffnung des Hauptverfahrens
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Wurde der Erlass des Strafbefehls durch Beschluss abgelehnt (§ 408 Abs. 2 S. 1 StPO) oder hat das Gericht nach Anklageerhebung das Hauptverfahren durch Beschluss nicht eröffnet (sog. Nichteröffnungsbeschluss, § 204 StPO), und ergibt sich aus der Klausurakte, dass die Staatsanwaltschaft es versäumt hat, innerhalb einer Frist von einer Woche (§ 311 Abs. 2 StPO) nach Zustellung dagegen sofortige Beschwerde einzulegen (§ 408 Abs. 2 S. 2 i.V.m. § 210 Abs. 2 StPO), gilt: Nach Ablauf der einwöchigen Beschwerdefrist erwächst der Ablehnungs- bzw. Nichteröffnungsbeschluss in formelle und teilweise materielle Rechtskraft. Als Staatsanwalt können Sie die vom abgelehnten Strafbefehl erfasste prozessuale Tat nur noch auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel СКАЧАТЬ