Anna Karenina | Krieg und Frieden. Leo Tolstoi
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Название: Anna Karenina | Krieg und Frieden

Автор: Leo Tolstoi

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754188644

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СКАЧАТЬ verstummte in Erwartung des nun nahe bevorstehenden Mittagessens.

      Sergei Iwanowitsch, der es wie kein anderer verstand, zum Zwecke der Beendigung des ernstesten Streites über die weltentrücktesten Gegenstände unerwartet etwas attisches Salz auszustreuen und dadurch die Stimmung der Streitenden zu verändern, befolgte diese Praxis auch jetzt.

      Alexei Alexandrowitsch hatte zu beweisen gesucht, daß die Russifizierung Polens nur mit den höheren Verwaltungsgrundsätzen durchgesetzt werden könne, die von der russischen Regierung dort eingeführt werden müßten. Peszow hingegen hatte behauptet, ein Land könne nur dann ein anderes sich angleichen, wenn es selbst dichter bevölkert sei.

      Kosnüschew hatte das eine wie das andere als richtig anerkannt, jedoch mit gewissen Einschränkungen. Als sie nun aus dem Salon in den Speisesaal gingen, sagte er, um das Gespräch abzuschließen, lächelnd:

      »Darum gibt es für die Russifizierung fremder Völker nur ein Mittel: möglichst viele Kinder zu erzeugen. Sehen Sie, ich und mein Bruder, wir entwickeln auf diesem Gebiete schmählicherweise die allergeringste Tätigkeit. Aber Sie, die verheirateten Herren, und namentlich Sie, Stepan Arkadjewitsch, wirken im höchsten Grade vaterländisch. Wie viele haben Sie denn eigentlich?« wandte er sich freundlich lächelnd an den Hausherrn und hielt ihm ein winzig kleines Likörgläschen zum Füllen hin.

      Alle lachten, besonders lustig Stepan Arkadjewitsch.

      »Ja, das ist das beste Mittel!« versetzte er, indem er seinen Käse hinterkaute und eine besonders feine Sorte Likör in das hingehaltene Gläschen einschenkte. So wurde das Gespräch wirklich durch dieses Späßchen beendet.

      »Dieser Käse ist nicht übel. Ist Ihnen nicht davon gefällig?« sagte der Hausherr. »Hast du wirklich wie der Gymnastik getrieben?« wandte er sich an Ljewin und befühlte mit der linken Hand dessen Armmuskel. Ljewin lächelte, straffte den Arm, und unter Stepan Arkadjewitschs Fingern erhob sich wie ein rundlicher Käse eine stahlharte Erhöhung unter dem feinen Tuche des Oberrockes.

      »So ein Bizeps! Du bist ja ein wahrer Simson!«

      »Ich glaube, daß man zur Bärenjagd große Kraft besitzen muß«, bemerkte Alexei Alexandrowitsch, der von dieser Jagd nur eine sehr nebelhafte Vorstellung hatte. Er strich sich Käse auf ein Scheibchen Weißbrot und zerriß dabei die Krume, die so dünn wie ein Spinngewebe geschnitten war.

      Ljewin lächelte.

      »Keineswegs. Im Gegenteil, ein kleines Kind kann einen Bärentöten«, antwortete er und trat mit einer leichten Verbeugung vor den Damen zur Seite, die, von der Hausfrau geleitet, sich jetzt dem Tische mit den kalten Vorspeisen näherten.

      »Sie haben einen Bären erlegt, wie mir gesagt worden ist?« redete ihn Kitty an; sie bemühte sich vergebens, einen widerspenstigen, immer wieder wegrutschenden Pilz mit der Gabel aufzuspießen, und schüttelte dabei ihre Spitzenmanschette, durch die ihre weiße Hand hindurchschimmerte. »Gibt es denn bei Ihnen Bären?« fügte sie hinzu und wandte in halber Drehung ihr reizendes Köpfchen lächelnd nach ihm hin.

      In dem, was sie sagte, schien nichts Außergewöhnliches zu liegen; aber welch ein Sinn, den sie ihm durch Worte nicht hätte ausdrücken können, lag in jedem Laute, in jeder Bewegung ihrer Lippen, Augen und Hände, während sie das sagte! Es lag darin eine Bitte um Verzeihung und ein zuversichtliches Vertrauen und etwas wie ein zartes, schüchternes Streicheln, und ein Versprechen, und eine Hoffnung und Liebe zu ihm, eine Liebe, an der er nicht zweifeln konnte und die ihm vor Glückseligkeit den Atem benahm.

      »Nein, wir sind nach dem Gouvernement Twer auf die Jagd gefahren. Auf der Rückkehr von dort traf ich im Eisenbahnwagen mit Ihrem Schwager zusammen oder vielmehr mit dem Schwager Ihres Schwagers«, antwortete er lächelnd. »Es war eine komische Begegnung.«

      Und er erzählte lustig und humoristisch, wie er, nachdem er die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, in seinem kurzen Schafpelz in Alexei Alexandrowitschs Abteil eingedrungen war.

      »Der Schaffner wollte mich wegen meiner Kleidung hinausweisen; aber da fing ich an, mich in gebildeter Sprache auszudrücken und ... Auch Sie«, wandte er sich an Karenin, dessen vollständigen Namen er vergessen hatte, »auch Sie wollten mich zuerst wegen meines Schafpelzes hinausjagen; aber dann traten Sie für mich ein, wofür ich Ihnen sehr dankbar war.«

      »Die Rechte der Reisenden auf die Wahl ihrer Plätze sind überhaupt nur sehr mangelhaft festgelegt«, versetzte Alexei Alexandrowitsch und wischte sich mit dem Taschentuche die Fingerspitzen ab.

      »Ich sah, daß Sie über mich im unklaren waren«, sagte Ljewin mit gutmütigem Lächeln, »und darum beeilte ich mich, ein gebildetes Gespräch anzufangen, um meinen Schafpelz wieder wettzumachen.«

      Sergei Iwanowitsch, der ein Gespräch mit der Hausfrau führte und mit einem Ohre nach seinem Bruder hinüberhorchte, schielte jetzt nach ihm hin. ›Was mit ihm heute nur ist? Ganz wie ein siegreicher Feldherr!‹ dachte er. Er wußte nicht, daß jenem zumute war, als seien ihm Flügel gewachsen. Ljewin wußte, daß sie seine Worte anhörte und gern anhörte. Nichts weiter als dieses eine interessierte und beschäftigte ihn. In diesem Zimmer, ja in der ganzen Welt lebten jetzt für ihn nur zwei Personen: er, der in seinen eigenen Augen eine gewaltige Bedeutung und Wichtigkeit erlangt hatte, und sie. Er fühlte sich auf einer Höhe, von der ihm schwindlig wurde, und irgendwo da unten, in weiter Ferne waren all diese guten, prächtigen Menschen, Karenin und Oblonski und die ganze übrige Welt.

      Ganz unauffällig, ohne sie anzusehen, als ob er keinen andern Platz mehr wüßte, setzte Stepan Arkadjewitsch Ljewin und Kitty nebeneinander.

      »Na, und du könntest dich ja etwa dorthin setzen«, sagte er zu Ljewin.

      Das Essen war ebenso vorzüglich wie das Tafelgerät, wie denn für feines Tafelgerät Stepan Arkadjewitsch eine besondere Liebhaberei hatte. Die Suppe Marie Louise war ausgezeichnet gut geraten; die kleinen Pastetchen, die einem im Munde zergingen, waren tadellos. Zwei Lohndiener und Matwei, mit weißen Binden, walteten ihres Amtes beim Auftragen der Speisen und Einschenken der Weine unauffällig, leise und eifrig. In materieller Hinsicht war das Mahl entschieden wohlgelungen und nicht minder, was geistige Genüsse anlangte. Das Gespräch, das bald gemeinsam war, bald sich in Einzelunterhaltungen auflöste, verstummte keinen Augenblick und wurde gegen Ende der Mahlzeit so lebhaft, daß die Herren nicht einmal durch die Aufhebung der Tafel sich in ihrem Meinungsaustausch unterbrechen ließen und sogar Alexei Alexandrowitsch auftaute.

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      Peszow liebte es, eine Erörterung bis zur Erschöpfung des Gegenstandes fortzusetzen, und fühlte sich von dem, was Sergei Iwanowitsch vor Tisch gesagt hatte, nicht befriedigt, um so weniger, da er die Unrichtigkeit seiner eigenen Ansicht fühlte.

      »Ich hatte«, sagte er während der Suppe, zu Alexei Alexandrowitsch gewendet, »nicht ausschließlich die Dichtigkeit der Bevölkerung gemeint, sondern diese in Verbindung mit der geistigen Grundrichtung des Volkes; von den Verwaltungsgrundsätzen würde ich mir allerdings keine besondere Wirkung versprechen.«

      »Mir scheint«, antwortete Alexei Alexandrowitsch langsam und in mattem Tone, »daß das ein und dasselbe ist. Meiner Ansicht nach kann auf ein anderes Volk nur ein solches einwirken, das auf einer höheren Stufe der Entwicklung steht und das ...«

      »Aber das ist gerade die Frage«, unterbrach ihn mit seiner tiefen Stimme Peszow, der es immer sehr eilig hatte zu Worte zu kommen und anscheinend immer mit ganzer Seele bei dem Gegenstande eines Gespräches war, »worin haben wir die höhere Entwicklung zu finden? СКАЧАТЬ