Später Besuch. Thomas Hölscher
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Später Besuch - Thomas Hölscher страница 6

Название: Später Besuch

Автор: Thomas Hölscher

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750218970

isbn:

СКАЧАТЬ

      "Vielleicht war er nicht dumm, sondern hat einfach mit jemandem darüber reden wollen. Und zu dir hatte er Vertrauen."

      Börner lachte ironisch. "Das glaubst du doch selber nicht!"

      Bremminger hob fragend die Schultern. "Warum nicht? Aber es ist in der Tat gleichgültig. So etwas muss schließlich jeder selber wissen." Dann wollte er die Straße überqueren.

      "Wirklich?" fragte Börner schnell. Die Straßenbahn hatte an der Einmündung der Bickernstraße halten müssen; nun kam sie langsam näher.

      "Die beiden werden ihre Gründe für eine solche Entscheidung gehabt haben."

      "Oh ja, das glaube ich auch!", rief Börner ironisch. "Milewski ist Beamter auf Lebenszeit, und seine Schwiegereltern haben Geld wie Heu. Wahrscheinlich hatten sie wohl finanzielle Probleme."

      "Sei doch nicht so ironisch!" Bremmingers Stimme klang äußerst ärgerlich. "So etwas ist schließlich eine ganz individuelle Entscheidung."

      "So kann man es natürlich auch nennen." Die Straßenbahn war nur noch wenige Meter von ihnen entfernt.

      "Wie willst du es denn nennen?"

      "Mord."

      Für Sekunden war es, als halle dieses Wort nach. "Ach, du hast ja nicht alle Tassen im Schrank!" Bremminger war anscheinend außer sich. "Richard Börner, der große Moralapostel, deine Starrolle. Das ist dir doch schon mal zum Verhängnis geworden. Du solltest besser deinen dummen Mund halten!"

      Börner wusste sofort, dass er die plötzlich in ihm hochsteigende Wut keine Sekunde länger würde beherrschen können. "Einen Mord traust du Milewski wohl nicht zu?", rief er mit rotem Kopf. Dicht neben ihnen hatte mittlerweile die Straßenbahn gehalten, und der Fahrer öffnete die vordere Tür. Bremminger machte eine energische Handbewegung und wandte sich kopfschüttelnd von Börner ab.

      "Und doch hat er jemanden umgebracht."

      Wie angewurzelt blieb Bremminger stehen. Dann drehte er sich langsam um. "Was hast du da gerade gesagt?", fragte er mit tonloser Stimme.

      "Wat is denn nu?", rief der Fahrer aus dem Wageninneren. "Wollnse nu mit oder nich?" Als Bremminger nicht reagierte, schloss der Fahrer die Tür und fuhr kopfschüttelnd weiter.

      "Du hast gerade gesagt, Milewski habe jemanden umgebracht", sagte Bremminger leise und kam langsam auf Börner zu. "Ich frage dich jetzt nur einmal: Ist das wahr oder nicht? Und", fuhr er fort, bevor Börner etwas sagen konnte. "Wag nicht noch einmal zu sagen: Vergiss es! Dann passiert ein Unglück." Er fasste mit beiden Händen in Börners Jacke und zog ihn ganz nah zu sich. "Dein Zynismus geht mir langsam über die Hutschnur. Also: Ist es wahr oder nicht?"

      Börner war völlig überfahren. Er hatte plötzlich Angst, Bremminger könne sich tatsächlich vergessen, und er versuchte, den Augen und dem schlechten Atem direkt vor seinem Gesicht auszuweichen. Er spürte, dass Bremminger es ernst meinte. "Es ist wahr", sagte er langsam.

      Bremminger ließ ihn los und wandte sich ab. Er wirkte plötzlich müde und alt. "Und wann?"

      "1984."

      "Und das hatte damals mit deiner Kündigung bei uns zu tun?"

      Börner nickte nur. Bremminger atmete tief ein und sah ihn an. "Wir gehen jetzt zu dir. Und ich sage dir, Börner, du wirst mich nicht eher los, als bis ich die ganze Wahrheit aus dir herausgeholt habe." Dann wandte er sich ab und ging mit schnellen Schritten zurück.

      Börner folgte ihm. Er schien noch gar nicht verstanden zu haben, was da eben passiert war. Nur dass Bremminger ihn gerade zum erstenmal in seinem Leben mit dem Nachnamen angeredet hatte, das war ihm nicht entgangen.

      5

      Den ganzen Rückweg sprachen sie kein Wort miteinander. Bremminger lief voraus, und Börner folgte ihm wie ein geprügelter Hund.

      Erst als sie sich in Börners Wohnzimmer wieder gegenübersaßen, fragte Börner, ob Bremminger etwas trinken wolle; der nickte nur, und seinem Gesicht war zu entnehmen, dass ihm bereits diese minimale Kontaktaufnahme mit Börner ganz offensichtlich zuwider war. Nachdem er dann einen tiefen Schluck aus der Bierflasche genommen hatte, kam er aber ohne Umschweife zur Sache. „Du hast gerade behauptet, Milewski habe jemanden ungebracht?“

      „Er hat jemanden umgebracht.“

      „Wann?“

      „Im Sommer 1984.“

      „Und wo und weshalb soll das geschehen sein?“

      „Es war im Dienst.“ Für einen Augenblick schien Bremminger angestrengt nachzudenken. „Dann geht es also um den Fall Brenner?“, fragte er schließlich. „Das war im Sommer 1984, kurz vor deiner Kündigung."

      "Um den Mordfall Brenner", verbesserte Börner.

      Bremminger sah Börner gereizt an und schüttelte dann langsam den Kopf. "Ich habe immer gewusst, dass da irgendetwas nicht gestimmt hat an der ganzen Sache. Hundertmal habe ich die Akten durchgelesen, aber es war einfach nichts zu finden." Er lachte resigniert. "Erst als du dann plötzlich gekündigt hast, da hat es bei mir gedämmert. Und ich glaube, von dem Augenblick an wollte ich die Wahrheit auch nicht mehr hören." Er sah Börner direkt an. "Irgendjemand musste den Kollegen vom 7.K. damals die ganze Tour vermasselt haben; das war von Anfang an klar. Und plötzlich hatte ich so eine dumpfe Ahnung, dass du dieser Jemand warst."

      Börner wich Bremmingers Blick aus und sagte nichts.

      "Hast du damals für die Blamage der Kollegen gesorgt?", fragte Bremminger nun direkt, und obschon er leise sprach, war der drohende Klang in seiner Stimme nicht zu überhören.

      "Ich habe nur ..."

      "Ja oder nein?"

      "Ja", sagte Börner plötzlich mit großer Entschiedenheit. „Letztlich habe ich denen wohl die Tour vermasselt.“

      Bremminger sah Börner fassungslos an. Nach einer Weile schien er sich gefasst zu haben. "Damit das klar ist, Börner: Du solltest dir von jetzt an genau überlegen, was du sagst. Ich werde die ganze Sache nicht auf sich beruhen lassen. Das hat noch Konsequenzen."

      "Ich hoffe es."

      Bremminger nahm Börners Bemerkung gar nicht zur Notiz. "Und die ungeheuerliche Behauptung, die du gerade über Milewski vom Stapel gelassen hast, bezieht sich dann wohl auch auf diesen Fall?"

      Börner nickte nur.

      "Aber das kannst du doch nicht behaupten!", platzte Bremminger los. "Das ist doch unglaublich, Milewski einen Mord zu unterstellen."

      "Ich unterstelle Milewski gar nichts", sagte Börner ruhig. "Ich weiß, dass Milewski einen Menschen umgebracht hat. Vorsätzlich umgebracht."

      "Und woher willst du das denn wissen?"

      "Ich selber habe ihm gesagt, er soll es tun."

      Nach dieser Auskunft verstand Bremminger gar nichts mehr und bestand darauf, den ganzen Fall von Beginn an zu rekapitulieren.

      Es СКАЧАТЬ