Der Jüngling. Fjodor Dostojewski
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Читать онлайн книгу Der Jüngling - Fjodor Dostojewski страница 12

Название: Der Jüngling

Автор: Fjodor Dostojewski

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783750208926

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СКАЧАТЬ mitzuteilen, frappierte mich außerordentlich. »Also hat er es auch der Mutter nicht gesagt und vielleicht niemandem!« schoß es mir sogleich durch den Kopf. »Ist das ein Charakter!«

      »Ist denn Fürst Sokolskij in Petersburg?« fragte ich, da mir dieser zweite Gedanke unmittelbar danach kam.

      »Ja, seit gestern. Er ist direkt aus Berlin gekommen, eigens für diesen Tag!«

      Das war ebenfalls eine für mich äußerst wichtige Nachricht. »Auch er wird heute hierherkommen, dieser Mensch, der ihm die Ohrfeige gegeben hat!«

      »Nun, und wie steht's«, fuhr der Fürst mit plötzlich verändertem Gesichtsausdruck fort, »verkündet er immer noch wie früher das Reich Gottes, und... und ist er vielleicht immer noch hinter den Mädelchen her, hinter den halbflüggen Mädelchen? Hehe! Da verlautet auch jetzt wieder ein höchst amüsantes Geschichtchen... Hehe!«

      »Wer verkündet das Reich Gottes? Wer ist hinter den Mädchen her?«

      »Andrej Petrowitsch! Kannst du es glauben, er hat uns allen damals gehörig zugesetzt: was wir äßen, was wir für Gedanken hätten, fragte er uns. Wenigstens lief es beinah darauf hinaus. Er wollte uns in Angst setzen, uns läutern. ›Wenn du fromm bist‹, sagte er, ›warum wirst du dann nicht Mönch?‹ Es fehlte nicht viel, und er hätte das von uns gefordert. Mais quelle idée! Selbst wenn es richtig ist, ist es nicht doch zu streng? Besonders mich erschreckte er gern mit dem Jüngsten Gericht, mich ganz besonders.«

      »Ich habe nichts Derartiges bemerkt, und ich lebe doch schon einen Monat mit ihm zusammen«, erwiderte ich, gespannt zuhörend. Es verdroß mich sehr, daß er sich noch nicht ordentlich erholt hatte und so unzusammenhängend vor sich hin murmelte.

      »Er redet jetzt nur nicht davon, aber du kannst mir glauben, daß es sich so verhält. Er ist ein geistvoller Mensch und besitzt unstreitig ein tiefes Wissen; aber steckt darin auch richtiger Verstand? Das geschah mit ihm alles nach seinem dreijährigen Aufenthalt im Ausland. Ich muß gestehen, ich war ganz erschüttert... und alle waren ganz erschüttert... Cher enfant, j'aime le bon Dieu... Ich glaube an ihn, ich glaube an ihn, soviel ich nur kann, aber – ich war damals in größter Aufregung. Ich gebe zu, daß ich mich bei meiner Entgegnung leichtfertig benahm, aber das tat ich absichtlich, im Ärger, – und überdies war meine Entgegnung im Grunde ebenso ernsthaft, wie sie es seit Anbeginn der Welt gewesen ist: ›Wenn ein höchstes Wesen‹, sagte ich zu ihm, ›vorhanden ist und persönlich existiert, nicht in Gestalt eines über die ganze Schöpfung ausgegossenen Geistes, etwa in Gestalt einer Flüssigkeit (denn das wäre noch schwerer zu begreifen), wo wohnt dieses höchste Wesen denn dann?‹ Mein Freund, c'était bête, ohne Zweifel, aber darauf laufen doch alle Entgegnungen hinaus. Un domicile – das ist ein wichtiger Punkt. Er wurde furchtbar zornig. Er ist dort zum Katholizismus übergetreten.«

      »Dieses Gerede habe ich ebenfalls gehört. Es ist sicherlich dummes Zeug.«

      »Ich versichere dir bei allem, was heilig ist, daß es sich so verhält. Sieh ihn nur einmal genau an... Übrigens, du sagst, er habe sich verändert. Na, aber zu jener Zeit, wie hat er uns alle damals gepeinigt! Kannst du es glauben, er benahm sich so, als ob er ein Heiliger wäre und seine Gebeine demnächst Reliquien würden. Er verlangte von uns Rechenschaft über unsern Lebenswandel, ich schwöre es dir! Reliquien! En voilà une autre! Na, ein Mönch oder ein Einsiedler mag so sprechen, aber da geht ein Mensch in Frack und sonstigem Zubehör umher... und auf einmal sollen seine Gebeine Reliquien werden! Ein sonderbarer Wunsch für einen Angehörigen der besseren Kreise, und ich muß gestehen, ein sonderbarer Geschmack! Ich will ja nichts dagegen gesagt haben: gewiß, all das liegt auf dem Gebiet der Frömmigkeit, und da kann alles mögliche passieren... Außerdem ist das alles de l'inconnu; aber für einen Mann aus der guten Gesellschaft ist es geradezu ungehörig. Wenn mir so etwas passierte oder mir ein solcher Vorschlag gemacht würde, so würde ich dankend ablehnen, das schwöre ich dir. Nun sag bloß: heute diniere ich im Klub, und dann auf einmal will ich ein verklärter Heiliger sein! Ich mache mich ja lächerlich! All das habe ich ihm schon damals auseinandergesetzt ... Er trug Büßerketten unter den Kleidern!«

      Ich wurde ganz rot vor Zorn.

      »Haben Sie die Ketten selbst gesehen?«

      »Selbst habe ich sie nicht gesehen, aber ...«

      »Dann erkläre ich Ihnen, daß das alles Lüge ist, ein Geflecht abscheulicher Ränke, schändliche Verleumdung seitens seiner Feinde, das heißt seitens eines Feindes, seines unmenschlichen Hauptfeindes, denn eigentlich hat er nur einen Feind: das ist Ihre Tochter!«

      Nun war es der Fürst, der zornig aufbrauste.

      »Mon cher, ich bitte dich inständig, von nun an nie wieder in meiner Gegenwart den Namen meiner Tochter in Verbindung mit dieser häßlichen Geschichte zu erwähnen.«

      Ich erhob mich. Er war ganz außer sich; sein Kinn zitterte.

      »Cette histoire infame!.. Ich habe sie nicht geglaubt, ich wollte sie absolut nicht glauben, aber... man sagte mir: ›Sie können es glauben, Sie können es glauben‹, und ich...«

      In diesem Augenblick kam ein Diener herein und meldete Besuch; ich ließ mich wieder auf meinen Stuhl nieder.

      Es traten zwei Damen ein, beides junge Mädchen; die eine war die Stieftochter eines Vetters von der verstorbenen Frau des Fürsten oder so etwas Ähnliches, eine Pflegetochter von ihm, der er bereits eine Mitgift zugeteilt hatte und die (ich bemerke das für später) auch selbst Vermögen besaß; die andere war Anna Andrejewna Wersilowa, die Tochter Wersilows, die drei Jahre älter war als ich, bei Frau Fanariotowa wohnte und die ich bisher nur einmal in meinem Leben flüchtig auf der Straße gesehen hatte, obgleich ich mit ihrem Bruder schon in Moskau eine allerdings ebenfalls nur unbedeutende Affäre gehabt hatte (es ist sehr möglich, daß ich diese Affäre in der Folge erwähnen werde, wenn ich dafür Platz haben sollte, denn eigentlich ist sie es nicht wert). Diese Anna Andrejewna war von ihrer Kindheit an ein besonderer Liebling des Fürsten gewesen (die Bekanntschaft Wersilows mit dem Fürsten stammte aus weit zurückliegender Zeit). Ich war durch das soeben Geschehene dermaßen verwirrt, daß ich beim Eintritt der Damen nicht einmal aufstand, obgleich der Fürst sich zu ihrer Begrüßung erhoben hatte; dann aber dachte ich, es sei beschämend, so nachträglich aufzustehen, und blieb auf meinem Platz sitzen. Hauptsächlich war ich darüber bestürzt, daß der Fürst mich drei Minuten vorher so angeschrien hatte, und ich wußte immer noch nicht: sollte ich weggehen oder dableiben. Aber der alte Herr hatte nach seiner Gewohnheit schon alles vollständig vergessen und war beim Anblick der jungen Damen ganz munter und vergnügt geworden. Er hatte mir sogar mit schnell veränderter Miene und geheimnisvollem Blinzeln unmittelbar vor ihrem Eintritt noch eilig zugeflüstert:

      »Sieh dir mal Olimpiada an, sieh sie dir ganz genau an, recht genau... ich werde dir nachher den Grund sagen...«

      Ich sah sie recht genau an, konnte aber nichts Besonderes an ihr finden: sie war von nicht gerade großer Statur, hatte rundliche Formen und sehr rote Backen. Das Gesicht machte übrigens einen angenehmen Eindruck; es war eines von den Gesichtern, die den Materialisten gefallen. Vielleicht lag ein Ausdruck von Gutmütigkeit darin, wenn auch nicht von unbedingter. Durch besondere Intelligenz zeichnete sie sich nicht aus; ich meine aber dabei nur Intelligenz im höchsten Sinne, denn daß sie schlau war, konnte man ihr an den Augen ansehen. Sie konnte nicht über neunzehn Jahre alt sein. Kurz, nichts Bemerkenswertes. Bei uns auf dem Gymnasium hätte man gesagt: »Eine Schlummerrolle.« (Wenn ich alles so ausführlich beschreibe, so tue ich es einzig und allein, weil es für das Folgende vonnöten ist.)

      Übrigens zielt auch alles, was ich bisher mit scheinbar unnötiger Ausführlichkeit beschrieben habe, auf das Folgende hin und wird dort erforderlich sein. An seinem СКАЧАТЬ