Der Weg ins Freie. Arthur Schnitzler
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Название: Der Weg ins Freie

Автор: Arthur Schnitzler

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754188415

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СКАЧАТЬ erwiderte nichts. Herr Rosner trommelte leise auf den Tisch, und seine Gattin nickte scheinbar gleichgültig.

      »Also adieu.« Bei der Tür wandte sich Josef wieder um und bemerkte mit mäßiger Festigkeit. »Mama, wenn du vielleicht einen Moment Zeit hast ...«

      »Ich hör schon«, sagte Frau Rosner, »es wird ja kein Geheimnis sein.«

      »Nein. Es ist ja nur, weil ich mit dir ja ohnedies in Verrechnung bin.«

      »Muß man ins Kaffeehaus gehen?« fragte der alte Rosner einfach, ohne aufzublicken.

      »Also es handelt sich nicht ums Kaffeehaus. Es ist überhaupt ... Ihr könnt mir's glauben, daß es mir selber lieber wär, wenn ich euch nicht anpumpen müßt'. Aber was soll der Mensch tun?«

      »Arbeiten soll der Mensch«, sagte der alte Rosner leise und schmerzlich, und seine Augen röteten sich. Die Frau warf einen traurigen und strafenden Blick auf den Sohn.

      »Also«, sagte Josef, knöpfte den Bureaujanker auf und wieder zu, »das ist doch wirklich ... wegen jedem Guldenzettel ...«

      »Pst«, sagte Frau Rosner mit einem Blick gegen die angelehnte Tür, durch die jetzt, nachdem der Gesang Annas geendet, nur das gedämpfte Klavierspiel Georgs hereinklang.

      Josef beantwortete den Blick der Mutter mit einer wegwerfenden Handbewegung: »Arbeiten soll ich, sagt der Papa. Als ob ich's nicht schon bewiesen hätte, daß ich's kann.« Er sah zwei fragende Augenpaare auf sich gerichtet. »Jawohl hab ich's bewiesen, und wenn es nur auf meinen guten Willen ankäm, hätt' ich überall mein Auskommen gehabt. Aber ich hab halt nicht das Temperament, mir was gefallen zu lassen, ich laß mich nicht ausschreien von meine Chefs, wenn ich mich einmal eine Viertelstunde verspäten tu ... oder so was.«

      »Die Geschichte kennen wir«, unterbrach ihn Herr Rosner müde. »Aber schließlich, weil wir schon davon sprechen, du wirst dich ja doch wieder um irgendwas umschauen müssen.«

      »Umschauen ... gut ...«,erwiderte Josef. »Aber zu einem Juden bringt mich keiner mehr ins Geschäft. Das würde mich bei meinen Bekannten ... jawohl in meinem ganzen Kreis würde mich das lächerlich machen.«

      »Dein Kreis ...«, sagte Frau Rosner, »wer ist denn dein Kreis? Kaffeehausfreunderln.«

      »Also bitte, weil wir schon davon reden«, sagte Josef, »es hängt auch wieder mit dem Guldenzettel zusammen. Ich habe jetzt ein Rendezvous im Kaffeehaus mit dem jungen Jalaudek. Ich hätt's euch lieber erst gesagt, wenn die Sache perfekt wird ... aber ich seh schon, ich muß früher mit der Farb heraus. Also der Jalaudek, das is der Sohn von dem Stadtrat Jalaudek, von dem berühmten Papierhändler. Und der alte Jalaudek ist bekanntlich eine sehr einflußreiche Persönlichkeit in der Partei ... sehr intim mit dem Herausgeber vom »Christlichen Tagesboten«, Zelltinkel heißt er. Und beim»Tagesboten« da suchen sie jetzt junge Leute von gefälligen Umgangsformen, Christen natürlich, für das Inseratengeschäft. Und da hab ich heute mit dem Jalaudek Rendezvous im Kaffeehaus, weil er mir versprochen hat, sein Alter wird mich beim Zelltinkel empfehlen. Das wär etwas Ausgezeichnetes ... da bin ich aus'm Wasser. Da kann ich in der kürzesten Zeit hundert oder auch hundertfünfzig Gulden im Monat verdienen.«

      »Ach Gott«, seufzte der alte Rosner.

      Draußen ging die Glocke. Rosner blickte auf.

      »Das wird der junge Doktor Stauber sein«, sagte Frau Rosner und warf einen besorgten Blick nach der Tür, durch die Georgs Klavierspiel noch leiser drang als früher.

      »Also Mama was is eigentlich?« sagte Josef.

      Frau Rosner nahm ihre Geldbörse und reichte ihrem Sohn seufzend einen Silbergulden.

      »Küß die Hand«, sagte Josef und wandte sich zum Gehen.

      »Josef«, rief Herr Rosner. »Es ist doch einigermaßen unhöflich grade in dem Augenblick, wenn ein Besuch kommt ...«

      »Ah, ich dank schön, ich muß nicht von allem haben.«

      Es klopfte, Doktor Bertold Stauber trat ein.

      »Entschuldigen vielmals, Herr Doktor«, sagte Josef, »ich bin grad im Weggehen.«

      »Bitte«, erwiderte Doktor Stauber kühl, und Josef verschwand.

      Frau Rosner forderte den jungen Arzt auf, Platz zu nehmen. Er setzte sich auf den Divan und horchte nach der Seite hin, von wo das Klavierspiel kam.

      »Der Baron Wergenthin«, erklärte Frau Rosner etwas verlegen. »Der Komponist. Anna hat eben gesungen.« Und sie schickte sich an, ihre Tochter herein zu rufen.

      Doktor Berthold hielt sie ganz leicht am Arme fest und sagte freundlich. »Nein. Ich bitte Fräulein Anna nicht zu stören, absolut nicht. Ich habe nicht die geringste Eile. Es ist übrigens ein Abschiedsbesuch.« Der letzte Satz kam wie hervorgestoßen aus seiner Kehle; doch lächelte Berthold zugleich verbindlich, lehnte sich bequem in die Ecke und strich mit der rechten Hand den kurzen Vollbart zurecht.

      Frau Rosner sah ihn förmlich erschreckt an.

      Herr Rosner fragte: »Ein Abschiedsbesuch? Haben Herr Doktor Urlaub genommen? Das Parlament ist doch erst vor kurzer Zeit zusammen getreten, wie man den Zeitungen entnehmen konnte.«

      »Ich habe mein Mandat niedergelegt«, sagte Berthold.

      »Wie?« rief Herr Rosner aus.

      »Jawohl niedergelegt«, wiederholte Berthold und lächelte zerstreut.

      Das Klavierspiel hatte plötzlich aufgehört, die angelehnte Tür tat sich auf. Georg und Anna erschienen.

      »O Doktor Berthold«, sagte Anna und streckte ihm, der rasch aufgestanden war, die Hand entgegen. »Sind Sie schon lange da? Haben Sie mich vielleicht singen gehört?«

      »Nein, Fräulein Anna, das hab ich leider versäumt. Nur ein paar Töne auf dem Klavier hab ich vernommen.«

      »Der Baron Wergenthin«, sagte Anna, als wollte sie vorstellen. »Die Herren kennen sich doch?«

      »Gewiß«, erwiderte Georg und reichte Berthold die Hand.

      »Der Doktor kommt uns einen Abschiedsbesuch machen«, sagte Frau Rosner.

      »Wie?« rief Anna erstaunt aus.

      »Ich verreise nämlich«, sagte Berthold und schaute Anna ernst und undurchdringlich in die Augen. »Ich gebe meine politische Karriere auf«, setzte er dann wie spöttisch hinzu ... »besser gesagt, ich unterbreche sie auf eine Weile.«

      Georg lehnte im Fenster, die Arme über der Brust verkreuzt, und betrachtete Anna von der Seite. Sie hatte sich gesetzt und sah ruhig zu Berthold auf, der aufrecht dastand, die eine Hand auf die Lehne des Divans gestützt, als wenn er eine Rede halten wollte.

      »Und wohin reisen Sie?« fragte Anna.

      »Nach Paris. Ich will im Pasteurschen Institut arbeiten. Ich kehre wieder zu meiner alten Liebe zurück, zur Bakteriologie. Es ist eine reinlichere Beschäftigung als die Politik.«

      Es war dunkler geworden. Die Gesichter verschwammen, nur die Stirne Bertholds, der gerade dem Fenster gegenüberstand, war noch in Helle getaucht. Es zuckte um seine Brauen. Eigentlich СКАЧАТЬ