Название: Die Entführung der MS Hansa Stavanger
Автор: Frederik Euskirchen
Издательство: Bookwire
Жанр: Изобразительное искусство, фотография
isbn: 9783844238655
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Nach Abdis Übersetzung unserer Proteste legt Oday seine Hand auf Tareks Waffe und ruft, schon etwas ruhiger: ”Okay, okay, okay! ….Go! Go!”
Er scheint verstanden zu haben, will aber trotzdem so schnell wie möglich weg.
Wir beeilen uns und kurze Zeit später sind wir unterwegs.
Als Ziel haben wir ein paar Koordinaten bekommen und ein paar Telefonnummern von anderen Schiffen, die an der Suche teilnehmen.
Kapitän und ich telefonieren mit dem einen Schiff, dann wieder mit dem anderen, bekommen neue Positionen von ihnen, welche diese wiederum von irgendeiner anderen Quelle bekommen. Es ist undurchsichtig, wir können uns kaum richtig koordinieren.
Während der Telefonate mit den anderen Schiffen höre ich an den Stimmen, dass die Lage dort auch nicht anders ist.
Immer wieder wild werdende Piraten, die ebenfalls die ganze Zeit irgendwohin telefonieren, wollen auf einmal wieder in eine ganz andere Richtung.
Weder wir haben ein richtiges Suchmuster noch die anderen und von einer gemeinsamen Koordination ist ganz zu schweigen.
Mit ihrer Hektik, ihrem Unwissen und ihren ganzen anderen irrationalen Eigenschaften funken die Piraten immer wieder dazwischen.
Wenn man mit somalischen Piraten unterwegs ist, dann ist die Situation sowieso schon unnormal, aber es muss immer wieder etwas dazu kommen, um das Ganze noch mal auf die Spitze zu treiben.
Als der Spannungsbogen dieser Aktion endgültig seinen Höhepunkt erreicht, liege ich wieder auf Koje, es ist außerhalb meiner Wachzeiten.
Wie mir Slava, der dritte Offizier, später erzählt, hat er während seiner Wache am Morgen etwas im Wasser treiben sehen.
Etwas Dunkles, ungefähr so groß wie ein Mensch, aber regungslos.
Er hat umgehend dem Kapitän Bescheid gesagt, der hat sofort reagiert und die Piraten ablenkt.
Ob es wirklich ein Mensch war, ein Pirat oder nur ein Delfin wissen sie nicht, aber sicher ist sicher.
Zunächst denke ich mir, dass es ja nicht so schlimm gewesen wäre, ihn zu sehen - der Pirat ist eben ertrunken, dafür können wir ja nichts.
Aber Slava erzählt mir was von einem amerikanischen Schiff und Marine, ich versteh es zu dem Zeitpunkt nicht ganz. Begreif aber, dass wir uns da mal besser raushalten und die Piraten mit ihrem toten Kollegen nicht noch auf andere Ideen bringen.
Erst nach der Freilassung habe ich erfahren, dass es sich um das Drama mit der Maersk Alabama handelte.
Als ich später die Berichte über die Komplexität der Situation erfahre, bin ich sehr froh, dass wir nicht gefunden haben, wonach wir suchten.
Letztendlich wird die Suche abgebrochen und wir kehren zu unserem Ankerplatz zurück.
Die ganze Zeit über werden wir von unserer Fregatte begleitet. Als wir Haradere ansteuern, beschleunigt sie auf einmal, sie kommt sehr schnell näher und ruft uns.
Man verlangt, dass wir aufstoppen, wenn die Piraten dies nicht erlauben, sollen wir notfalls einen Blackout verursachen. Selbstverständlich erlauben es die Piraten nicht, im Gegenteil, sie versetzen sich in höchste Alarmbereitschaft. Alles geht jetzt sehr schnell, in die MGs werden die Patronengurte eingelegt, die Kalaschnikows werden durchgeladen und die Panzerfaust wird vorbereitet. Ich sehe wie Hamut und Tarek ihre Koppeln mit den Magazinhalftern anziehen, ihre AK durchladen, sich angrinsen und High-Five abklatschen.
‘Verdammt’, denke ich mir, ‘die sind bereit zu kämpfen’.
Mein Mund wird trocken, das Adrenalin kommt mir hoch und ich überlege. Kommen wir schnell von der Brücke?
Wo sind unsere Leute? Wir sind überall auf dem Schiff verteilt, vermischt mit den Piraten. Das kann nicht gut gehen, so einfach geben die nicht auf.
Noch ist nichts verloren, ich habe die Chance, weiter mit der Fregatte zu sprechen, um die Situation zu erklären.
Aber der Kapitän übernimmt und schreit, dass sie auf keinen Fall näher kommen dürfen, er ist sehr energisch und schreit sogar Flüche.
Als ich wieder den Hörer von meinem mittlerweile schneeweißen Kapitän bekomme, stimmt man zu.
Die Fregatte bricht ihre Anfahrt ab und erhöht den Abstand.
Was war das denn jetzt für eine Aktion? Die Piraten gucken uns fragend an, während sie langsam wieder runterfahren.
Von Abdi wissen wir, dass die BOW ASIR, welche auch vor Haradere liegt, bald ihr Geld bekommt.
Wir denken uns etwas aus, wie in etwa, dass die Fregatte Angst hat, dass wir der Geldübergabe zu nahe kommen und dass die Piraten auf der BOW ASIR vielleicht uns angreifen usw.
Das akzeptieren sie.
2.7 Der Alltag und die Verhandlungen beginnen
Wir erreichen endlich Haradere und lassen unseren Anker knappe vier Meilen vor der Küste runter. Es ist sehr flach und ein äußerst sandiger Untergrund, wir müssen viele Kettenlängen lassen, um schließlich sicher am Anker zu liegen. Dennoch, Vlad, Slava und ich müssen weiterhin Wache gehen, zum einen für den Fall, dass der Anker nicht hält, zum anderen, weil die Piraten es verlangen. Sie wollen, dass wir das Radar beobachten und ihnen auf Nachfrage die Distanz der Fregatte ansagen.
Außerdem fragen sie bei jedem kleinen Fehlecho, was das sei. Ein kleines Boot? Neben Sorgen vor einer militärischen Aktion sprechen sie auch immer davon, dass sie sich vor anderen Piraten in acht nehmen müssen.
Als wir wieder vor Anker liegen, ist es tatsächlich so weit, die Bow Asir wird freigelassen. Ein Flugzeug kommt und schmeißt das Geld ab, zwei Boote fahren raus und sammeln es ein. Abdi meint, dass das Schiff keine drei Wochen hier gelegen habe und für 3,2 Millionen Dollar freigekommen wäre.
“Siehst Du, wie schnell das geht. Was ist mit Eurer Reederei?”, sagt er mit seinem Dauergrinsen.
Abdi redet in letzter Zeit überhaupt viel mit uns, er versteht es, sich zum einen ein gewisses Vertrauen zu den Geiseln aufzubauen, sie aber auch einzuschüchtern und damit zu instrumentalisieren.
Am Anfang fällt es mir noch schwer, den richtigen Weg zu finden, mich einerseits instrumentalisieren zu lassen, das aber ungemerkt für uns zu nutzen.
Ich weiß nicht, was hier für ein Spiel gespielt wird, wer lügt, wer sagt die Wahrheit. Selbstverständlich vertraue ich unserer Reederei viel mehr als den Piraten. Anderseits sieht es für uns immer so aus, als würde sich die Reederei hier nie zu dem vereinbarten Zeitpunkt, 10 Uhr Somaliazeit, melden und verhandeln wollen.
Der Kapitän, der vor einigen Tagen noch zuversichtlich war,
steckt nun langsam die Mannschaft mit seiner Haltung gegen die Reederei an. Für ihn sind es Verbrecher, die mit uns Versicherungsbetrug machen wollen usw.
Es ist zunächst schwer für mich, ein klares Bild der Situation zu СКАЧАТЬ