Der Geheimagent. Joseph Conrad
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Geheimagent - Joseph Conrad страница 13

Название: Der Geheimagent

Автор: Joseph Conrad

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783750246133

isbn:

СКАЧАТЬ Füßen, die aussahen, als wären sie durch den Boden eines schmucklosen Kalikosacks, mit Ringen an Hals und Handgelenken eng zugebunden, durchgesteckt, tastete sie auf dem Boden nach den Pantoffeln, während sie ihrem Mann ins Gesicht sah.

      »Ich weiß nicht, wie ich ihn bändigen soll,« erklärte Herr Verloc verdrießlich, »und es geht doch auch nicht, daß er unten bleibt, mit all den brennenden Lichtern.«

      Sie sagte nichts, glitt rasch durch das Zimmer, und die Tür schloß sich hinter ihrer weißen Gestalt.

      Herr Verloc setzte die Kassenlade auf seinen Nachttisch und begann mit dem Auskleiden, indem er seinen Überrock auf einen weit wegstehenden Stuhl warf. Jacke und Weste folgten. Er ging in Socken durch das Zimmer, und seine stämmige Gestalt mit den Händen, die unruhig an der Kehle herumzerrten, tauchte immer wieder in der langen, schmalen Spiegeltüre des Kleiderkastens auf. Endlich schleuderte er die Hosenträger von den Schultern, riß dann ungestüm die Rolladen hoch und legte die Stirn gegen die kalte Scheibe. Diese dünne Glasplatte trennte ihn nun von der ungeheuren Anhäufung von Ziegeln, Schiefer und Steinen, Dingen, die an sich nicht schätzenswert und dem Menschen abhold sind und sich da draußen in naßkaltem, schmutzigem Dunkel ausbreiteten.

      Herr Verloc empfand die Feindseligkeit der lauernden Außenwelt mit einer Stärke, die an körperliche Angst grenzte. Es gibt keine Beschäftigung, die einem Manne weniger Rückhalt bietet als die eines geheimen Polizeiagenten. Es ist, wie wenn das Pferd tot unter einem zusammenfällt, inmitten einer unbewohnten, wasserlosen Wüste. Der Vergleich drängte sich Herrn Verloc auf, weil er zu seiner Zeit mehr als ein Militärpferd geritten und nun das Gefühl eines bevorstehenden Sturzes hatte. Die Zukunft war so schwarz, wie die Fensterscheibe, gegen die er seine Stirn lehnte, und plötzlich tauchte das Gesicht des Herrn Vladimir, glattrasiert und witzig, in rosigem Schimmer auf, wie ein rotes Siegel auf dem schicksalhaften Dunkel. Diese leuchtende Erscheinung war so furchtbar körperlich, daß Herr Verloc vom Fenster wegsprang und den Rollladen rasselnd fallen ließ. Sprachlos bestürzt über die Wiederholung solcher Gesichte, merkte er noch, daß sein Weib wieder ins Zimmer trat und sich mit sozusagen geschäftlicher Ruhe wieder zu Bett legte, was in ihm das Gefühl wachrief, in der Welt hoffnungslos allein zu stehen. Frau Verloc äußerte ihre Überraschung darüber, ihn noch wach zu finden.

      »Ich fühle mich nicht recht wohl«, stammelte er und fuhr sich mit den Händen über die feuchten Brauen.

      »Schwindlig?«

      »Ja, gar nicht gut.«

      Frau Verloc ließ mit aller Sanftmut der erfahrenen Gattin eine vertrauliche Vermutung über den Grund laut werden und riet zu den üblichen Gegenmitteln; ihr Mann aber stand starr in der Mitte des Zimmers und schüttelte trübe den gesenkten Kopf.

      »Du wirst dich erkälten, wenn du da stehen bleibst,« sagte sie.

      Herr Verloc gab sich einen Ruck, zog sich vollends aus und ging zu Bett. Tief unten in der ruhigen Gasse näherten sich gemessene Schritte dem Hause und verklangen wieder, fest und ohne Eile, als ob der, der da vorbeiging, sich vorgenommen hätte, in einer endlosen Nacht die Ewigkeit von Gaslampe zu Gaslampe zu durchmessen; und das schläfrige Ticken der alten Uhr im Stiegenhause war im Schlafzimmer deutlich zu hören.

      Frau Verloc, die auf dem Rücken lag und nach der Decke sah, machte eine Bemerkung.

      »Sehr kleine Einnahme heute.«

      Herr Verloc, in der gleichen Lage, räusperte sich wie zu einer wichtigen Feststellung, fragte aber dann nur:

      »Hast du das Gas unten abgedreht?«

      »Ja, das tat ich,« gab Frau Verloc zurück. »Der arme Junge ist heute abend recht aufgeregt«, murmelte sie nach einer Pause, die drei Pendelschläge der alten Uhr lang gedauert hatte.

      Herr Verloc kümmerte sich durchaus nicht um Stevies Aufregung, doch fühlte er sich elend wach und fürchtete sich vor der Finsternis und Stille, die dem Auslöschen der Lampe folgen mußten. Diese Furcht veranlaßte ihn zu der Bemerkung, daß Stevie seine Aufforderung, zu Bett zu gehen, nicht beachtet habe. Frau Verloc ging in die Falle und begann langatmige Erklärungen darüber, daß das nicht »Ungezogenheit«, sondern einfach »Aufregung« gewesen sei. Sie versicherte, daß es in ganz London keinen jungen Mann dieses Alters gäbe, der williger und gelehriger wäre als Stephan, auch keinen, der so zärtlich und gefällig und sogar so nützlich war, solange ihm nicht die Leute seinen armen Kopf verdrehten. Frau Verloc wandte sich ihrem zurücksinkenden Gatten zu, erhob sich selbst auf dem Ellenbogen und beugte sich über ihn, in dem ängstlichen Eifer, ihn davon zu überzeugen, daß Stevie ein nützliches Mitglied der Familie sei. Die Wärme dieses schirmenden Mitgefühls, das schon in den Tagen ihrer Kindheit durch den Anblick der Leiden eines anderen Kindes krankhaft übersteigert worden war, brachte eine leise Röte in ihre bleichen Wangen und Glanz in ihre großen Augen unter den dunklen Lidern. Frau Verloc sah verjüngt aus; sie sah so jung aus, wie die Winnie früherer Tage, und sehr viel lebhafter, als die Winnie der Belgravia-Pension es sich gestattet hätte, den Junggesellenmietern zu erscheinen. Herrn Verlocs Ängste hatten ihn gehindert, in den Worten seiner Frau irgendwelchen Sinn zu suchen. Für ihn war es, als käme ihre Stimme von der anderen Seite einer sehr dicken Mauer herüber. Erst ihr Anblick brachte ihn zur Besinnung.

      Er schätzte diese Frau, und das Bewußtsein dieser Wertschätzung, durch irgend etwas wie Gefühlserregung aufgerührt, steigerte noch sein inneres Angstgefühl. Als ihre Stimme verstummte, machte er eine Bewegung der Verlegenheit und sagte:

      »Ich habe mich schon die letzten Tage her nicht recht wohl gefühlt.«

      Das war vielleicht als die Eröffnung einer richtigen Beichte gedacht; Frau Verloc aber legte ihr Haupt wieder auf das Kissen, starrte zur Decke und fuhr fort:

      »Der Junge hört zu viel von dem, was da unten gesprochen wird. Hätte ich gewußt, daß die anderen heute abend kommen wollten, so hätte ich ihn mit mir zugleich zu Bett gehen lassen. Er war ganz außer sich über irgendeinen aufgeschnappten Satz von gegessenem Menschenfleisch und getrunkenem Blut. Was hat es für einen Wert, so zu reden?«

      »Frage Karl Yundt,« knurrte er wütig.

      Frau Verloc erklärte Karl Yundt mit größter Entschiedenheit für »einen ekelhaften alten Mann«, machte dagegen kein Geheimnis aus ihrer Zuneigung für Michaelis; über den athletischen Ossipon, in dessen Gegenwart sie hinter äußerlicher Zurückhaltung stets ein inneres Unbehagen verbarg, sagte sie gar nichts und fuhr fort, von ihrem Bruder zu sprechen, der durch so lange Jahre der Gegenstand ihrer Sorgen und Ängste gewesen war.

      »Das, was hier gesprochen wird, taugt nicht für ihn. Er nimmt alles für bare Münze. Er versteht es ja nicht besser, und dann steigert er sich in seine Anfälle hinein.«

      Herr Verloc schwieg dazu.

      »Er stierte mich an, als kennte er mich nicht mehr, als ich hinunter kam. Sein Herz schlug wie ein Hammer. Er kann ja nichts dafür, daß er so erregbar ist. Ich weckte Mutter auf und bat sie, bei ihm sitzen zu bleiben, bis er eingeschlafen wäre. Es ist nicht sein Fehler. Wenn man ihn sich selbst überläßt, fällt er wirklich niemandem lästig.«

      Herr Verloc schwieg dazu.

      »Ich wünschte, er wäre nie zur Schule gegangen«, hob Frau Verloc unversehens wieder an. »Jetzt holt er sich immer die Zeitungen aus dem Fenster zum Lesen. Er wird ganz rot im Gesicht, während er sie durchstudiert. Wir verkaufen ja kein Dutzend davon in einem Monat. Sie nehmen im Ladenfenster nur Platz weg, und Herr Ossipon bringt jede Woche einen Stoß der Z.P.-Flugblätter, die zu einem halben Penny das Stück verkauft werden sollen. Ich wollte keinen halben Penny für den ganzen Pack geben. СКАЧАТЬ