Radetzkymarsch. Йозеф Рот
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Radetzkymarsch - Йозеф Рот страница 17

Название: Radetzkymarsch

Автор: Йозеф Рот

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750207332

isbn:

СКАЧАТЬ fragte Carl Joseph. »Zu Katharina!«, sagte Onufrij. Man hörte, wie er »Habt acht« stand. »Ruht!«, kommandierte Carl Joseph. Onufrij schob hörbar den rechten Fuß vor den linken.

      Carl Joseph wandte sich um. Vor ihm stand Onufrij, die großen Pferdezähne schimmerten zwischen den breiten, roten Lippen. Er konnte nicht »Ruht!«, stehn, ohne zu lächeln. »Wie sieht sie aus, deine Katharina?«, fragte Carl Joseph. »Herr Leutnant, melde gehorsamst, große, weiße Brust!«

      »Große, weiße Brust!« Der Leutnant höhlte die Hände und fühlte eine kühle Erinnerung an die Brüste Kathis. Tot war sie, tot!

      »Den Zettel!«, befahl Carl Joseph. Onufrij hielt den Dienstzettel hin. »Wo ist Katharina?«, fragte Carl Joseph. »Dienstmädchen bei Herrschaften!«, erwiderte Onufrij. Und »große, weiße Brust!«, fügte er glücklich hinzu. »Gib her!«, sagte Carl Joseph. Er nahm den Dienstzettel, glättete ihn, unterschrieb. »Geh zu Katharina!«, sagte Carl Joseph. Onufrij schlug noch einmal die Hacken zusammen. »Abtreten!«, befahl Carl Joseph.

      Er knipste das Licht aus. Er tastete im Dunkeln nach seinem Mantel. Er trat in den Korridor. In dem Augenblick, in dem er unten die Tür schloß, setzten die Bläser zum letzten Abgesang des Zapfenstreiches an. Die Sterne am Himmel flimmerten. Der Posten vor dem Tor salutierte. Hinter Carl Josephs Rücken schloß sich das Tor. Silbern im Mondlicht schimmerte die Straße. Die gelben Lichter der Stadt grüßten herüber wie heruntergefallene Sterne. Der Schritt klang hart auf dem frisch gefrorenen, herbstlich-nächtlichen Boden. Hinter dem Rücken vernahm er die Stiefel Onufrijs. Der Leutnant ging schneller, um sich nicht vom Diener überholen zu lassen. Aber auch Onufrij beschleunigte den Schritt. So liefen sie auf der einsamen, harten und widerhallenden Straße, einer hinter dem andern. Offenbar machte es Onufrij Freude, seinen Leutnant einzuholen. Carl Joseph blieb stehen und wartete. Onufrij reckte sich deutlich im Mondlicht, er schien zu wachsen, er hob den Kopf gegen die Sterne, als bezöge er von dorther neue Kraft für die Begegnung mit seinem Herrn. Seine Arme bewegte er ruckartig, im gleichen Rhythmus wie die Beine; es war, als träte er auch die Luft mit den Händen. Drei Schritte vor Carl Joseph blieb er stehen, die Brust noch einmal reckend, mit einem fürchterlichen Knall der Stiefelabsätze, und die Hand salutierte mit zusammengewachsenen fünf Fingern. Ratlos lächelte Carl Joseph. Jeder andere, dachte er, wüßte etwas Nettes zu sagen. Es war rührend, wie ihm Onufrij folgte. Er hatte ihn eigentlich niemals genau angesehen. Solange er den Namen nicht behalten konnte, war es ihm auch unmöglich gewesen, das Angesicht zu betrachten. Es war so, als hätte er jeden Tag einen anderen Burschen gehabt. Die anderen sprachen von ihren Burschen mit kennerischer Sorgfalt, wie von Mädchen, Kleidern, Lieblingsspeisen und Pferden. Carl Joseph dachte an den alten Jacques zu Hause, wenn von Dienern die Rede war, an den alten Jacques, der noch dem Großvater gedient hatte. Es gab, außer dem alten Jacques, keinen Diener auf der Welt! Jetzt stand Onufrij vor ihm auf der mondbelichteten Landstraße, mit mächtig aufgepumptem Brustkorb, mit glitzernden Knöpfen, spiegelnd gewichsten Stiefeln und im breiten Angesicht eine krampfhaft verborgene Freude über die Zusammenkunft mit dem Leutnant. »Stehen S'! Ruht!«, sagte Carl Joseph.

      Er hätte etwas Liebenswürdigeres sagen mögen. Der Großvater hätte es zu Jacques gesagt. Onufrij setzte knallend den rechten Fuß vor den linken. Sein Brustkorb blieb aufgepumpt, der Befehl hatte keine Wirkung. »Stehen S' kommod!«, sagte Joseph, etwas traurig und ungeduldig. »Steh' ich kommod, melde gehorsamst!«, erwiderte Onufrij. »Wohnt sie weit von hier, dein Mädchen?«, fragte Carl Joseph. »Nicht weit, eine Stunde Marsch, melde gehorsamst, Herr Leutnant!« – Nein, es ging nicht! Carl Joseph konnte kein Wort mehr finden. Er würgte an irgendeiner unbekannten Zärtlichkeit, er wußte nicht, mit Burschen umzugehen! Mit wem denn sonst? Seine Ratlosigkeit war groß, auch vor den Kameraden fand er kaum ein Wort. Warum flüsterten sie alle, wenn er sich von ihnen abwandte und ehe er zu ihnen stieß? Warum saß er so schlecht zu Pferd? Ach, er kannte sich! Er sah seine Silhouette wie im Spiegel, man konnte ihm nichts einreden. Hinter seinem Rücken zischelten die geheimen Reden der Kameraden. Ihre Antworten begriff er erst, nachdem man sie ihm erklärt hatte, und auch dann konnte er nicht lachen; dann erst recht nicht! Der Oberst Kovacs liebte ihn dennoch. Und er hatte sicher eine ausgezeichnete Konduitenliste. Man lebte im Schatten des Großvaters! Das war es! Man war ein Enkel des Helden von Solferino, der einzige Enkel. Man fühlte den dunklen, rätselhaften Blick des Großvaters im Nacken! Man war der Enkel des Helden von Solferino!

      Ein paar Minuten lang standen Carl Joseph und sein Bursche Onufrij einander schweigend gegenüber, auf der milchig schimmernden Landstraße. Der Mond und die Stille verlängerten noch die Minuten. Onufrij rührte sich nicht. Er stand wie ein Denkmal, überglänzt vom silbernen Mond. Carl Joseph wandte sich plötzlich um und begann zu marschieren. Genau drei Schritte hinter ihm folgte Onufrij. Carl Joseph hörte den regelmäßigen Aufschlag der schweren Stiefel und den eisernen Klang der Sporen. Es war die Treue selbst, die ihm folgte. Jeder Aufschlag des Stiefels war wie ein neues, kurzes, gestampftes Gelöbnis soldatischer Burschentreue. Carl Joseph fürchtete umzukehren. Er wünschte, daß diese schnurgerade Straße plötzlich eine unerwartete, unbekannte Abzweigung böte, einen Seitenweg; Flucht vor der beharrlichen Dienstfertigkeit Onufrijs. Der Bursche folgte ihm im gleichen Takt. Der Leutnant bemühte sich, mit den Stiefeln hinter seinem Rücken Schritt zu halten. Er fürchtete, Onufrij zu enttäuschen, wenn er den Schritt etwas achtlos wechselte. In den zuverlässig aufstampfenden Stiefeln war sie, die Treue Onufrijs. Und jeder neue Aufschlag rührte Carl Joseph. Es war, als versuchte dort hinter seinem Rücken ein ungelenker Kerl, mit schweren Sohlen an das Herz des Herrn zu klopfen; hilflose Zärtlichkeit eines gestiefelten und gespornten Bären.

      Schließlich erreichten sie den Stadtrand. Carl Joseph war ein gutes Wort eingefallen, das für den Abschied taugte. Er wandte sich um und sagte: »Viel Vergnügen, Onufrij!« Und er bog schnell in die Seitengasse ein. Der Dank des Burschen traf ihn nur noch als fernes Echo. Er mußte einen Umweg machen. Er erreichte das Kasino zehn Minuten später. Es lag im ersten Stock eines der besten Häuser am alten Ring. Alle Fenster strömten, wie jeden Abend, Licht auf den Platz, auf den Korso der Bevölkerung. Es war spät, man mußte sich geschickt durch die dichten Scharen der spazierfreudigen Bürger und ihrer Frauen winden. Tag für Tag bereitete es dem Leutnant unsagbare Pein, in klirrender Buntheit zwischen den dunklen Zivilisten aufzutauchen, von neugierigen, gehässigen und lüsternen Blicken getroffen zu werden und schließlich wie ein Gott in die hellerleuchtete Toreinfahrt des Kasinos einzutauchen. Er schlängelte sich hurtig durch die Korsobesucher. Zwei Minuten dauerte der ziemlich lange Korso, ekelhafte zwei Minuten. Er nahm zwei Stufen auf einmal. Niemandem begegnen! Begegnungen auf der Treppe mußte man meiden: schlimme Vorzeichen. Wärme, Licht und Stimmen kamen ihm im Flur entgegen. Er trat ein, er tauschte Grüße aus. Er suchte den Obersten Kovacs im gewohnten Winkel. Dort spielte er jeden Abend Domino, jeden Abend mit einem andern Herrn. Er spielte Domino mit Begeisterung; vielleicht aus einer unmäßigen Angst vor Karten. »Ich habe noch nie eine Karte in der Hand gehabt«, pflegte er zu sagen. Nicht ohne Gehässigkeit sprach er das Wort »Karten« aus; und er zeigte dabei mit dem Blick in die Richtung seiner Hände, als hielte er in ihnen seinen tadellosen Charakter. »Ich empfehle euch«, fuhr er manchmal fort, »das Dominospiel, meine Herren! Es ist sauber und erzieht zur Mäßigkeit.« Und er hob gelegentlich einen der schwarzweißen, vieläugigen Steine in die Höhe, wie ein magisches Instrument, mit dem man lasterhafte Kartenspieler von ihrem Teufel befreien kann.

      Heute war der Rittmeister Taittinger an der Reihe, den Dominodienst zu versehen. Das Angesicht des Obersten warf einen bläulichroten Widerschein auf das gelbliche, hagere des Rittmeisters. Carl Joseph blieb mit sanftem Klirren vor dem Obersten stehn. »Servus!«, sagte der Oberst, ohne von den Dominosteinen aufzusehn. Er war ein gemütlicher Mann, der Oberst Kovacs. Seit Jahren hatte er sich eine väterliche Haltung angewöhnt. Und nur einmal im Monat geriet er in einen künstlichen Zorn, vor dem er selbst mehr Angst hatte als das Regiment. Jeder Anlaß war ihm da willkommen. Er schrie, daß die Wände der Kaserne und die alten Bäume rings um die Wasserwiese bebten. Sein blaurotes Angesicht wurde blaß bis in die Lippen, und seine Reitpeitsche schlug in zitternder Unermüdlichkeit gegen den Stiefelschaft. Er schrie lauter wirres Zeug, zwischen dem lediglich die rastlos wiederkehrenden, zusammenhanglos vorgebrachten СКАЧАТЬ