Название: Weihnacht!
Автор: Karl May
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783746747477
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Wir tranken aus und gaben ihm die Gläser zurück. Er schien das große Glück, unsere Bekanntschaft machen zu dürfen, immer noch nicht ganz begreifen zu wollen; dann aber warf er die leeren Gläser plötzlich in die Ecke auf das Kanapee, nahm uns bei den Händen, zog uns zum Tische hin und rief:
»Ach was, Buttermilch! Wein her, Wein! Wir haben da nicht nur einen sondern gleich zwei Dichter! Fama crescit fundo! So eine Überraschung, so eine Freude! Hol Wein, Anna, Wein! Ich weiß, was man so geistreichen Herren vorzusetzen hat! Setzen Sie sich nieder, immer nur nieder, denn wissen Sie, habenti dabitur et abundabit!«
Ich setzte mich zwar, wehrte aber ab:
»O nein, bringt ja noch keinen Wein; – – es darf nur Buttermilch jetzt sein, – – doch ist der erste Durst gestillt, – – dann sind wir auch zu Wein gewillt!«
»Na, dann meinetwegen Buttermilch, wenn es denn nicht anders sein darf; aber später müssen Sie mir erlauben, Sie als meine ganz besonderen und persönlichen Gäste zu betrachten! Zu bezahlen haben Sie natürlich nichts, keinen Kreuzer, ganz und gar nichts!«
Carpio warf mir einen Blick zu, und als ich diesen nicht beachtete, versetzte er mir einen kräftigen Fußtritt, der freilich deutlicher war. Und nun folgte eine sehr bewegte Scene. Die Gäste, welchen vorhin vor Verwunderung die Sprache ausgegangen zu sein schien, fanden sie jetzt wieder; die, welche am andern Tisch gesessen hatten, blieben nicht länger dort; sie kamen herbei und präsentierten uns ihre Biergläser, die wir natürlich zurückwiesen. Alle sprachen auf uns ein und jeder wollte ganz besonders von uns gehört werden. Die an uns gerichteten Fragen wurden alle von uns mit Reimen beantwortet, was auf Franzl einen solchen Eindruck machte, daß er seiner Frau, die auch ganz entzückt von solchen Gästen war, die Weisung erteilte:
»Höre, Anna, diese hochgeehrten Herren bekommen keine gewöhnlichen Gastbetten, sondern sie schlafen in der guten Stube, wo der Glasschrank steht. Ich weiß, was Bildung heißt. Corvus corvo nigredinem objicit!«
Dieses sein Latein machte mir riesigen Spaß. Da er nur Sprichwörter brachte, nahm ich ihn sehr stark in Verdacht, sie irgend einem alten Verzeichnisse entnommen und sich eingeprägt zu haben, um sie gelegentlich loszulassen und als Lateiner zu gelten. Den lateinischen Text hatte er sich gemerkt, aber nicht den Sinn desselben, und so durfte man sich nicht darüber wundern, daß er sie meist grad dann in Anwendung brachte, wenn ihr Gebrauch zum Unsinn wurde. Es giebt solche eigentümliche Menschen, und er ist nicht der einzige dieser Art, den ich kennen gelernt habe.
Es kann nicht meine Absicht sein, die nun folgende Unterhaltung wiederzugeben; sie wurde von uns mit Reimen und von seiten des Wirtes mit den tollsten Lateineleien gespickt, wodurch er aber den sich sehr zahlreich einstellenden Gästen außerordentlich zu imponieren schien. Welche Schule er besucht und welchen Bildungsgang er hinter sich hatte, das konnten wir nicht erfahren; er schien Gründe zu haben, nicht davon zu sprechen, und wir waren nicht so rücksichtslos, ihm darauf bezügliche Fragen vorzulegen.
Ein kleines Intermezzo darf ich nicht umgehen. Mein Carpio hatte unterwegs bemerkt, daß ihn ein durch die Stiefelsohle gedrungener Nagel in den Fuß stach, und den Stiefel ausgezogen, um ein zusammengefaltetes Stück Papier unterzulegen. Jetzt bemerkte er, daß der Nagel auch in dieses Papier ein Loch gemacht hatte und ihm nun neue Schmerzen bereitete. Er vertraute diese schmerzliche Angelegenheit einem mit anwesenden Schuhmacher an, und da dieser sich bereit erklärte, die vorwitzige Nagelspitze abzustumpfen, so zog er den Stiefel aus, um ihn dem Helfer in der Not anzuvertrauen. Dabei fiel das nun durch die eingedrungene Feuchtigkeit des Schnees sehr unscheinbar gewordene Papier heraus. Es sah wie ein alter, abgebrauchter Guldenzettel aus. Als ich es aufhob, bemerkte ich, daß es Schriftzüge enthielt, welche freilich nicht mehr zu enträtseln waren; aber der noch ziemlich zu unterscheidende Gymnasialstempel belehrte mich, welch ein wichtiges Dokument ich in den Händen hatte. Ich gab es dem Freunde mit den Worten:
»Hier ist die Ehrenrettung deiner Schwester; ich hoffe, daß du ihr den schnöden Verdacht, welchen du ausgesprochen hast, nach unserer Heimkehr abbittest!«
Er faltete den Zettel auseinander, schüttelte den Kopf, gab ihn, nämlich den Zettel und nicht etwa den Kopf, dem noch anwesenden Polizisten hin und sagte:
»Sie sehen, daß ich meinen Paß sehr gut aufgehoben hatte; kein Spitzbube hätte ihn finden können. Ich bitte, sich nun zu überzeugen, daß Sie es wirklich mit den Schülern einer königlichen Bildungsanstalt zu thun haben!«
Als der Beamte sah, in welchem Zustande sich die Legitimation befand, wies er sie mit den freundlichen Worten zurück:
»Oh bitte, bitte, zweifeln Sie doch nicht an meiner Menschenkenntnis, die mir gleich beim ersten Blicke gesagt hat, daß ich es mit geistig hochstehenden und polizeilich unbeanstandeten Personen zu thun habe!«
»Schön!« nickte Carpio. »Wir erkennen Ihren Scharfsinn an und werden jenseits der Grenze an geeigneter Stelle erzählen, daß die Bewohner der österreichischen Länder auf ihre Polizeimacht stolz sein können.«
Indem er den wieder zusammengefalteten Paß in die Westentasche steckte, nickte er dem Gendarm in so gönnerhafter Weise zu, als ob er eine der höchsten Stellen im Wiener Justizministerium bekleide.
Als wir jeder drei Gläser Buttermilch getrunken hatten, wurden wir zum Schankbier avanciert und bekamen dazu Cigarren angeboten, welche der Wirt als zur besten Sorte Österreichs gehörig bezeichnete. Wenn ich mich nicht irre, waren es Virginias, die man zuweilen auch mit dem hochpoetischen Namen »Giftnudeln« zu bezeichnen pflegt. Als Carpio die seinige anbrannte und den lächelnden Ausdruck bemerkte, mit welchem er dabei von rundumher beobachtet wurde, machte er eine hoheitsvolle Handbewegung und sagte in geringschätzigem Tone:
»Ich will Ihren Kaiserstaaten gewiß nicht zu nahe treten, aber was Cigarren betrifft, so sind wir Ihnen in jeder Beziehung über. Diese hier zum Beispiel, welche von vorzüglicher Qualität sein soll, würde mir für den täglichen Gebrauch viel zu schwach sein. Es giebt bei uns eben ganz andere Raucher als hier bei Ihnen, meine Herren!«
Leider aber ließ er seine »Nudel« so oft ausgehen, daß er mit den Zündhölzern immer zwischen ihr und dem Asbestgläschen unterwegs war – es stand nämlich ein sogenanntes Tunkfeuerzeug auf dem Tische. Da ihm dabei der Geruch des Schwefels so oft in die Nase fuhr, zog er, ohne daß ich weiter darauf achtete, ein Papier aus der Tasche, zerriß es in lange, schmale Streifen, um Fidibus aus ihnen zu machen, und holte sich nun mit deren Hilfe das zum Anbrennen nötige Feuer von der in seiner Nähe qualmenden Öllampe. Damals gab es bekanntlich weder Gas- noch gar elektrisches Licht.
Trotz dieser immerwährenden Unterbrechungen war er, als ich die erste Cigarre geraucht hatte, schon mit seiner zweiten fertig. Man bot uns neue an, und als ich da für uns beide ablehnte, schlug Carpio diese Anmaßung in empörtem Tone zurück:
»Mische dich nicht in meine Angelegenheiten, Sappho! Eine Mondscheinnatur, wie die deinige ist, kann freilich nichts vertragen; ich aber bin aus Stahl und Stein gebaut und möchte die Cigarre kennen lernen, die meine Konstitution erschüttern könnte!«
»So ist es recht!« stimmte Franzl bei. »Ein guter Student muß ausgepicht und gegen Nikotin und Spiritus unempfindlich sein. Nummus ubi loquitur, Tullius ipse tacet. Nehmen Sie also immer noch eine!«
Und der Busenfreund nahm noch eine und hatte sie noch nicht aufgeraucht, als seine Fidibus zu Ende waren. Ich sah, daß er, wie ein Orientale sich ausgedrückt hätte, die Morgenröte seines Angesichts verlor, sagte aber nichts, weil ich ihn nicht beleidigen wollte.
Dann brachte die Wirtin das Abendessen herein. Es bestand in einer mächtigen Schüssel Fisolen und einer ebenso СКАЧАТЬ