Название: Die blaue Hand
Автор: Edgar Wallace
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752946673
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Eunice Weldon war in einem bekannten fotografischen Atelier in der Regent Street angestellt. Jim hatte sie vor einiger Zeit erst in dem Lokal, in dem sie augenblicklich saßen, beim Tee kennengelernt, und zwar bei einer besonderen Gelegenheit. Die Gardinen am Fenster, in dessen Nähe sie saß, hatten Feuer gefangen. Jim löschte die Flammen und verbrannte sich dabei die Hand. Und Miss Weldon hatte ihn verbunden.
Wenn ein Herr einer Dame einen Dienst erweist, so führt das meistens nicht zu einer näheren Bekanntschaft. Wenn aber umgekehrt eine junge Dame einem Mann hilft, so ist das unweigerlich der Beginn einer Freundschaft.
Seit dieser Zeit hatten sie sich täglich hier beim Tee getroffen. Einmal versuchte Jim auch, sie zum Theater einzuladen, aber sie schlug seine Bitte ab.
»Haben Sie weitere Erfolge gehabt bei Ihrer Suche nach der verlorenen jungen Dame?« fragte sie, während sie sich Marmelade auf ein Brötchen strich.
Jims Stirn legte sich in Falten.
»Mr. Salter hat mir heute klargemacht, daß es wenig an den Verhältnissen ändern würde, wenn ich sie fände.«
»Es wäre aber doch wundervoll, wenn das Kind gerettet worden wäre. Haben Sie jemals an diese Möglichkeit gedacht?«
Er nickte. »Leider dürfen wir uns keine Hoffnung in dieser Richtung machen, so schön es auch wäre. Und am meisten würde ich mich freuen«, meinte er lachend, »wenn Sie die vermißte Erbin wären!«
»Das ist hoffnungslos«, sagte sie kopfschüttelnd. »Ich bin die Tochter armer, aber ehrlicher Eltern, wie es immer so schön heißt.«
»Ihr Vater lebte immer in Südafrika?«
»Ja, er war Musiker. Auf meine Mutter kann ich mich kaum besinnen, sie muß sehr lieb gewesen sein.«
»Wo wurden Sie denn geboren?«
»In Kapstadt-Rondebosch, um genau zu sein. Aber warum geben Sie sich denn solche Mühe, die verlorene Dame aufzufinden?«
»Weil ich nicht will, daß dieser schreckliche, ungebildete Mensch, das große Erbe der Danton-Millionen antreten soll.«
Sie richtete sich erstaunt auf.
»Wer ist denn dieser ungebildete Mensch? Sie haben mir bis jetzt seinen Namen noch gar nicht genannt.«
Das stimmte, Jim Steele hatte ihr erst vor ein paar Tagen von dieser Sache erzählt, die ihn so sehr beschäftigte.
»Der junge Mensch heißt Digby Groat.«
Sie schaute ihn verwirrt an.
»Was haben Sie denn?« fragte er erstaunt.
»Als Sie vorhin den Namen Danton erwähnten, erinnerte ich mich daran, daß unser erster Fotograf neulich sagte, Mrs. Groat sei die Schwester Jonathan Dantons«, sagte sie langsam.
»Kennen Sie die Familie Groat?«
»Ich kenne sie nicht«, sagte sie langsam, »wenigstens nicht sehr gut –« Sie zögerte. »Aber ich werde eine Stellung bei Mrs. Groat als Sekretärin annehmen.«
Er sah sie groß an. »Und davon haben Sie mir noch nichts gesagt?«
Aber als sie die Augen niederschlug, erkannte er, daß es falsch von ihm war, so zu fragen.
»Natürlich«, fügte er schnell hinzu, »es liegt ja kein Grund vor, warum Sie mir das sagen sollten.«
»Ich weiß es selbst erst seit heute. Mr. Groat ließ sich fotografieren, und seine Mutter begleitete ihn zum Atelier. Sie waren schon ein paarmal da, aber ich habe kaum von ihnen Notiz genommen. Heute rief mich der Chef zu sich und sagte, daß Mrs. Groat eine Sekretärin brauchte und daß es eine sehr gute Stelle für mich sein würde. Sie will fünf Pfund die Woche zahlen, die ich vollständig sparen kann, denn ich werde in ihrem Hause wohnen.«
»Wann hat sich denn Mrs. Groat entschlossen, eine Sekretärin anzustellen?«
»Das weiß ich nicht – warum fragen Sie mich, danach?«
»Ich habe sie vor einem Monat in unserer Kanzlei gesehen. Mr. Salter machte ihr damals den Vorschlag, sich eine Sekretärin zu halten, um ihre Korrespondenz in Ordnung zu bringen. Sie erklärte aber, daß sie das unter keinen Umständen täte, sie wolle keine Fremde um sich haben, die weder Dienstbote noch Freundin sei.«
»Sie wird ihre Absicht eben geändert haben«, meinte Eunice lächelnd.
»Das bedeutet also, daß wir uns nicht weiter beim Tee treffen können. Wann werden Sie Ihre neue Stelle antreten?«
»Schon morgen früh.«
Jim ging in düsterer Stimmung in sein Büro zurück. Sein Leben schien plötzlich arm und traurig geworden zu sein.
›Du hast dich verliebt, alter Kerl‹, sagte er zu sich selbst.
Es gehörte zu seinen Pflichten, das große Tagebuch zu führen, und wütend blätterte er die Seiten um.
Mr. Salter war schon nach Hause gegangen. Jim steckte seine Pfeife an und trug die Vorgänge nach den kurzen Bleistiftnotizen seines Chefs ein, die er auf dem Schreibtisch zurückgelassen hatte.
Als er fertig war, ging er noch einmal in das Zimmer seines Chefs, um zu sehen, ob er nicht etwas vergessen hätte.
Mr. Salters Schreibtisch war für gewöhnlich in bester Ordnung, aber er hatte die merkwürdige Angewohnheit, wichtige Akten oder Notizen beiseite zu legen, man hätte fast sagen können, sie zu verstecken. Jim hob alle Gesetzbücher auf, die auf dem Tisch standen, ob er nicht noch irgendeine Notiz darunter finden könnte. Ein dünnes, goldgerändertes Notizbuch war zwischen zwei Bänden eingeklemmt gewesen und fiel nun auf die Tischplatte. Er konnte sich nicht besinnen, es früher gesehen zu haben. Als er es öffnete, entdeckte er, daß es ein Tagebuch für das Jahr 1929 war. Mr. Salter pflegte für seinen Privatgebrauch Notizen zu machen und tat das in einer sonderbaren, nur ihm verständlichen Kurzschrift. Keinem seiner Schreiber oder Sekretäre war es jemals gelungen, sie zu entziffern. Auch dieses Tagebuch war in dieser Geheimschrift abgefaßt.
Jim drehte die Blätter neugierig um und wunderte sich, daß ein so vorsichtiger und ordentlicher Mann ein Tagebuch herumliegen ließ. Er wußte, daß in dem großen, grünen Geldschrank ganze Stapel solcher kleinen Bände aufbewahrt wurden. Vielleicht hatte der Rechtsanwalt einen herausgenommen, um sein Gedächtnis aufzufrischen. Es waren Hieroglyphen für Jim. Nur ab und zu stand ein Wort in offener Schrift dazwischen.
Aber plötzlich stutzte er, denn unter dem vierten Juni fand er eine lange Eintragung. Sie schien erst später von dem Rechtsanwalt gemacht worden zu sein, denn sie war mit grüner Tinte geschrieben. Aus diesem Umstand konnte er feststellen, wann sie geschrieben war, denn vor achtzehn Monaten hatte ein Augenarzt Mr. Salter gesagt, daß es ihm leichter fiele, grüne Schrift zu lesen, und seit diesem Zeitpunk hatte der Rechtsanwalt stets grüne Tinte für seine Schriftsätze benutzt. Jim hatte den Absatz gelesen, bevor er sich darüber klar wurde, daß er eigentlich nicht dazu berechtigt war.
»Ein Monat Zuchthaus im Holloway-Gefängnis. СКАЧАТЬ