Nostromo. Joseph Conrad
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Название: Nostromo

Автор: Joseph Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783750247864

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СКАЧАТЬ die etwa zwei Monate nach Erscheinen in den Salon seiner Frau gelangten. Es verblüffte geradezu, ihn so geläufig spanisch sprechen zu hören (kastillanisch, wie die Eingeborenen sagen), oder die Indianer-Mundart der Bevölkerung. Seine Aussprache war nie englisch gewesen; aber in all diesen Goulds von Costaguana, seinen Vorfahren – Befreiern, Forschern, Kaffeepflanzern, Kaufleuten, Revolutionären –, steckte wohl etwas so Unzerstörbares, daß er, der einzige Vertreter der dritten Generation, in einem Erdteil, der seinen eigenen Reitstil hat, sogar noch zu Pferde völlig englisch aussah. Das soll nicht in der spöttischen Art der Llaneros von ihm gesagt sein – der Leute von den großen Ebenen, die meinen, daß niemand außer ihnen selbst zu Pferde zu sitzen verstehe. Charles Gould ritt, um den landläufigen Ausdruck zu gebrauchen, wie ein Zentaur. Das Reiten bedeutete ihm keine besondere Art von Leibesübung; es war eine natürliche Fähigkeit, wie das gewöhnliche Gehen für alle Leute mit gesunden Sinnen und Gliedern; trotzdem aber sah er, wenn er neben dem ausgefahrenen Ochsenweg nach der Mine galoppierte, in seinen englischen Kleidern und im englischen Sattel so aus, als wäre er in eben dem Augenblick in seinem leichten, schnellen »Pasotrote« kerzengerade aus einer grünen Wiese von der anderen Seite der Welt herübergekommen.

      Sein Weg führte an der altspanischen Straße entlang, dem volkstümlich so genannten Camino Real – als Tatsache und Namen das einzige Überbleibsel eines Königtums, das der alte Giorgio Viola haßte und von dem nicht einmal mehr ein Schatten im Lande geblieben war; denn die große Reiterstatue Karls IV. am Eingang der Alameda, die sich weiß von den Bäumen abhob, war dem Landvolk und den Stadtbettlern, die auf den Stufen rings um den Sockel schliefen, nur als das Steinerne Pferd bekannt. Der andere Carlos, der unter raschem Klappern von Hufen auf dem holprigen Pflaster nach links abbog – Don Charles Gould in seinen englischen Kleidern –, paßte gleich wenig in seine Umgebung, schien sich damit aber wesentlich vertrauter zu fühlen als der königliche Reiter, der auf dem Sockel über den schlafenden Leperos sein Pferd zügelte und den Marmorarm zu der Marmorkrempe seines Federhuts erhob.

      Das wettergepeitschte Standbild des reitenden Königs mit der Andeutung einer grüßenden Gebärde schien den politischen Veränderungen, die es sogar seines Namens beraubt hatten, mit unergründlichem Gleichmut die Stirne zu bieten; doch auch der andere Reiter, dem Volke wohlbekannt und sehr lebendig auf seinem schieferfarbenen Tier mit weißem Auge, auch er trug sein Herz durchaus nicht offen auf dem Umschlag seines englischen Rocks. Er bewahrte sein inneres Gleichgewicht, als fände er immer noch seinen Ruhepunkt in der leidenschaftslosen Beständigkeit des privaten und öffentlichen Herkommens in der europäischen Heimat. Er blieb gleich unbewegt vor der aufreizenden Art, in der die Damen von Sulaco ihre Gesichter mit Perlpuder bestäubten, bis sie wie Gipsmasken mit herrlich lebendigen Augen aussahen, wie vor dem Stadtklatsch und den ewigen politischen Umwälzungen, den unaufhörlichen »Rettungen des Landes«, die seiner Frau als ein dummes, blutiges Spiel voll Mord und Raub erschienen, mit furchtbarem Ernst von entarteten Kindern gespielt. In den ersten Tagen ihres Daseins in Costaguana pflegte die kleine Dame verzweifelt die Hände zu ringen, weil sie sich außerstande sah, die öffentlichen Angelegenheiten des Landes so ernst zu nehmen, wie die gelegentliche Grausamkeit der Begleitumstände es verlangte. Sie sah darin eine Komödie leeren Wahns, doch kaum etwas Echtes, außer ihrer eigenen sprachlosen Entrüstung. Charles, der in aller Ruhe seinen langen Schnurrbart drehte, pflegte jedes Gespräch über den Gegenstand abzulehnen. Nur einmal sagte er ihr, in aller Freundlichkeit:

      »Meine Liebe, du scheinst zu vergessen, daß ich hier geboren bin.«

      Diese wenigen Worte brachten sie zum Schweigen, als hätten sie eine plötzliche Offenbarung bedeutet. Vielleicht machte ja die bloße Tatsache, im Lande geboren zu sein, einen Unterschied. Sie hatte von jeher das größte Vertrauen zu ihrem Gatten. Er hatte zunächst durch seinen völligen Mangel an Sentimentalität ihre Einbildungskraft gereizt, durch eben die Gemütsruhe, die sie in Gedanken als ein Zeichen besonderer Lebenstüchtigkeit gedeutet hatte. Don José Avellanos, ihr Nachbar von jenseits der Straße, ein Staatsmann, Dichter, Mann von Bildung, der sein Land an verschiedenen europäischen Höfen vertreten (und als Staatsgefangener zur Zeit des Tyrannen Guzman Bento Unsagbares erduldet hatte), pflegte in Doña Emilias Salon zu erklären, daß Carlos alle englischen Charaktervorzüge mit einem wahrhaft patriotischen Herzen vereine.

      Frau Gould erhob die Augen zu ihres Gatten magerem, rotbraunem Gesicht und konnte bei diesen Worten über seinen Patriotismus, obwohl er sie gehört haben mußte, kein leisestes Zucken entdecken. Er war vielleicht eben nach der Rückkehr von der Mine vom Pferde gestiegen; er war englisch genug, um der heißesten Tageszeit nicht zu achten. Basilio, in weißleinener Livree mit roter Schärpe, war im Patio einen Augenblick hinter dem Herrn niedergekniet, um ihm die schweren Sporen abzuschnallen; und dann war wohl der Señior Administrator die Treppe hinauf in die Galerie gegangen. Reihen von Topfpflanzen, längs des Geländers zwischen den steinernen Bogenpfeilern aufgestellt, schlossen mit ihren Blättern und Blüten den Corrédor von dem darunterliegenden Viereck ab, dessen gepflasterte Fläche den wahren Herdstein eines südamerikanischen Hauses bildet, und auf der der Wechsel von Licht und Schatten den ruhigen Ablauf des häuslichen Lebens anzeigt.

      Señor Avellanos hatte die Gewohnheit, den Patio fast täglich um fünf Uhr nachmittags zu durchqueren. Don José wählte für seine Besuche die Teestunde, weil die englische Tageseinteilung in Doña Emilias Hause ihn an die Zeit erinnerte, wo er in London als bevollmächtigter Minister am Hofe von St. James gelebt hatte. Er liebte Tee nicht; und gewöhnlich schaukelte er in seinem amerikanischen Stuhl, die kleinen, glänzend beschuhten Füße auf der Fußrast gekreuzt, sprach unaufhörlich mit einer liebenswürdigen Geläufigkeit, die bei einem Mann seines Alters geradezu wunderbar wirkte, und hielt dabei lange Zeit die Tasse in der Hand. Sein kurzgeschorenes Haupt war schneeweiß; seine Augen kohlschwarz.

      Beim Anblick von Charles Gould, der den Salon betrat, pflegte er leicht zu nicken und seine rednerische Periode zu Ende zu führen, dann erst sagte er etwa:

      »Carlos, mein Freund, Sie sind von San Tomé in der vollen Tageshitze hereingeritten. Immer der wahre englische Tätigkeitsdrang. Nicht? Wie?«

      Dann trank er den Tee in einem Schluck hinunter. Diese Handlung wurde unweigerlich von einem leisen Schaudern und einem unfreiwillig gemurmelten »brrrr« begleitet, das von dem hastigen Ausruf »ausgezeichnet!« nicht ganz übertönt wurde.

      Dann reichte er die leere Tasse in die Hände seiner jungen Freundin zurück, die sich ihm lächelnd entgegenstreckten, und fuhr fort, sich über die patriotische Natur der San-Tomé-Mine zu verbreiten – einfach um des Vergnügens willen, sich selbst fließend sprechen zu hören, wie es schien, während sein zurückgelehnter Körper in einem Schaukelstuhl, wie sie aus den Vereinigten Staaten kommen, hin und her wippte. Hoch über seinem Kopf wölbte sich die weiße Decke des größten Wohnraums in der Casa Gould. Die Höhe des Raumes verkleinerte die schweren spanischen Stühle aus braunem Holz, mit Ledersitzen und geraden Rücklehnen, und die europäischen Sitzmöbel, die niedrig, über und über gepolstert herumstanden, wie fette kleine Ungeheuer, zum Bersten gemästet mit Stahlfedern und Roßhaar. Auf kleinen Tischen standen Nippsachen herum, über Marmorkonsolen waren Spiegel in die Wände eingelassen, Teppiche lagen unter den zwei Gruppen von Lehnstühlen, in deren jeder ein tiefes Sofa den Vorsitz führte; kleinere Läufer lagen da und dort auf dem roten Ziegelfußboden; drei Fenstertüren, die von der Decke bis zum Boden reichten, führten auf einen Balkon und waren von den senkrechten Falten der dunklen Vorhänge eingerahmt. Die Pracht vergangener Tage atmete noch zwischen den vier hohen Wänden, die zart primelfarben getönt waren; und Frau Gould, mit dem kleinen Kopf und den schimmernden Flechten, saß in einer Wolke von Musselin und Spitzen vor einem dünnbeinigen Mahagonitischchen und sah wie eine Fee aus, die aus Silbergerät Zaubertränke ausschenkt.

      Frau Gould kannte die Geschichte der San-Tomé-Mine. In früheren Tagen hauptsächlich durch Peitschenhiebe auf Sklavenrücken bearbeitet, war ihr Ertrag mit dem Vollgewicht an Menschenfleisch bezahlt worden. Ganze Indianerstämme waren bei dem Betrieb zugrunde gegangen; und dann wurde die Mine aufgegeben, denn sie hatte aufgehört, bei dieser primitiven Methode ertragreich zu sein, wie viele Leichname СКАЧАТЬ