Himmel (schon wieder). Andrea Ross
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Himmel (schon wieder) - Andrea Ross страница 3

Название: Himmel (schon wieder)

Автор: Andrea Ross

Издательство: Автор

Жанр:

Серия:

isbn: 9783967525311

isbn:

СКАЧАТЬ Er würde die halben Nächte lang durchprogrammieren, in Rekordzeit ein perfektes Ergebnis abliefern. So wie es seine Kunden von ihm gewohnt waren. Schon spukten ihm die ersten Codes und Layouts durch den Kopf, die er zu kreieren gedachte.

      Aber zuallererst würde er hinüber nach Elche in den Elektrogroßmarkt fahren, um ein mobiles Heizgerät zu besorgen; denn in einem Winkel seines mittlerweile hellwachen Gehirns wusste er, wie schweinekalt und feucht der bevorstehende Winter im sonnigen Süden werden konnte, wenn man keine Heizung in der Wohnung besaß. Souverän fand er den versteckt gelegenen Elektromarkt, obwohl er diesen nie zuvor aufgesucht hatte. Wenigstens nicht im »realen« Leben, denn im Traum musste er sich dort ein neues Notebook besorgen, nachdem seines bei einem Einbruch entwendet wurde. Stephen verdrängte diesen Gedanken gleich nach seiner Entstehung, sonst hätte er über diese Ungereimtheit wieder nachdenken müssen. Außerdem war er gerade mit einem profanen Alltagsproblem befasst; als er den sperrigen Karton auf der Harley verstauen wollte, entrang sich ein frustrierter Fluch seinen Lippen. Er liebte Motorräder, speziell dieses hier! Doch wenn man größere Einkäufe oder Heizgeräte zu transportieren hatte, dann hörte der Fahrspaß auf.

      In Guardamar del Segura mit heiler Fracht und leichten Muskelverspannungen angekommen, fühlte sich Stephen erst einmal erleichtert. Jetzt schnell noch den Heizkörper ins Appartement, dann gleich weiter zum Hotelmanager nach Torrevieja.

      Nanu, hatte er nicht abgesperrt gehabt? Stephen hielt irritiert in seiner Bewegung inne. Es ereilte ihn unvorbereitet das nächste unangenehme Déjà vu.

      Diese Situation war ihm leider bereits hinreichend bekannt. Er würde nun gleich in das Appartement eintreten und hierbei feststellen, dass nicht mehr alle Dinge an ihrem angestammten Platz standen. Anschließend, da war er sich ganz sicher, würde sein Blick auf die leere Stelle fallen, wo noch vor einer Dreiviertelstunde sein Notebook gestanden hatte. Danach würde er registrieren, dass auch das Handy fehlte.

      »So eine gottverdammte Scheiße!« Mit dieser verbalen Entgleisung war nicht nur die Tatsache gemeint, dass das Notebook noch einen beträchtlichen Wert gehabt hatte, er es dringend zum Programmieren benötigte und dieses nun gestohlen worden war. Weitaus schlimmer war die Einschätzung seiner Situation. Es würde nicht aufhören, immer wieder würde er auf Fragmente seiner Traumerlebnisse – oder was immer ihm da serviert wurde – stoßen, die er in Wirklichkeit doch gar nicht erlebt haben konnte.

      Ja genau! Die Nebenerwerbseinbrecher! Nun wusste er wenigstens, dass man schon einen Tag nach seinem schweren Unfall hier eingebrochen hatte; nur konnte er es in der anderen Version seines Lebens erst später entdecken, weil er zu diesem Zeitpunkt noch bei Pilar wohnte, El Burro reparierte und seine Verletzungen vom Unfall ausheilte.

      Stephen fühlte sich nicht wohl in seiner Haut, ließ sich mutlos auf die Couch fallen. Er würde den Einbruch nun wieder bei der Policía melden müssen, diesmal aber ganz bestimmt nicht wie der deutsche Touristen-Depp dastehen und zum Gespött gelangweilter Polizisten werden. Diesmal nicht! Anschließend würde er schon wieder zum Elektromarkt fahren dürfen, ein Notebook kaufen. Dann zum Schlüsseldienst, die Schlösser austauschen lassen. Gott, nervte das.

      Stephen beschloss, dies alles NACH seinem Besuch im Hotel zu erledigen. Er streifte sein einziges Jackett über, bestieg das Motorrad und machte sich auf den Weg. Aber heute Abend, wenn er erst ein neues Notebook nebst einem Großauftrag sein Eigen nannte, dann würde er einiges eruieren, es führte leider kein Weg daran vorbei. Am besten bei einer schönen Flasche Rotwein.

      Das Hotelmanagement war überhaupt nicht erbaut, dass der vielversprechende junge Programmierer so wenig Interesse an seinem Auftrag zeigte, dass er einen vollen Tag zu spät zur Vertragsunterzeichnung auftauchte. Dabei hatte man ihm explizit zu verstehen gegeben, dass die Zeit drängte, die Teilrenovierung des Hauses bereits ihrer Fertigstellung entgegen ging. Danach würde man das neue System in Betrieb nehmen wollen, vorausgesetzt, dass Stephen seinen vorgegebenen Zeitplan einhielt. Für die Eile hatte man ihm schließlich auf den gewöhnlichen Stundensatz einiges draufgepackt, der Auftrag konnte für den jungen Mann durchaus als lukrativ betrachtet werden. Umso erstaunlicher, dass dieser nun schon im Vorfeld durch Unpünktlichkeit glänzte.

      Natürlich hatte Stephen eine prima Ausrede parat, er war ja ausgeraubt worden. Den Einbruch verlegte er bei seiner Erzählung einfach einen Tag zurück, schilderte in den buntesten Farben seine Erlebnisse bei der Polizei, wie er sie aus seinem »Zweitleben« in Erinnerung hatte. Man nickte bedächtig, anscheinend hatte hier jeder so seine Erfahrungen mit irgendwelchen Einbrüchen. Dennoch entging Stephen der irritierte Blick des Hotel-Managers nicht, mit dem er ihn in einem unbeobachtet geglaubten Moment betrachtete. Misstraute er ihm etwa?

      Stephen erhielt seinen unterzeichneten Vertrag, sein Pflichtenheft und die eindringliche Ermahnung, regelmäßigen Bericht über den Fortgang seiner Tätigkeit zu erstatten und unbedingt im Zeitplan zu bleiben. Dann durfte er endlich gehen.

      Als er draußen die Unterlagen in der Satteltasche seiner Harley verstaute, beschlich ihn ein höchst ungutes Gefühl. Als hätte er soeben ein Verbrechen oder einen Verrat begangen, sich wissentlich Sünde aufgeladen. Selbstverständlich wusste er auch, weshalb sich dies so anfühlte.

      Waren nicht Computer und die Menschen, die sie benutzten, am Untergang der Welt mitschuldig? In seinem anderen Leben hatten sie den Anfang vom Ende eingeleitet; es würde in einigen Jahren der Supercomputer »das Tier 0« in Betrieb genommen werden, und zwar Mitte 2012. Was heute, am Ende des Jahres 2004, allerdings noch niemand ahnen konnte. Genau, er würde einiges überprüfen müssen, wenn er nach Hause kam.

      Im »Eden Roc« war die Chefbesprechung indessen noch nicht aufgelöst worden. Die drei Spanier waren sich plötzlich überhaupt nicht mehr sicher, den richtigen Programmierer an Land gezogen zu haben. »Señor Gómez, haben Sie es auch bemerkt? Vorgestern noch hat dieser Stephen McLaman vorgeschoben, nur ein paar Brocken Spanisch zu sprechen, »un pocito« hat er entschuldigend bemerkt. Und heute steht er da und erzählt ausführlich seine Erlebnisse mit La Policía, ohne mit der Wimper zu zucken, nachdem er einen Tag zu spät hier auftauchte. Sagen Sie, wie gut kennen Sie eigentlich seinen Vater, der ihn empfohlen hat?« Der Angesprochene war ebenfalls nicht ganz im Bilde, was dieses Verhalten zu bedeuten hatte. Aber der Ruf des Thomas McLaman und seiner Aktiengesellschaft war tadellos. Gómez hatte einige Jahre lang im selben Bürogebäude gearbeitet und schwärmte noch heute von seiner Zeit in Hamburg, als er den großen »Mr. LAMANTEC« persönlich kennenlernen durfte. Dieser Mann verkörperte das, was sich Victor Gómez unter einem perfekten Manager vorstellte. Er besaß Brillanz, Unerbittlichkeit und Stolz. Seit er diesem Unternehmer begegnet war, strebte er danach, dieselbe Kompetenz auszustrahlen. Nur so funktionierte das Big Business. Nur so.

      * * *

      Lena Keller langweilte sich. Eigentlich war sie spontan nach Spanien geflogen, um Spaß zu haben, um endlich ihr Image als graue Maus loszuwerden. Sie hatte wohl das gehabt, was man heute als

      »schwere Kindheit« bezeichnete, denn ihre Mutter war einfach spurlos verschwunden, als sie noch im Kindergarten-Alter war. Die Kindergärtnerin hatte sie schließlich adoptiert, doch Lena war trotzdem mit dem Makel aufgewachsen, von der eigenen Mutter im Stich gelassen worden zu sein. Was sich fatal auf ihr Selbstbewusstsein auswirkte.

      Außerdem war sie viel zu schüchtern und verklemmt gewesen. Noch bis vor wenigen Wochen, als sie an einem schicksalhaften Tag endlich aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen konnte. Oder musste, wie man es eben nahm.

      Das Leben spielte oft gemeine Streiche. Eigentlich hatte Lena sterben wollen, war mit einer ganzen Batterie von Tabletten und einer Flasche Schnaps an den norddeutschen Strand gegangen, um sich das Leben zu nehmen. Zur Sicherheit wollte sie während der Tabletteneinnahme in der Brandung des Meeres stehen, damit sie beim Eintritt ihrer Bewusstlosigkeit auch gleich ertrinken würde. Denn kein Gedanke war schlimmer, als der an eine bleibende geistige СКАЧАТЬ