Название: Die Begleitbeistandschaft
Автор: Daniel Rosch
Издательство: Bookwire
Серия: Schriften zum Kindes- und Erwachsenenschutz
isbn: 9783035508765
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4. Die behördlichen Massnahmen des früheren Vormundschaftsrechts im Überblick
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Das Vormundschaftsrecht kannte als Hauptmassnahmen die Beistandschaften, die Beiratschaften, die Vormundschaften und die nicht amts- und personengebundene fürsorgerische Freiheitsentziehung. Anknüpfungspunkt war in Bezug auf die personen- und amtsgebundenen Massnahmen die faktische oder rechtliche Einschränkung der Handlungsfähigkeit, in Bezug auf die fürsorgerische Freiheitsentziehung, die Bestimmung über den Aufenthalt gegen den – allenfalls auch mutmasslichen oder hypothetischen – Willen der betroffenen Person und die Unterbringung in einer geeigneten Anstalt. Diese Bestimmung über den Aufenthalt hat – ähnlich der Begleitbeistandschaft[124] – keine Einschränkung der Handlungsfähigkeit zur Folge, stellt aber dennoch einen massiven Grundrechtseingriff dar. Das Abweichen vom sonst üblichen Anknüpfungspunkt der Beschränkung der Handlungsfähigkeit ist historisch zu erklären. Die fürsorgerische Freiheitsentziehung fand erst 1981 Eingang ins Gesetz; zuvor war die Regelung auf Bundesebene sehr lückenhaft.[125] Ihre Vorläufer sind die kantonal geregelten administrativen Versorgungen. Aufgrund der inhaltlichen Nähe zum Eingriffssozialrecht[126] wurde die fürsorgerische Freiheitsentziehung dem Erwachsenenschutz zugeordnet.
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Die amts- und personengebundenen Massnahmen unterschieden sich dadurch, dass bei den Beistandschaften die Handlungsfähigkeit zwar tatsächlich, aber nicht rechtlich eingeschränkt wird, indem sich die verbeiständete Person die Handlungen des Beistandes anrechnen lassen muss, bei den Beiratschaften diese eingeschränkt und bei den Vormundschaften die Handlungsfähigkeit entzogen wird, wobei die höchstpersönlichen Rechte jeweils im Regelfalle nicht beschränkt werden durften. Im Folgenden werden ausschliesslich die amts- und personengebundenen Massnahmen dargestellt.
4.1 Die Beistandschaften (Art. 392–394 aZGB)
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Die Beistandschaften wurden unterteilt in Vertretungs–, Verwaltungs– und kombinierte Beistandschaft sowie die Beistandschaft auf eigenes Begehren. Allen war gemeinsam, dass der Beistand in Bezug auf die Vertretungsmacht konkurrierende Kompetenzen hatte. Die schutzbedürftige Person und die Beistandsperson konnten handeln; die schutzbedürftige Person musste sich aber die Handlungen des Beistandes anrechnen lassen, weshalb die Handlungsfähigkeit faktisch eingeschränkt war.[127] Voraussetzung für Beistandschaften war in aller Regel eine gewisse Kooperationsfähig- und –willigkeit der betroffenen Person; im Minimum durfte diese die Handlungen der Beistandsperson nicht durchkreuzen oder vereiteln.[128]
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Die Vertretungsbeistandschaften wurden gemäss den Voraussetzungen in Art. 392 aZGB angeordnet. Darunter fielen insbesondere Interessenkollisionen und Vertretung in dringenden Angelegenheiten. Auch wenn sie nur als vorübergehende Massnahme gedacht waren, konnten sie – aufgrund von Auslegung – auch als Dauermassnahme und sogar zur persönlichen Fürsorge errichtet werden.[129]
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Die Verwaltungsbeistandschaft des Art. 393 aZGB fokussiert demgegenüber Situationen, in denen eine Person aufgrund eines Schwächezustandes nicht ausreichend um ihr Vermögen besorgt sein konnte. Die Vertretungsmacht des Beistandes leitete sich gemäss den abschliessend aufgezählten vier Situationen von diesen ab. Dabei war der Beistand nur für das Vermögen und nicht für die Einkommensverwaltung zuständig;[130] er war diesbezüglich allenfalls auch Vertreter der schutzbedürftigen Person.[131] Eine beschränkte persönliche Fürsorge mit dem Ziel der Vermögensverwaltung war zulässig, wobei Zwangsmassnahmen ausgeschlossen waren.[132]
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Die beiden Beistandschaften konnten auch kombiniert werden, wobei in der Praxis vorab die Kombination von Art. 392 Ziff. 1 i.V.m. Art. 393 Ziff. 2 aZGB im Vordergrund stand.[133] Hier umfasste die Vertretungsmacht des Beistandes die gemäss Schutzzweck notwendige Personen- und Vermögenssorge.[134]
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Die Beistandschaft auf eigenes Begehren erschien prima vista als besonders niederschwellige Massnahme. Das eigene Begehren verwies auf die Freiwilligkeit. Damit war sie in Bezug auf die Initialphase durchaus eine sehr milde Form; betrachtete man demgegenüber ihre Vertretungsmacht, so beinhaltet diese eine umfassende Personen- und Vermögenssorge.[135] Entsprechend orientierte sie sich bereits im Gesetzestext an der Vormundschaft,[136] weshalb auch der Aufgabenumfang von der Vormundschaft hergeleitet wurde[137] und somit die Einkommensverwaltung auch zum Aufgabenbereich des Beistandes gehörte. Eine Besonderheit der Beistandschaft auf eigenes Begehren war, dass die Behörde die Massnahme aufheben musste, sobald die schutzbedürftige Person dies beantragte. Die Behörde hatte aber – allenfalls weiter in die Rechtstellung des Betroffenen reichende – andere Massnahmen zu prüfen.[138]
4.2 Die Beiratschaften (Art. 395 aZGB)
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Bei der Beiratschaft wurde die Beschränkung der Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person erforderlich, weil diese aufgrund ihres Schwächezustandes entweder von sich aus mehr oder minder unkontrolliert selbstschädigende Handlungen ausführte oder dazu verleitet wurde. Die Beiratschaften unterteilten sich in die Mitwirkungsbeiratschaft, die Verwaltungsbeiratschaft, die kombinierte Beiratschaft und die Beiratschaft auf eigenes Begehren. Sie zielten alle primär auf die Vermögenssorge ab. Personensorge war aber möglich; diese durfte aber in Bezug auf die Schutzbedürftigkeit nicht Haupt-, sondern nur Nebenwirkung sein.[139]
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Die Mitwirkungsbeiratschaft gemäss Art. 395 Abs. 1 aZGB beschränkte die Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person, indem die in Ziffer 1.–9. aufgeführten Geschäfte in jedem Falle nur gültig zustande kamen, wenn der Mitwirkungsbeirat diesen zustimmte. Er war nicht gesetzlicher Vertreter; die urteilsfähige schutzbedürftige Person musste die Geschäfte vornehmen, und der Beirat konnte diesen nur zustimmen – sei es stillschweigend, explizit, vorgängig oder nachträglich.[140]
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Bei der Verwaltungsbeiratschaft wurde der schutzbedürftigen Person die Verwaltung über ihr Vermögen mit Ausnahme der Erträgnisse und der Einkommensverwaltung[141] entzogen und dem Beirat in ausschliesslicher Kompetenz übertragen.[142] Damit wurde in diesen Aufgabenbereichen der betroffenen Person gleichzeitig die Handlungsfähigkeit entzogen.[143]
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Die kombinierte Beiratschaft vereinte die Wirkungen der Mitwirkungs- und der Verwaltungsbeiratschaft. Damit wurde einerseits das Vermögen mit Ausnahme der Erträgnisse und des Einkommens der schutzbedürftigen Person entzogen; auf der anderen Seite zudem die Handlungsfähigkeit der schutzbedürftigen Person in Bezug auf die Erträgnisse und das Einkommen der in Ziffer 1.–9. aufgeführten Geschäfte eingeschränkt.[144]
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