Die Einführung des Fernsehens im Senegal. Johannes Hahn
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Название: Die Einführung des Fernsehens im Senegal

Автор: Johannes Hahn

Издательство: Bookwire

Жанр: Социология

Серия:

isbn: 9783738082630

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СКАЧАТЬ und deutscher Anthropologen, die die Ausbreitung einzelner Kulturelemente in verschiedenen Gesellschaften untersuchten, als “Diffusionisten” bekannt. Sie gingen davon aus, dass die menschliche Kultur an einem Ort ihren Ausgangspunkt gehabt und sich dann über die ganze Erde verbreitet habe. Allerdings hielten die Belege für diese These einer genaueren Überprüfung nicht stand, und so waren die Diffusionisten schon am Anfang des 20. Jahrhunderts wieder in Vergessenheit geraten. Erst 1953 griff H.G. Barnett in seinem Buch “Innovation - the Basis of Cultural Change”13 den Gedanken wieder auf, dass sozialer Wandel durch die Verbreitung von Innovationen ausgelöst werde.

      Diffusionsstudien waren zuvor in den USA hauptsächlich angewandt worden, um beispielsweise die Verbreitung neuen Saatgutes unter amerikanischen Farmern14 oder die Verbreitung neuer Medikamente in der amerikanischen Ärzteschaft15 zu untersuchen.

      Die Diffusion von Nachrichten wurde später an unvorhergesehenen Ereignissen, die bekannte Persönlichkeiten betrafen, untersucht, so beispielsweise bei den Attentaten auf Johannes Paul II, Ronald Reagan und Olof Palme16. Zwar gibt es nur wenige dieser Nachrichtendiffusionsstudien, aber auch andere Formen der Diffusionsforschung beschäftigen sich zwangsläufig immer mit kommunikativen Prozessen und belegen, dass Kommunikation bei der Verbreitung von Neuerungen und im Prozess gesellschaftlichen Wandels eine wesentliche Rolle spielt. Diese Erkenntnis überrascht kaum, aber es ist diesem Forschungszweig das Verdienst zuzusprechen, auf die unterschiedliche Bedeutung von medialer und interpersonaler Kommunikation aufmerksam gemacht zu haben. Die Entscheidung für oder gegen eine durch mediale Kanäle verbreitete Innovation verläuft laut Rogers in den Phasen “Kenntnisnahme”, “Persuasion”, “Entscheidung”, “Anwendung” und “Bestätigung”. Für die Kenntnisnahme seien die Massenmedien von besonderer Bedeutung, für die Phasen der Persuasion und der Entscheidung hingegen die interpersonale Kommunikation17. Nicht nur der Medieninhalt, sondern auch die “Empfangssituation” und die Umgebung des Empfängers seien also wichtig.

      Dies ist, so generell formuliert, sicherlich richtig, aber gemäß der “linearen Perspektive” der Diffusionsforscher wurde daraus gefolgert, dass eben auch die “Empfangssituation” geregelt werden müsse (gemeinschaftlicher Empfang mit anschließender Diskussion unter Leitung eines Animateurs beispielsweise), um sozialen Wandel mittels Massenkommunikation erfolgreich, steuerbar und vorhersehbar zu machen.

      Zwar waren einige kleinere Medienprojekte in Entwicklungsländern, die auf Grundlage dieser Theorie konzipiert wurden, durchaus erfolgreich und schienen das Konzept zu bestätigen. Aber es ist zu beachten, dass es sich beim Modell der Verbreitung von Innovationen, im Gegensatz zur Modernisierungs- und Dependenztheorie, um eine Mikrotheorie handelt, die sich in kleinen Untersuchungsobjekten bestätigt findet, aber in größerem Rahmen scheitert und dort auch als “Rezept” nicht mehr anwendbar ist (es dürfte kaum möglich sein, jedem Fernsehzuschauer einen Animateur an die Seite zu stellen). Weitere Kritik an der Diffusionsforschung richtet sich dagegen, dass Innovation nur als materielle Neuerung verstanden wird, die ebenso ungefragt erstrebenswert ist wie bei der Modernisierungsforschung. Überdies würden Normen und Werte der betreffenden Gesellschaft und auch ihre ökonomische Lage zu wenig beachtet.

      So mancher afrikanische Bauer würde womöglich gerne den im Fernsehen gezeigten Traktor kaufen - aber wenn das Geld dazu fehlt, hilft die medial verursachte Landmaschinenbegeisterung auch nicht weiter.

      2.2 Relationale Ansätze

      Das offensichtliche Scheitern eines Großteils der Entwicklungsbemühungen führte in den 70er Jahren dazu, dass der bisher geläufige Entwicklungsbegriff auch von der Wissenschaft grundsätzlich in Frage gestellt wurde. Anders als in den linearen Theorien und den daraus hervorgegangenen Entwicklungsstrategien sollte nicht mehr nur Wirtschaftswachstum, sondern eine Verbesserung der Lebensqualität für die gesamte Bevölkerung das Ziel sein. Angepasste Technologie anstatt Import von kapitalintensiver Großtechnologie, eine Dezentralisierung der Entwicklungsplanung, kurz: der “Kontext” des jeweiligen Landes sollte mehr Beachtung finden. Im Zuge dieses “Kontextualismus” verabschiedete man sich von den Kausalketten der linearen Theorien. Nicht mehr Dependenzen, sondern Interdependenzen wurden erkannt und man betrachtete Gesellschaften nicht mehr als mechanische, sondern als “lebendige” Interaktionssysteme. Die verschiedenen Richtungen dieses Systemdenkens lassen sich zum Teil nur schwer gegeneinander abgrenzen, sie unterscheiden sich hauptsächlich dadurch, dass sie verschiedene “Ebenen” des gesellschaftlichen Systems untersuchen. Hier sollen die folgenden theoretischen Ansätze kurz dargestellt werden: “Kommunikationsnetzwerke”, “Partizipations-Kommunikation” und “Komplexe Innovationssysteme”. Nicht nur die Grenzen zwischen den hier unterschiedenen Modellen sind oft fließend - auch ein gewisses Erbe der Dependenz- oder Modernisierungstheorie ist zum Teil noch zu erkennen.

      2.2.1 Kommunikationsnetzwerke

      Die Diffusionsforschung hat darauf hingewiesen, dass mediale Kommunikation nicht “alleine” wirkt, sondern im Zusammenspiel mit interpersonaler Kommunikation. Untersuchungen über Nachrichten- und Innovationsverbreitung führten zu einer “Two-Step-Flow”-Hypothese18, die später zu einer “Multi-Step-Flow”-Hypothese erweitert wurde. Zwar wurden unterschiedliche Kommunikationssysteme ausgemacht, aber die lokalen Netzwerke und deren sozialer und kultureller Kontext wurden nicht eingehender untersucht. In dieser Missachtung lokaler Kultur und kommunikativer Muster sieht der nigerianische Kommunikationswissenschaftler Ugboajah den Grund für das Scheitern vieler Entwicklungsprojekte19. Auch sein Kollege Syad kommt zu einem ähnlichen Schluss: “La connaissance des structures, moyens et supports de la communication traditionelle en Afrique est nécessaire pour élaborer des stratégies de transition vers la communication moderne”20.

      Die Idee verschiedener kommunikativer Systeme wurde von den Netzwerkforschern aufgegriffen und die einzelnen Netzwerke und deren Umgebung näher untersucht.

      Das koreanische Entwicklungs-Musterdorf Oryu-Li wurde 1973 von einem Forscherteam mit der Methode der “Netzwerkanalyse” untersucht, um die Gründe für den Erfolg der Entwicklungsbemühungen benennen zu können. Es wurden die kommunikativen Austauschbeziehungen verschiedener gesellschaftlicher Gruppen beschrieben, in deren Mittelpunkt eine Selbsthilfeorganisation von Frauen auszumachen war, die offensichtlich der “Motor” der Entwicklung war. Die Interaktionsmuster erwiesen sich als äußerst komplex und wohl nur die insgesamt überschaubare Größe des Dorfes ermöglichte die Bestimmung einzelner Kommunikationssysteme, Subsysteme usw. Die Wissenschaftler Rogers und Kincaid resümierten:

      “Development in the Korean village of Oryu Li illustrated many

      important principles of social change. It underscored the importance of communication, especially interpersonal communication, in the process of change. However we are struck by how poorly the existing models of communication apply to the case of Oryu Li”21.

      Aufgrund ihrer Forschungsergebnisse entwickelten sie ein neues Kommunikationsmodell, dass sie wie folgt beschreiben:

      “The convergence model represents human communication as a

      dynamic, cyclical process over time, characterized by mutual causation

      rather than one-way mechanistic causation, and emphasizing the

      interdependent relationships of the participants, rather than a bias

      toward either `source´ or the `receiver´ of `messages´.”22

      Dieses “Konvergenz-Modell” mag zwar die Kommunikationsstrukturen eines kleinen Dorfes recht umfassend erklären, aber bereits bei größeren Mikrosystemen СКАЧАТЬ