Название: Dr. Karl Semper und seine Studien auf den Palau-Inseln im Sillen Ozean
Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783748589358
isbn:
Am dritten Morgen landeten die Boote bei Auru, und nun geschah das, was Kapitän Browne bereits am ersten Tage hätte tun sollen; es wurde Davis als Unterhändler nach dem Dorfe Aibukit abgeschickt, mit der Bitte, dem Kapitän zu erlauben, hinaufzukommen. Die Eingeborenen, deren Misstrauen an der Aufrichtigkeit dieses Mannes wohl zu verzeihen war, verbaten sich seinen Besuch, fürchtend es möge auch ihr Hauptdorf eingeäschert werden. Von allen Aibukit befreundeten Dörfern waren eine Menge gut gerüsteter junger Männer gekommen; sie hatten unter der Leitung des schon genannten Mariano ihre wenigen Geschütze an den wichtigsten Punkten aufgestellt, Steinwälle rasch aufgeworfen, ihre Weiber und Kinder in die Berge geschickt und sich zum kräftigsten Widerstand gerüstet; und es scheint keinen Zweifel zu leiden, dass ein abermaliger Angriff den Engländern ein unglückliches Schicksal bereitet hätte. Er wurde zum Glück nicht unternommen. Davis kehrte ohne jene Erlaubnis zurück, aber mit ihm war ein Rupack gekommen, der dem Kapitän Browne zum Zeichen des Friedebittens nach Landessitte ein großes Stück einheimischen Geldes gab. Hierauf kehrten die Engländer nach Aracalong zurück, wo, wie es scheint, Cheyne verschwunden war.
Am vierten Tage ging Kapitän Browne von Davis und zwei andern Männern begleitet in das Dorf, wo er von einem der Rupacks begrüßt wurde. Nach Besichtigung des Dorfs und Austausch freundschaftlicher Versicherungen zwischen ihm und dem Könige (Mad), der ihm eine Anzahl Schweine schenkte, kehrten sie um nach Auru. Hier hatten unterdessen die Leute aus Aracalang oder Coröre das Haus des Kapitäns Woodin angezündet, in welchem sich etwa 250 Pikul Trepang und nicht unbeträchtliches anderes Eigentum befand. Dies war der Dank, den Woodin dafür erhielt, dass er sich seines Steuermanns für mehrere Monate beraubte, in der Absicht, sein Möglichstes zu dem glücklichen Resultate einer humanen Mission beizutragen! Statt aller Entschuldigung oder Erklärung erhielt er bei seiner Ankunft hier von jenem Kapitän Browne nur den „Befehl“, sich des Mariano zu bemächtigen und ihn den Behörden in China oder Manila zu überliefern, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen wegen Feuerns auf die englische Flagge.
Bei unserer Ankunft hier im März 1862 fanden wir fast alles noch wie am Tage nach dem Gefecht. Überall Spuren des Feuers, die Häuser zerstört, die wenigen Boote, teilweise zerbrochen, lagen auf der Erde, durch die Schüsse zersplitterte Bäume – überall das Bild der Verwüstung. Es hatte dies Unglück gänzlich den Mut der Bewohner gebrochen, und erst jetzt (Juli), fast zehn Monate später, beginnen sie wieder ihr Haupt zu erheben. Wunderbar bleibt mir nur, dass auf keiner Seite eine Verwundung stattgefunden zu haben scheint, obgleich der Rock des Kapitäns von einem Schuss durchlöchert, seinem Boote durch eine Geschützkugel ein Stück des Bordes abgerissen worden sein soll. Von feiten der Engländer wurden gefüllte, wahrscheinlich 18pfündige Granaten und eine Menge 2½- oder 3zölliger Raketen abgefeuert, von denen eine durch das Haus von Krei dicht an seinem Kopfe vorbeifuhr und auf der andern Seite seinen verderblichen Inhalt entleerte. Von diesen Raketen sollen mehr als 50 Stück aufgefunden worden sein, und ebenso eine Menge nur teilweise krepierter Granaten.
Manchem Europäer, an die Gräuel europäischer Kriege gewöhnt, mag ein zweitägiges Gefecht, in welchem kein Leben verloren wurde, nicht hinreichender Grund zu solcher Anklage scheinen, wie ich sie hier erhebe. Diesen gegenüber halte ich es für unnötig, mehr zu sagen; aber für jeden humanen, edel denkenden Menschen wird das Lesen jener Tatsachen hinreichen, ihn über die begangene Rohheit als Europäer erröten zu lassen. Wenig, ja nichts lässt sich zur Entschuldigung sagen, denn wenn auch, wie zu vermuten ist, die üblichen drei Schüsse behufs Aufziehens der Nationalflagge gefeuert wurden, wenn auch der Kapitän Browne durch die Versicherungen jenes Cheyne, vielleicht sogar durch falsche Eide der seit langen Jahren hier residierenden Engländer Davis und Simpson getäuscht und zum Angriff veranlasst wurde – so gereicht dies wohl zur Erklärung nicht aber zur Entschuldigung. Es war nicht seine Aufgabe, für die Sache eines Mannes, dessen Aussagen nur durch zwei verwilderte Engländer unterstützt wurden, in den Kampf zu gehen, und die Nichtbeachtung jener drei Schüsse, wenn diese überhaupt gefeuert wurden, kann den Angriff nicht rechtfertigen, da man bedenken musste, dass man es mit Eingeborenen zu tun hatte, welche europäische Gebräuche nicht kennen. Ja wäre selbst der erste Schuss von Seiten der Eingeborenen gefallen, so ist hierfür überreicher Grund zur Entschuldigung vorhanden, denn jener Cheyne hatte seit langem dem Dorfe Aibukit, dessen Bewohner nicht für ihn fischen wollten, mit Krieg und dem Herbeirufen eines Kriegsschiffs gedroht; und als sein Boot mit den drei andern ankam als wahrscheinlich nach Aibukit, mit oder ohne Absicht, die Nachricht gebracht worden warm dass nun Cheyne wirklich komme, sie zu bekriegen, da, deucht mir, war (nach den Gebräuchen des Landes) genug Anlass zur Eröffnung des Feuers von feiten der Bewohner von Aibukit gegeben.
Man nennt den Ozean, der diese Inseln badet, das Stille Meer. Aber wie seine mächtigen Wogen, oft kräftig genug, die größten Schiffe über die Riffe feiner Atolle in die Lagune hinüberzuheben, sich bald zum Spiegel ebnen, jede Spur des gewesenen Aufruhrs tilgend – so hört die Geschichte nicht den Sturm unter seinen Bewohnern, die Grausamkeiten nicht, die sie unter sich verübten, die gegen sie von den Europäern von jeher begangen wurden. Nicht erscheinen wir Weißen dabei im günstigeren Lichte. Wo immer ein Zusammenstoß zwischen Farbigen und Weißen stattfand, da war ein Irrtum von unserer Seite der geringste Fehler, öfter war es Rohheit der Seefahrer, vielleicht am häufigsten gemeine Gewinnsucht, welche ihn hervorrief. Ich kenne dunkle Blätter aus der Lebensgeschichte eines noch lebenden Mannes, welcher in der Hoffnung, eine reiche Ladung als Lohn für solche Gunst zu erhalten, in seinem Schiffe eine Menge bewaffneter Leute nach einer andern Insel brachte, wo sie verräterisch eingeführt, ein furchtbares Blutbad unter den Bewohnern anrichteten, Weiber und Kinder nicht schonend. Seine ganze Bezahlung bestand in einem Schweine. Solche Geschichten scheuen die Öffentlichkeit; aber wo sie zufällig in den Besitz redlicher Menschen gelangen, da ist es ihre Pflicht zu sprechen, so laut zu sprechen, als ihre Stimme es ihnen erlaubt. Möge die meinige nicht ungehört verhallen.
Aibukit den 28. Juli 1862.“
* * *
Mit dem Sammeln der in obiger Erzählung niedergelegten Notizen – die ich jedoch auch später beständig zu ergänzen versuchte – vertrieb ich mir die erste Zeit, die mir sonst wohl herzlich langweilig geworden wäre. Denn wenn ich auch den Verkehr mit Wilden, deren Sprache ich nicht verstand, schon aus der Erfahrung kannte, so lernte ich doch hier zum ersten Mal in Johnson einen Dolmetscher kennen, der mir wenig nützte, von dem ich aber doch abhängig blieb. Selten nur ließ er sich sehen, sodass ich mich meistens von Cordo begleiten ließ. Während er in Manila und an Bord noch einigermaßen als Europäer gelten konnte, hatte er hier in Aibukit gleich wieder das eingeborene Wesen angenommen, er schwatzte unendlich viel, tat wenig und zeigte eine wahrhaft erstaunenswerte Geduld in allen Dingen. Er war von meinen Planen unterrichtet, und wusste dass ich, um arbeiten zu können, notwendig mein eigenes Haus, gebaut nach meiner Anordnung und in der Nähe des Meeres, haben musste. Dennoch aber zögerte er von Tag zu Tage, die Leute zu engagieren, die mir dasselbe bauen und mir einheimische Diener zu verschaffen, die mich auf meinen Fahrten auf die Riffe und bei den Exkursionen im Lande begleiten sollten. Erst ein Zufall musste mir wirklich dazu verhelfen.
Nach Landessitte hatte ich, als ich das Schiff verließ, mein Quartier in jenem großen Hause (bai) aufgeschlagen, welches meinem mich unter seinen speziellen Schutz nehmenden Freunde Krei und seinen fürstlichen Genossen gehörte. Hier wurde ich, solange ich im Dorfe blieb, von ihm und seinem Clöbbergöll in liebenswürdigster Weise bewirtet, freilich war es da nicht sehr unterhaltend; die Rupacks schliefen fast immer und brachten den größten Teil des Tags mit Nichtstun zu, und ihr Haus durfte nach Landessitte nur von ihnen selbst, aber von keinem den СКАЧАТЬ