Nostromo. Joseph Conrad
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Название: Nostromo

Автор: Joseph Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783750247864

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СКАЧАТЬ Der unwiderrufliche Wechsel, den ein Tod in den alltäglichen Ablauf unserer Gedanken bringt, macht sich in einer unbestimmten und doch brennenden Betrübnis fühlbar. Es schmerzte Charles Gould, daß er nie mehr, durch keine Willensanstrengung, imstande sein würde, an seinen armen Vater so zu denken, wie er zu dessen Lebzeiten an ihn gedacht hatte. Nicht länger gehorchte das beseelte Bild dem Ruf des Sohnes. Diese Erwägung, die sein eigenes Daseinsgefühl eng berührte, erfüllte ihn mit einem schmerzlichen und verbissenen Tatendrang. Hierin trog ihn sein Instinkt nicht. In der Tat liegt Trost. Sie ist dem Nachdenken feind und schönen Träumen günstig. Nur in der Vollbringung unserer Taten vermögen wir das Gefühl zu finden, daß wir das Schicksal meistern. Für Charles Gould bildete die Mine offensichtlich das einzige Betätigungsfeld. Es konnte mitunter ein Gebot sein, auf die rechte Weise den feierlichen Wünschen der Toten nicht zu gehorchen. Charles beschloß in seinem Ungehorsam (zur Buße) so gründlich wie nur möglich zu sein. Die Mine hatte in der törichtesten Weise einen seelischen Zusammenbruch verschuldet; nun sollte ihr Betrieb zum ernsthaften, sittlichen Erfolg werden. Das war er dem Andenken des toten Mannes schuldig. Dies also waren die – genau gesagt – Gemütsregungen von Charles Gould. Seine Gedanken waren schon bei der Möglichkeit, in San Franzisko oder sonstwo ein starkes Kapital aufzunehmen; und gelegentlich kam ihm auch die allgemeine Überlegung, daß der Rat der Hingeschiedenen ein schlechter Führer sein müsse. Keiner unter ihnen konnte vorher wissen, welche ungeheuren Veränderungen der Tod eines einzelnen Menschen im ganzen Weltbild hervorzurufen vermochte.

      Den letzten Abschnitt in der Geschichte der Mine kannte Frau Gould aus persönlicher Erfahrung. Es war im wesentlichen auch die Geschichte ihrer Ehe. Der Mantel der vererbten Machtstellung der Goulds in Sulaco hatte sich auf ihre schmächtigen Schultern gesenkt, doch litt sie es nicht, daß die Falten und Fältchen des fremdartigen Gewandes ihre eigene Lebhaftigkeit unterdrückten, die nicht aus bloßer Munterkeit, sondern aus scharfem Verstand herrührte. Dabei soll niemand glauben, daß Frau Gould etwa sehr männlich veranlagt gewesen wäre. Eine Frau von männlicher Veranlagung ist durchaus kein überlegenes Wesen; sie ist nur eine Spielart, in der sich die Unterschiede verwischt haben – merkwürdig durch ihre Unfruchtbarkeit und im übrigen ohne Bedeutung. Da Doňa Emilias Verstand durchaus weiblich war, so führte er sie dazu, Sulaco zu erobern, einfach indem er ihr den rechten Weg für ihre Selbstlosigkeit und Anteilnahme wies. Sie konnte entzückend eine Unterhaltung führen, war aber nicht gesprächig. Da die Herzensweisheit mit der Aufstellung oder Widerlegung von Theorien so wenig zu tun hat wie mit der Verteidigung von Vorurteilen, so kann sie auch auf viel Worte verzichten. Die Worte, die sie ausspricht, haben den Wert von Werken der Rechtlichkeit, Duldsamkeit und Nächstenliebe. Die wahre Zärtlichkeit einer Frau äußert sich wie die wahre Männlichkeit eines Mannes in einer Art von Eroberung. Die Damen von Sulaco beteten Frau Gould an. »Sie sehen in mir immer noch etwas wie ein Ungeheuer«, hatte Frau Gould spaßhaft zu einem der drei Herren aus San Franzisko gesagt, die sie etwa ein Jahr nach der Heirat in ihrem Hause in Sulaco aufzunehmen gehabt hatte.

      Es waren ihre ersten auswärtigen Besucher gewesen, und sie waren gekommen, um die San Tomé-Mine zu besichtigen. Frau Gould scherzte, wie es ihnen schien, sehr anziehend; und Charles Gould wußte nicht nur genau, was er wollte, sondern hatte sich außerdem auch als unermüdlicher Arbeiter erwiesen. Die Tatsache schuf bei den Herren die beste Stimmung gegenüber Charles Goulds Gattin. Eine unverkennbare Begeisterung, durch einen leise spöttischen Unterton gewürzt, ließ ihre Worte über die Mine den Besuchern geradezu bezaubernd erscheinen und brachte sie zu ernstem, nachsichtigem Lächeln, in dem ein gut Teil Verehrung lag. Hätten sie geahnt, wie sehr sie von einem idealistischen Zielbewußtsein erfüllt war, dann hätte sie vielleicht die Geistesverfassung der kleinen Dame mit der gleichen Bewunderung erfüllt wie ihre körperliche Unermüdlidikeit die spanisch-amerikanischen Damen. Sie wäre ihnen – nach ihren eigenen Worten – »als etwas wie ein Ungeheuer« erschienen. Doch die Goulds waren im wesentlichen zurückhaltende Menschen, und die Gäste nahmen Abschied, ohne ihnen im entferntesten andere Absichten zuzutrauen als die richtige Nutzung einer Silbermine. Frau Gould stellte ihren eigenen Wagen mit den zwei weißen Maultieren zur Verfügung, um die Gäste zum Hafen hinunterzufahren, von wo der Zerberus sie auf den Olymp der Plutokraten bringen sollte. Kapitän Mitchell hatte den Augenblick des Abschieds benützt, um Frau Gould vertraulich die Bemerkung zuzuflüstern: »Dies bezeichnet eine Epoche.«

      Frau Gould liebte den Innenhof ihres spanischen Hauses. Aus einer Mauernische über der breiten Steintreppe blickte still eine Madonna in blauen Gewändern, das gekrönte Kind auf dem Arm. Gedämpfte Stimmen drangen in den frühen Morgenstunden vom Brunnenrand inmitten des Vierecks herauf, zugleich mit dem Stampfen der Pferde und Maultiere, die paarweise an die Zisterne zur Tränke geführt wurden. Ein Dickicht schlanker Bambusstämme neigte die schmalen Messerklingen seiner Blätter über die rechteckige Wasserfläche, und der fette Kutscher kauerte träge auf der Brüstung, die Halfterenden lässig in der Hand. Bloßfüßige Diener gingen ab und zu; aus dunklen, niederen Türen im Erdgeschoß kamen zwei Wäschermädchen mit Körben voll gebleichtem Leinen; der Bäcker, der auf großem Brett das für den Tagesbedarf gebackene Brot trug; Leonarda, die Kammerzofe, sehr selbstbewußt, in der über dem rabenschwarzen Kopf erhobenen Hand ein Bündel gestärkter Unterröcke, die blendend weiß im Sonnenschein glänzten. Dann humpelte noch der alte Pförtner herein, wusch das Pflaster auf, und das Haus war für den Tag bereit. Alle die luftigen Räume auf drei Seiten des Vierecks waren untereinander und mit dem Corrédor verbunden, von dessen schmiedeeisernem, mit Blumen bestandenem Gitter aus Frau Gould, wie die Herrin eines mittelalterlichen Schlosses, von oben her alles Kommen und Gehen der Casa überblicken konnte, dem der Widerhall unter dem gewölbten Torweg ein stattliches Gepräge gab. Sie hatte zugesehen, wie ihr Wagen mit den drei Gästen aus dem Norden wegrollte. Sie lächelte. Drei Arme griffen gleichzeitig nach drei Hüten. Kapitän Mitchell, der sie als vierter begleitete, hatte bereits eine pomphafte Rede begonnen. Dann verweilte Frau Gould müßig, näherte ihr Gesicht den Blütenbüscheln hier und dort, als wollte sie ihren Gedanken Zeit lassen, sie bei ihrem langsamen Schreiten durch die schmale Mittelstrecke des Corrédors einzuholen.

      Eine befranste indianische Hängematte aus Aroa, mit bunter Federarbeit geschmückt, war mit Bedacht in einem Winkel aufgespannt, den die Morgensonne traf; denn die Morgen in Sulaco sind kühl. Die Blüten der »Flor de noche buena« flammten in großen Büscheln vor den offenen Glastüren der Empfangsräume. Ein großer grüner Papagei, smaragden schimmernd, in einem Käfig, der wie Gold glitzerte, schrie wild: »Viva Costaguana!«, flötete dann zweimal: »Leonarda, Leonarda!« in Frau Goulds eigener Stimme und rettete sich plötzlich in Reglosigkeit und Schweigen. Frau Gould ging bis zum Ende der Galerie und streckte den Kopf durch die Türe zum Zimmer ihres Gatten.

      Charles Gould, den einen Fuß auf einem niedrigen Holzschemel, schnallte sich die Sporen an. Er wollte schnell zur Mine zurück. Frau Gould blickte durch den Raum, ohne einzutreten. Ein hohes, breites Büchergestell mit Glastüren war voll von Büchern; in einem andern aber, das keine Türen hatte und mit rotem Tuch ausgeschlagen war, hingen allerlei Feuerwaffen, Winchester-Karabiner, Revolver, ein paar Jagdgewehre und sogar zwei Paar doppelläufige Halfterpistolen. Dazwischen, für sich allein auf scharlachrotem Samt, hing ein alter Kavalleriesäbel, einst das Eigentum des Don Enrique Gould, des Helden der Westlichen Provinz; ein Geschenk von Don José Avellanos, dem erblichen Freund der Familie.

      Im übrigen waren die weiß vergipsten Wände völlig schmucklos, bis auf eine Aquarellskizze des San-Tomé-Gebirges, eine Arbeit von Doña Emilias Hand. Mitten auf dem roten Ziegelfußboden standen zwei lange Tische, mit Plänen und Papieren beladen, einige Stühle und eine kleine Vitrine mit Erzproben aus der Mine. Frau Gould überflog der Reihe nach alle diese Dinge und ließ dabei die Frage laut werden, warum wohl die Reden dieser reichen, unternehmenden Leute über die Aussichten des Betriebs und die Sicherheit der Mine sie so ungeduldig und zappelig machten, während sie doch mit ihrem Gatten über die Mine stundenlang mit immer gleichbleibendem Interesse und Vergnügen sprechen konnte.

      Und mit einem ausdrucksvollen Senken der Augenlider fügte sie hinzu:

      »Wie fühlst du dich denn dabei, Charley?«

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