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СКАЧАТЬ schien tatsächlich so zu sein, wie in all diesen Berichten, von denen er gelesen hatte und er hatte das Empfinden, sich körperlos und in Gedankenschnelle überall hin bewegen zu können, nur nicht zurück in seinen toten Körper. So, wie ein unsichtbares UFO. Und er dachte darüber nach, was er wohl jetzt wäre, vielleicht ein Lichtpunkt oder ein Nichts. Ein unsichtbares Nichts und doch in unheimlicher Weise von all seinen Erinnerungen, seinem Wissen, seinen Ängsten, Hoffnungen und Gefühlen beseelt. Da ergriff ihn eine mächtige Angst, dass irgendetwas mit seinem Sterben vielleicht schief gelaufen sein könne, dass er doch eigentlich weder Sehen, noch Fühlen dürfe, sondern in eine Art von Koma oder tiefem traumlosen Schlaf fallen müsse.

      Da er aber diese Angst fühlte, erfüllte ihn auf einmal so etwas, wie tiefer Friede und eine heimliche Art von Glückseligkeit darüber, dass er sein Leben erfolgreich gelebt hatte und nun in der Lage sein würde, sämtliche Zusammenhänge des Universums vollständig zu begreifen und zu erkennen, weil sie ihm in seiner jetzigen Sphäre vollständig offenbar werden würden.

      Sein Körper, wie er dort halb hingestreckt auf der Bank lag, umringt von den Neugierigen, die die herbei geeilten Sanitäter vergeblich zurückzudrängen suchten, erschien ihm auf einmal alt und krank und schwächlich. Und er war entsetzt über das Maß an Gebrechlichkeit, welches dieser Körper jetzt auf einmal offenbart hatte.

      Er sah den Sanitätern zu, wie sie darüber diskutierten, wie lange die Wiederbelebungsmaßnahmen an seinem toten Körper noch fortzusetzen waren. Der eine Sanitäter beharrte darauf, dass bis zum Eintreten der sicheren Todeszeichen wiederbelebt werden müsse, der andere Sanitäter verwies jedoch darauf, dass die Maßnahmen bei Eintreffen eines Arztes abgebrochen werden könnten.

      Er wollte sich zwischen beide Sanitäter auf den Boden des Gates knien und ihnen erklären, dass es ihm gut ginge, als sein Flug nach München aufgerufen wurde und er hätte jetzt gern von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, die er jetzt offenbar besaß, nämlich hinaus zu schweben, aufs Vorfeld des Flughafens, wo die Maschine, ein Bombardier Canadair Regional Jet, kurz CRJ900, auf die Passagiere wartete, um sich während des Steigfluges an das große Seitenleitwerk zu hängen.

      Aber irgendetwas rief ihn mit Macht zur Ordnung, als sei er en kleiner Junge, der gerade dabei war, seinen Schabernack zu treiben.

      Und ein diffuses und gleißend helles Licht erfüllte plötzlich alles. Ein Licht, dessen Quelle unbekannt war. Ein Licht, das er meinte, zu kennen und dem er sich nicht entziehen konnte. Ein Licht, das ihn förmlich rief und in dem er plötzlich wandelte, we in knietiefem Nebel.

      Da war plötzlich kein Flughafen mehr. Da waren kein Gate mehr und keine mit ihren Taschen und Geräten auf dem Boden knienden Sanitäter. Da war nur dieses diffuse und doch zugleich irgendwie gleißende helle Licht. Ein Licht, welches alles erfüllte, wie ein gleißender Nebel. Ein Licht, in dem er wandelte, wie als Junge in jenem kristallklaren und leise murmelnden Gebirgsbach, der die Helbe genannt wurde.

      Er war im Licht, das wußte er. Er war im Licht, an einem sonderbaren Platz, an den er offenbar jetzt gehörte. Und das Licht war warm, wie das Licht der Sonne an einem warmen Sommertag am Strand, nur dass es ihn nicht schwitzen machte.

      V

      Sie hoben seinen leblosen Körper auf eine Trage und schoben ihn in den vor dem Flughafengebäude wartenden Krankenwagen.

      In stabiler Seitenlage lag sein allmählich erkaltender Körper auf der Trage unter der dünnen, goldfarben schimmernden Rettungsdecke mit PET-Beschichtung.

      Der Einsatz des Schockgebers, des Defilibrators, hatte sich als wirkungslos erwiesen.

      Ebenso seine Intubation und die Beatmung mit dem Beatmungsbeutel.

      Die Gabe von Adrenalin als Standardmedikament, 1 mg alle drei bis fünf Minuten intravenös, zur Durchblutungsanregung von Herz und Gehirn, war erfolglos verlaufen.

      Auch die Verabreichung des Antiarrhytmikums Amiodaron, 300 mg, war zwecklos gewesen.

      Sein Körper widersetzte sich mit ungewohnter Beharrlichkeit sämtlichen Versuchen der Sanitäter und des Notarztes, ihn ins Leben zurück zu holen. Es schien, als sei seine irdische Zeit nunmehr endgültig und unwiderruflich abgelaufen und eine höhere Macht, gegen die kein Kraut gewachsen war, habe das vollständige und allumfassende Versagen sämtlicher Maßnahmen der ärztlichen Kunst beschlossen.

      „Soll wohl absolut nicht sein!“, knurrte der Notarzt im Sankra, der solche Fälle kannte. Entweder wollte der Geist des Sterbenden partout nicht mehr oder ein großes und ihm vollkommen rätselhaftes Fatum schien über dem Körper zu schweben, das alle ärztliche Bemühungen vollkommen entkräftete und wirkungslos werden ließ. Er konnte es mit seinen eigenen Worten nicht erklären oder beschreiben. Aber er konnte die beinahe körperliche Präsenz dieser Kraft fühlen. Es schien dies eine Kraft zu sein, gegen die alle ärztliche Kunst machtlos war. Eine ungeheuerliche Kraft. Eine urtümliche Kraft. Eine Kraft aus den Anfängen des Universums, als das All noch aus der Singularität bestand und Raum und Zeit gerade erst im Werden und Entstehen begriffen waren.

      Der Notarzt verinnerlichte sich, wie stets in solchen Situationen, den Grundsatz des Palliative Care, wonach der Akzeptanz der generellen Endlichkeit menschlichen Lebens aller höchste Priorität gebührt und eine künstliche Versorgung toter Körper abgelehnt wird.

      Ein künstliches Verzögern und weiteres Hinausschieben des Sterbens jenes männlichen Körpers, der dort vor ihm lag, war damit ebenso vollständig abzulehnen, wie jedwede Form einer aktiven Sterbehilfe.

      Das Leben dieses Mannes dort auf der Trage war unwiderruflich beendet.

      Er stellte jede Form der weiteren Herz-Lungen-Reanimation und der Wiederbelebungsversuche ein. Er verzichtete auf das Absetzen eines Notrufes. Er entfernte den Tubus aus der Luftröhre des toten Mannes und beendete damit die künstliche Beatmung.

      Die Herzdruckmassage und die Defillibration des Patienten setzte er ebenfalls aus.

      Er verabreichte keinerlei Medikamente mehr und entsorgte den venösen Zugang, der dem Patienten im Zuge der vergeblichen Wiederbelebungsmaßnahmen gelegt worden war.

      Während der Sankra noch auf dem großen Parkplatz des Flughafens hielt, ließ der Notarzt das Blaulicht abstellen und begann damit, den Totenschein, der aus auf zwei Briefumschläge verteilten vier Blättern bestand, auszufüllen.

      Er entkleidete den toten Körper vollständig, wie es vorgeschrieben war, um eine erste sogenannte äußerliche Leichenschau durchzuführen. Da der Tote erst unlängst verstorben und demzufolge noch kein vollständiger Rigor mortis der Armgelenke und der Ellenbogen eingetreten war, fiel das Entkleiden des Leichnams nicht schwer und das sogenannte Brechen der Totenstarre, das Beweglichmachen der Arm- und Beinmuskulatur, konnte somit entfallen.

      Er bezog, auch dies war in den Verordnungen des Bundeslandes verbindlich vorgeschrieben, alle Körperregionen des Toten in die gründliche Untersuchung und Betrachtung ein, bei welcher er zunächst auf das Vorhandensein der sicheren Todeszeichen, auf Totenflecken und Totenstarre, auf Fäulnis und auf das mögliche Vorliegen von Verletzungen zu achten hatte, welche mit dem Leben eines Menschen nicht zu vereinbaren waren.

      Nun versuchte der Notarzt, eine Eingrenzung der möglichen Todesursachen vorzunehmen, was ihm durch die Tatsache beträchtlich erschwert wurde, dass er keine Vorkenntnisse über den Gesundheitszustand des Toten zu dessen Lebzeiten besaß.

      Da ihm die exakte Lufttemperatur jenes Warteraums am Gate 1 bekannt gegeben worden war, in welchem der Tote ums Leben СКАЧАТЬ