Название: 3000 Plattenkritiken
Автор: Matthias Wagner
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783741869433
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Verschiedene Künstler
„Charles Wilp: Michelangelo in Space – The Bunny Remixes” (2000)
Der Berliner Jesuitenschüler Wilp gehört zu den Werbeikonen des Jahrhunderts. Ich sage nur: Nonne hinter vereister Scheibe mit Afri-Cola-Flasche. Diesem Multimediakünstler aus einer Zeit, als es den Begriff noch gar nicht gab, huldigen hier hippe Leute von heute. Geschickt wird Wilps auf Rausch angelegtes 60er-Listening und sein nach Fernsehshow klingender Big-Band-Jazz mit aktuellen Beats verbunden. Diese Hommage ist in sich geschlossener als die an Peter Thomas aus dem letzten Jahr, die ähnlich angelegt war. Und mit Maxwell Implosion, To Rococo Rot oder Stereo Total haben sich auch deutlich schrägere Typen an Wilps Werken versucht.
Verschiedene Künstler
„Chicago 2018 … It’s gonna change” (2000)
Auch in Chicago, der Welthauptstadt des Postrock, ist nicht alles cool, was daddelt. Das beweist etwa das Chicago Underground Duo mit seiner angestaubt hippiesken Drumsolomucke. Allerdings überwiegt das Neue auf dieser Samplerdoublette, wo sich aus Freejazz und Psychedelia, impressionistischen Rockskizzen und nihilistisch anmutenden Instrumentals die derzeit gültige Definition des Postrock formt. Vertreten sind Genreheroen wie Tortoise oder Isotope 217, aber auch Bands des echten Undergrounds wie Tricolor, die aus Spannung und Ruhe, aus Gefühl und Kälte ein geradezu andächtiges Fluidum weben. Musik, die von Keith Richards ebenso fern ist wie von Puff Daddy oder Keith Jarrett. Eine eigene Nische.
Verschiedene Künstler
„Clubber’s Guide to … Germany” (2000)
DJ Taucher wusste schon genau, was er tat und plante, als er sich seinen Clubnamen gab. Sein Sound ist seicht und tief – wie geschaffen für lange Nächte ohne Sorgen. Der Sampler „Clubber’s Guide …“ stellt Techno- und Clubstile vor, zu denen in Deutschland getanzt wird. Motto: keine Experimente, nur pure Attraktion, ohne freilich in Blümchens Garten zu landen. Ein sehr süffiger Mix auf zwei CDs mit 41 Tracks. Dabei sind Paul Van Dyk, David Morales, Monday Michiru, Humate, Jocelyn Brown – und Tom Jones, der sich damals, als er „Green Grass of Home“ sang, auch nicht hätte träumen lassen, mal auf solch einem Sampler zu landen. Gottes Wege sind unergründlich.
Verschiedene Künstler
„Comfort Zone” (2000)
Die Flut der Loungeplatten hat verdeutlicht, dass auch in diesem Genre die Geniequote nicht höher ist als anderswo. Will sagen: Mittelmaß überall. Der Labelsampler „Comfort Zone“ hebt das Niveau jedoch – mit wunderbaren Texturen, viel Ruhe und Elegie. Diese Musik will auf Cocktailpartys gespielt werden oder zum Vorspiel auf der Couch. Auch sagt sie leise: „Ich wäre ein überaus geeigneter Soundtrack zur Space Night, lieber Bayerischer Rundfunk.“ Sichergestellt wird die Qualität durch To Rococo Rot, Trüby Trio, Mono oder Akasha. Highlights: I-Cube beginnt „Tropiq“ mit ausgedünntem Minimal Techno und verwandelt ihn dann verblüffend rasch und elegant in eine Loungeskulptur, und A Reminiscent Drive kümmern sich ausufernd um den Blues – allerdings im Stil des Neo-Space-Age.
Verschiedene Künstler
„L’Age d’analogue” (2000)
Der Grusel hat viele Namen, und einige davon finden sich auf dieser Doppel-CD, die einer staunenden und angeekelten Welt analoge 70er-Jahre-Elektronik aus Frankreich serviert. Was hat man sich damals geplustert, wie viel Schaum wurde da geschlagen vor lauter Glück, endlich einen funktionsfähigen Schaumschläger zu haben! Jeder, der damals herumstöpselte, hielt sich für einen Avantgardisten. Wenn im Rückblick aber selbst Pioniere wie Tangerine Dream und Klaus Schulze manchmal naiv klingen, so wirken französische Tastenquäler wie Serge Ramses (sic!) oder OSE geradezu kindlich mit ihren wolkigen, substanzlosen Glitschklängen wie aus dem E-Nebelwerfer. Eigentlich ist das hier alles Trash, Moog-Müll, easy glibbering – aber auch interessant, historisch gesehen, und natürlich höchst unterhaltsam. Es gibt ja auch Cineasten, die Ed-Wood-Filme genießen können.
Verschiedene Künstler
„Megasoft Office 2000” (2000)
Musik fürs Büro will dieser Sampler sein. Gut, dass er sich trotzdem von Muzak unterscheidet. Denn Künstler und Projekte wie Laurent Garnier, Elegia oder A Reminiscent Drive haben mehr in petto als – sagen wir – jenes Landschaftsposter, das gemeinhin zur Freundlichkeit des Arbeitsumfeldes beitragen soll. Elektronische Musik hat längst das Vorurteil widerlegt, sie sei keine Herberge für Gefühle; dennoch ist es angebracht, dies für diese Doppel-CD noch einmal zu betonen. Die durchsichtige Klarheit dieser Klänge bietet behagliche Zwischenräume, und selbst wenn die Beats oft kurzatmig trippeln, bleibt die Gesamtausstrahlung elegisch – außer bei Jori Hulkonen: Seine falscherweise „Whispers“ genannte Komposition klingt, als poche der Chef gegen die Tür, weil er dich im Mittagsschlaf wähnt.
Verschiedene Künstler
„Mut” (2000)
Es geht gegen Rechts, initiiert vom Stern. Fünf Mark pro Album fließen an die Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“. 21 Prominente wählten je einen Mutmachsong – Ergebnis: ein bisweilen bizarres Spektrum von Marky Mark bis Lindenberg. Was wählte der Kanzler? Elvis’ „In the Gettho“. Und der Kaiser? Harold Melvin & The Blue Notes („If you don’t know me by now“). Die Eisprinzessin Kati Witt? Nik Kershaw. Mainstream, so weit das Ohr hört, doch das ist gut so: Mit echten Antirechtsliedern wären weit weniger Heiermänner zu machen. Der CD liegt übrigens auch noch ein Button bei, auf dem „Mut“ steht. Steck ihn dir ans Revers, und die Nazis in der U-Bahn wissen gleich, um wen sie sich kümmern müssen.
Verschiedene Künstler
„Sunny” (2000)
Bobby Hebb? Schon mal gehört? Nö. Aber seinen Song „Sunny“, den kennt jeder. Sogar Robert Mitchum, der ihn mal gesungen hat. Oder Wilson Pickett, Cher, Georgie Fame, The Ventures … Der Sampler „Sunny“ stellt 16 Versionen des Songs zusammen, was eine schön skurrile Idee ist, aber angesichts der fast immer gleich ans Interpretieren herangehenden Interpreten die Frage offen lässt, ob sich etwa nie eine Death-Metal-Truppe, ein Alternativeact, ein Lo-Fi-Frickler oder eine Technopopcombo am Ohrwurm versucht hat. Etwas Gegenstrich beim „Sunny“-Bürsten hätte die Sache interessanter gemacht. Immerhin: Das Original ist auch drauf. Von Bobby Hebb. Schon mal gehört?
Verschiedene Künstler
„The Arthaus Musik DVD Video Sampler” (2000)
Wieder mal beginnt mit einer neuen Technik auch der Verwertungszyklus neu. Nachdem Bach & Co. die Zyklen auf Schellack, Vinyl, Tape, Video und CD durchlaufen haben, übernimmt nun die DVD den Staffelstab. Alles beginnt von vorn, nur auf einer höheren, Optik und Akustik brillant verschmelzenden Ebene. Arthaus kümmert sich emsig um Klassik auf DVD, und dieser Sampler bietet einen Enblick ins wachsende Repertoire – von „Carmen“ bis zum Kronos СКАЧАТЬ