Der Jüngling. Fjodor Dostojewski
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Jüngling - Fjodor Dostojewski страница 9

Название: Der Jüngling

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750208926

isbn:

СКАЧАТЬ ich vermied es, sie zu erwähnen, und er seinerseits vermied es, von Wersilow zu sprechen, so daß ich mir mit aller Bestimmtheit sagte, daß er mir keine Antwort geben würde, wenn ich es wagen sollte, ihm eine der heiklen Fragen, die mich so sehr interessierten, vorzulegen.

      Wenn aber jemand fragen sollte, worüber wir beide denn nun diesen ganzen Monat lang miteinander gesprochen hatten, so antworte ich: über alles mögliche, aber immer über einigermaßen sonderbare Themen. Sehr gut gefiel mir die außerordentliche Offenherzigkeit, die er im Verkehr mit mir an den Tag legte. Manchmal sah ich diesen Menschen höchst erstaunt an und fragte mich: ›Wo hat denn der früher seinen Posten gehabt? Der hätte doch ausgezeichnet in unser Gymnasium hineingepaßt, etwa in die vierte Klasse, - da wäre er ein prächtiger Kamerad gewesen!‹Auch über sein Gesicht wunderte ich mich oft: es wirkte äußerlich sehr ernst (übrigens beinahe schön) und kühl; das dichte graue Haar etwas lockig, der Blick der Augen offen, die ganze Gestalt hager, jedoch gut gewachsen; aber sein Gesicht hatte die unangenehme, beinah unschickliche Eigenheit, sich auf einmal aus einem sehr ernsten in ein übermäßig lustiges zu verwandeln, so daß, wer zum erstenmal mit ihm zu tun hatte, dies in keiner Weise erwartet hätte. Ich redete darüber mit Wersilow, der mir interessiert zuhörte; er schien nicht vermutet zu haben, daß ich imstande sei, solche Beobachtungen zu machen, und bemerkte so obenhin, das habe sich bei dem Fürsten erst nach seiner Krankheit herausgebildet und eigentlich erst in der allerletzten Zeit.

      Namentlich redeten wir über zwei abstrakte Themen: erstens über Gott und sein Dasein, das heißt, ob er existiert oder nicht, und zweitens über die Frauen. Der Fürst war sehr religiös und gefühlvoll. In seinem Arbeitszimmer hing ein großer Heiligenschrein mit einem Lämpchen davor. Aber mitunter bekam er eine plötzliche Anwandlung und begann dann auf einmal, am Dasein Gottes zu zweifeln und ganz wunderliche Dinge zu reden, wobei er mich offenbar zu einer Erwiderung herausforderte. Diese Idee ließ mich im allgemeinen ziemlich kalt; aber dennoch gerieten wir beide dabei immer in Eifer, und das ganz aufrichtig. Überhaupt erinnere ich mich an alle diese Gespräche auch jetzt noch mit Vergnügen. Am liebsten aber plauderte er über die Frauen, und da ich; infolge meiner Abneigung gegen Gespräche über dieses Thema, hierbei nicht sehr unterhaltsam war, so verstimmte ihn das manchmal sehr.

      Und gerade an diesem Morgen begann er, kaum daß ich eingetreten war, ein derartiges Gespräch. Ich traf ihn in heiterer Stimmung, während er tags zuvor, als ich ihn verließ, aus irgendeinem Grund sehr traurig gewesen war. Indessen mußte ich unbedingt noch an diesem Tag die Gehaltsfrage erledigen, ehe noch gewisse Personen ankamen. Nach meiner Berechnung müßten sie an diesem Tag bestimmt unser Gespräch durch ihre Ankunft unterbrechen (mein Herzklopfen hatte schon seinen guten Grund), und dann kam ich vielleicht nicht mehr dazu, von dem Geld anzufangen. Aber da ich es nicht fertigbrachte, die Geldfrage anzuregen, so ärgerte ich mich natürlich über meine Dummheit, und in meinem Verdruß über eine gar zu vergnügte Frage des Fürsten setzte ich ihm, wie ich mich heute noch deutlich erinnere, meine Ansichten über die Frauen in einem unhemmbaren Erguß und mit großer Heftigkeit auseinander. Die Folge davon war, daß er sich noch mehr amüsierte, und zwar auf meine Kosten.

      »... Ich kann die Frauen nicht leiden, weil sie grob und ungeschickt und unselbständig sind und weil sie unanständige Kleidung tragen!« schloß ich schroff meine lange Tirade.

      »Aber Täubchen, mach's gnädig!« rief er höchlichst amüsiert, was mich noch wütender machte.

      Ich bin nur bei Kleinigkeiten nachgiebig, wo es aber sich um Wichtiges handelt, gebe ich niemals nach. Bei Kleinigkeiten, bei Fragen, wie sie im gesellschaftlichen Verkehr vorkommen, lasse ich alles mögliche mit mir aufstellen und verwünsche immer diesen Zug meines Charakters. Aus ekelhafter Gutmütigkeit stimme ich manchmal sogar einem weltmännischen Gecken zu, einzig und allein, weil ich mich von seiner Höflichkeit habe bezaubern lassen, oder ich lasse mich mit einem Dummkopf in einen Disput ein, was das Unverzeihlichste ist. Das alles kommt von mangelhafter Erziehung und Gewöhnung her und davon, daß ich in der Abgeschiedenheit aufgewachsen bin. Ich ärgere mich über mein Benehmen und schwöre mir, daß sich das am nächsten Tag nicht wiederholen wird, aber am folgenden Tag mache ich es wieder ebenso. Das ist der Grund, weshalb mich die Leute manchmal für kaum sechzehnjährig halten. Aber statt mir eine Selbstdressur angedeihen zu lassen, ziehe ich auch jetzt vor, mich immer mehr in meinen Winkel zurückzuziehen, und zwar in der menschenfeindlichsten Manier: ›Na, wenn ich ungeschickt bin, schön! Dann leben Sie alle wohl!‹ Ich sage das hier in vollem Ernst und ein für allemal. Übrigens habe ich dabei durchaus nicht den Fürsten und das damalige Gespräch im Auge.

      »Ich rede ganz und gar nicht, um Sie zu amüsieren«, schrie ich ihn beinah an, »ich spreche nur meine Überzeugung aus.«

      »Aber wieso sind denn die Frauen grob und unanständig gekleidet? Das ist ja etwas ganz Neues!«

      »Allerdings sind sie grob. Gehen Sie ins Theater, gehen Sie auf die Promenade! Jeder Mann weiß, welches die rechte Seite ist, und wenn sich zwei begegnen, so kommen sie ohne Schwierigkeit aneinander vorbei: er geht rechts, und ich gehe rechts. Aber eine Frau, das heißt, eine Dame - von Damen rede ich -, geht gerade auf einen los, ohne einen auch nur zu beachten, als ob man unbedingt verpflichtet wäre, beiseite zu springen und ihr Platz zu machen. Ich bin bereit, ihr, als einem schwächeren Geschöpf, Platz zu machen, aber woher hat sie ein Recht darauf, wieso ist sie davon überzeugt, daß ich dazu verpflichtet sei? Das ist das Beleidigende! Ich habe bei solchen Begegnungen immer ausgespuckt. Und trotzdem erheben sie noch ein großes Geschrei, sie befänden sich in einer unwürdigen Stellung, und fordern Gleichberechtigung; was ist das für eine Gleichberechtigung, wenn die Frau mich mit Füßen tritt oder mir den Mund voll Sand stopft?«

      »Voll Sand!«

      »Ja, weil sie unanständig gekleidet sind; man muß ein sittlich verkommener Mensch sein, um das nicht zu bemerken. Beim Gericht werden die Türen zugeschlossen, wenn etwas Unanständiges verhandelt wird; warum erlaubt man denn so etwas auf den Straßen, wo doch mehr Menschen sind? Die Frauen stopfen sich hinten offenkundig etwas unter den Rock, um als belle femme zu erscheinen; offenkundig! Ich kann nicht umhin, das zu bemerken, und jeder Jüngling, jeder heranwachsende Knabe bemerkt es; das ist gemein. Mögen alte Lüstlinge sich an solchem Anblick weiden und diesen Frauen brünstig nachlaufen, aber es gibt eine reine Jugend, die behütet werden muß. Es bleibt einem nichts weiter übrig, als auszuspucken. Da geht so eine auf dem Boulevard und zieht eine anderthalb Ellen lange Schleppe hinter sich her und wirbelt damit den Staub auf; dahinter zu gehen, ist ein Ding der Unmöglichkeit: man muß sie entweder im Laufschritt überholen oder zur Seite springen, sonst stopft sie einem fünf Pfund Sand in Nase und Mund. Und noch dazu ist es Seide, was sie so drei Werst weit über die Trottoirsteine hinschleift, nur weil es Mode ist; ihr Mann aber bekommt als Senatsbeamter fünfhundert Rubel im Jahr: das führt dann zur Annahme von Bestechungsgeldern! Ich habe immer ausgespuckt, laut ausgespuckt und geschimpft.«

      Ich schreibe dieses Gespräch zwar mit einigem Humor in meiner damaligen charakteristischen Ausdrucksweise nieder, aber meine Anschauungen sind dieselben geblieben.

      »Und das ist immer gut abgelaufen?« erkundigte sich der Fürst neugierig.

      »Ich spucke aus und gehe weg. Natürlich bemerkt sie es, tut aber, als hätte sie nichts bemerkt, und stolziert, ohne den Kopf umzudrehen, majestätisch weiter. Ernstlich beschimpft habe ich nur ein einziges Mal zwei Damen, beide mit Schleppen, auf dem Boulevard, natürlich nicht mit häßlichen Ausdrücken, sondern ich bemerkte nur laut, eine Schleppe sei eine tätliche Beleidigung.«

      »So hast du dich ausgedrückt?«

      »Jawohl. Erstens wird dadurch die gesellschaftliche Ordnung gröblich verletzt, und zweitens macht es Staub; der Boulevard aber ist für alle da: ich gehe da, ein zweiter geht da, ein dritter, ein Fjodor, ein Iwan, ganz egal, wer es ist. Das war's, was ich sagte. Und überhaupt kann ich den Gang der Frauen, von hinten gesehen, nicht leiden; das habe ich ebenfalls gesagt, aber nur andeutungsweise.«

СКАЧАТЬ