Anarchistische Analysen zur Gegenwart. Jörg Djuren
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Anarchistische Analysen zur Gegenwart - Jörg Djuren страница 6

СКАЧАТЬ die systematische Aufwertung der alten überholten bürgerlichen Familie in diesen Bevölkerungsschichten in ihrer sexistischten und reaktionärsten Form durch religiöse und kulturelle Institutionen, die vom Großkapital finanziert auf die Masse, der nicht zur Klonschicht der MIS gehörigen Bevölkerung, gerichtet sind. Diese Funktion erfüllt z.B. der vom saudischen Großkapital finanzierte islamische Fundamentalismus, aber auch protestantisch christliche Organisationen in den USA und bestimmte Massenmedien.

      Die bürgerliche Familienform erfüllt hier zwei Zwecke.

      - Sie sorgt für die weitere ausreichende Zurverfügungstellung zu Niedriglöhnen ausbeutbarer Arbeitskräfte.

      - Sie sichert ideologisch ab, daß den marginalisierten Bevölkerungsgruppen die Selbstvermarktung als Unmoral erscheint, und sie somit den auf der Spaltung basierenden Bestand der Herrschaftsverhältnisse von sich aus aufrechterhalten. Dies vor allem über eine repressive sexistische insbesondere gegen eine sowohl reproduktiv wie lustvoll selbstbestimmte Sexualität von Frauen gerichtete Sexualmoral und Homophobie. Da souveräne Selbstvermarktung immer auch, auch bezogen auf Männer19 , sexuelle Aspekte mit einbezieht schließt eine solche Moral eine vollwertige Teilnahme als Ware am Markt aus.

      Als Legitimation für diese repressive Sexualnorm wird dabei der genannte immer aggressivere sexistische Zugriff durch MIS-Bürger auf Kinder und Frauen aus diesen marginalisierten Schichten angeführt. Wobei in der klassischen Strategie des "Blaming the Victim" diese für ihre sexuelle Ausbeutung auch noch selbst verantwortlich gemacht werden.

      Auf männlicher Seite wird auch in diesen marginalisierten Gesellschaftsbereichen der Reduktion auf ein sexuelles Objekt durch verstärkt aggressiv heterosexistisches Auftreten entgegen gearbeitet.

      Da diese klassische bürgerliche Familienform aber im globalisierten Kapitalismus zunehmend disfunktional wird, z.B. weil sie häufig auf Mutter und Kind reduziert wird, oder sie migriert sind, oder auch die Mutter in Freihandelszonen oder in der internationalen Dienstleistungsökonomie einschließlich Prostitution ihre Haut zu Markte tragen muß, u.a., ist sie nur noch aufrecht zu erhalten durch die verschärfte Ausbeutung der (Reproduktions)Arbeit von Frauen. Diese Ausbeutungsverhältnisse werden durch extreme Formen von Gewalt gegen Frauen, gegen aufkeimenden Widerstand und alternative Lebensentwürfe von Frauen, abgesichert.

      Der Islamismus ist hier nur ein Beispiel, massenhafte sexuelle Gewalt in den Freihandelszonen Mexicos oder den französischen Vorstadtgettos sind ein anderes Beispiel für diese Gewalt zur Aufrechterhaltung der klassischen Familie.

      Diese Gewalt ist und dies gilt auch für den islamischen Fundamentalismus ein funktionaler Bestandteil der kapitalistischen Modernisierung, sie ist dies ebenso, wie die Inquisition Teil des Modernisierungsprozesses im Umbruch vom Mittelalter zur Neuzeit war, und eben kein Überbleibsel einer 'unzivilisierten' Vergangenheit.

      Für AnarchistInnen muß es wiederum darum gehen, sowohl die alte bürgerliche Familienform, wie auch das neue souveräne Warensubjekt gleichzeitig zu bekämpfen.

      Der gerechte Orgasmustausch als Liebesideal

      Ausgehen von den Theorie des französischen Philosophen Michel Foucault zur Bedeutung der Bio-Macht für den modernen Kapitalismus gilt, daß die Machtdiskurse auf das Subjekt wesentlich über die Sexualität laufen. Durch die Sexualitätspolitiken und -praxen werden die bevölkerungspolitischen Machtinteressen auf die Ebene des einzelnen Menschen übersetzt und durchgesetzt. Der Körper wird durch sie diszipliniert und produktiv umgeformt im Sinne der Steigerung seines Nutzens für die kapitalistische Produktion und seiner Einbettung in den kapitalistischen Markt. Gleichzeitig führt die Anreizung spezifischer sexueller Praxen zu einer Umstrukturierung der Subjekte, die sich in den veränderten sexuellen Praxen neu situieren und neu definieren. Die Festlegung der Sexualitätsdiskurse ist ein entscheidendes Mittel zur Durchsetzung von Machtinteressen.

      Mit Foucault gilt für die Moderne das Konzept der Biomacht, die die Verwaltung des Lebens übernimmt. Als Disziplinarmacht gegenüber dem Körper übernimmt sie "seine Dressur, die Steigerung seiner Fähigkeiten, die Ausnutzung seiner Kräfte, das parallele Anwachsen seiner Nützlichkeit und seiner Gelehrigkeit, seine Integration in wirksame und nützliche Kontrollsysteme"20 und als "Biopolitik der Bevölkerung"21 , als Normierungsmacht, reguliert sie "die Fortpflanzung, die Geburten- und Sterblichkeitsrate, das Gesundheitsniveau"22 . Die Lebensdauer, die Langlebigkeit mit all ihren Variationsbedingungen wird zum Gegenstand eingreifender Maßnahmen.

      "Diese Bio-Macht war (..) ein unerläßliches Element bei der Entwicklung des Kapitalismus, der ohne kontrollierte Einschaltung der Körper in die Produktionsapparate und ohne Anpassung der Bevölkerungsphänomene an die ökonomischen Prozesse nicht möglich gewesen wäre. Aber er hat noch mehr verlangt: das Wachsen der Körper und der Bevölkerungen, ihre Stärkung wie auch ihre Nutzbarkeit und Gelehrigkeit; er brauchte Machtmethoden, die geeignet waren, die Kräfte, die Fähigkeiten, das Leben im ganzen zu steigern, ohne deren Unterwerfung zu erschweren."23

      Es geht nicht mehr darum, auf dem Feld der Souveränität den Tod auszuspielen, sondern das Lebende in einem Bereich von Wert und Nutzen zu organisieren.

      "Der Sex eröffnet den Zugang sowohl zum Leben des Körpers wie zum Leben der Gattung. Er dient als Matrix der Disziplinen und als Prinzip der Regulierungen."24 (..) "Die Mechanismen der Macht zielen auf den Körper, auf das Leben und seine Expansion, auf die Erhaltung, Ertüchtigung, Ermächtigung oder Nutzbarmachung der ganzen Art ab. Wenn es um Gesundheit, Fortpflanzung, Rasse, Zukunft der Art, Lebenskraft des Gesellschaftskörpers geht, spricht die Macht von der Sexualität und zu der Sexualität, die nicht Mal oder Symbol ist, sondern Gegenstand und Zielscheibe."25

      Entsprechend sind mit dem Umbruch zur postmodernen Machtstruktur der MIS auch Änderungen in den sexuellen Praxen und ein Umbruch in dem was als 'sexuelle Wahrheit' gilt zu beobachten.

      Wie schon bzgl. der Familienorganisation beschrieben bilden sich auch hier zwei scheinbar widersprüchliche sexuelle Wahrheitssysteme mit ihren jeweiligen sexuellen Praxen heraus, eins für die neuen Subjekte der Macht, die MIS-BürgerInnen, und eins für die Masse der Bevölkerung.

      Für das neue Subjekt der Macht gilt, wie schon ausgeführt, daß es zu lernen hat seine/ihre Sexualität, und dies umfaßt nicht nur die sexuellen Praxen sondern auch das geschlechtliche Auftreten, souverän im Wert zu maximieren und als Tauschwert einzusetzen. Die Entwicklung einer solchen souveränen Warensexualität ist ein Schritt in dem sich dieses neue Subjekt der Macht im Sinne des Foucault-Zitats selbst konstituiert.

      Zieh Dir doch mal was anderes an.

      Ein bißchen körperbetonter.

      Willst Du denn gar nicht attraktiv sein?

      Und die Haare.

      Hast Du die selbst geschnitten.

      Ich will Dir ja nicht reinreden.

      Du mußt ja selber wissen.

      Aber ...

      Für das souveräne Warensubjekt sind eine Reihe sexueller Tabus dabei nicht mehr zeitgemäß. So behindert das Tabu der Sexualität zwischen Männern den souveränen Einsatz einer Tauschsexualität, z.B. schon auf der Ebene des Einsatzes bewußt geschlechtlichen Auftretens. Die Unterstützung der Enttabuisierung von Homosexualität durch postmoderne Machtzusammenhänge ist so zum Teil zu begreifen. Gleichzeitig bedeutet dies aber wie ausgeführt nicht das Ende von Homophobie, es bildet sich hier nur eine neue Form heraus, denn all die Schwulenklischees werden nun auf das nicht СКАЧАТЬ