Название: Abstellkammer - Makabere Kurzgeschichten
Автор: Margret Jacobs
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783750215122
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Frau B hatte die Angewohnheit, nie etwas gezielt zu tun. Ständig vergaß sie etwas oder musste sich auf den Rückweg machen. Chaos in ihren Handlungen. Nur, wenn es darum ging, etwas zu tun, was nicht richtig war, dann war Frau B sehr zielgenau.
ES hatte richtig vermutet. Frau B war nur die Hälfte der Kellertreppe herunter geeilt, dann hatte sie kehrt gemacht und war jetzt wieder an der Küchentür angelangt.
ES fluchte leise. Und setze den Fuß schnell wieder zurück auf den Teppichboden vor der ersten Treppenstufe. Abwarten, ES musste einfach nur abwarten.
Vater! Das dachte ES leise. Vielleicht würde er ES hören. Obwohl, das wäre schon ein unverschämtes Glück, bedachte man, dass Vater an beiden Ohren ein Hörgerät hatte und oftmals mit der Nase vor dem TV saß, um überhaupt etwas mitzubekommen. Oder war es Berechnung? Nichts mehr hören und sehen, um in Ruhe leben zu können?
ES versuchte es erneut. ES schlich die Treppe runter. Frau B war in der Küche. Ziemlich nahe. Vielleicht würde es reichen. Von hier aus konnte ES die Hand von Vater sehen. Er hielt die Fernbedienung fest umklammert.
ES brauchte nur mehr Willen, um es zu schaffen. Da saß die Erlösung und wusste von nichts..
Frau B legte den Kopf schief. Ein Geräusch? Von oben? Leise schlich sie zur Küchentür und spähte um die Ecke. Tatsächlich! Das Kind hatte sich wieder ihr widersetzt. Es hatte das Bett verlassen, das Kinderzimmer verlassen und war auf dem Weg nach unten.
Doch hoffentlich nicht zu Vater!
Frau B schnaubte. Das Kind würde es doch nicht erneut wagen, sie zu blamieren? Aber war die Blamage dann nicht ganz auf der Seite des Kindes? Ein Kind hatte zu gehorchen. Den Eltern zu gehorchen. Und sie war als Mutter ein Elternteil. Also.
Und war es nicht noch viel mehr als das? Sollte ein Kind seine Eltern nicht in Ehren halten? Was immer auch das hieß. Sich widersetzen gehörte nicht dazu! Eindeutig nicht!
>>V A T E R!<< Wie eine Eruption mit Unterbrechung kam das Wort aus ES Mund. Hatte er es gehört? Die Rettung!
Ja, war es die Rettung?! Es dem Vater sagen? Und dann? Was passierte dann? Schlimmeres?
Frau B schob ihren Körper wie eine Dampflok aus der Küche.
ES zuckte zusammen. Klar, Frau B hatte ihren Schrei zuerst gehört. Nicht die Rettung. Hatte Vater es überhaupt gehört?
Wie wild schoben sich zwei Körper in Richtung Wohnzimmer, wo Vater saß und nichts von dem Geschehen mitbekommen hatte. Er war ganz vertieft in die Sportnachrichten, eine Welt, die er verstand.
Verständnislosigkeit machte sich erneut in Frau Bs Kopf breit. Dieses undankbare Kind! Dieses Gör! Dieses Aas! Was immer es vor hatte, sie würde es zu verhindern wissen!
Beide rannten in das Wohnzimmer hinein. Versuchten es. Blieben fast in dem Türrahmen mit ihren Leibern stecken und zogen sich Schrammen zu. Diejenige, die zuerst da sein würde, könnte triumphieren.
ES sog alle Kraft in ihren Mund und schrie wild: >>Vater! Darf ich kalte, nasse Umschläge auf meinen Körper legen? Und darf ich etwas trinken? Ich habe Fieber!<<
Abstellkammer
Wann immer ich zum spielen rüber ging, wunderte ich mich, dass meine Freundin keine Zeit hatte. Wir waren gleich alt, gingen in die gleiche Schule und hatten die gleichen Hausaufgaben auf. Aber Petra hatte keine Zeit. Nur ich.
So klingelte ich und klingelte ich, bis eine entnervte Stimme mir Gehör schenkte.
>>Die kann jetzt nicht! Die muss Hausaufgaben machen!<<
Was für Hausaufgaben? Wir hatten keine auf!
Doch ich war jung und so antwortete ich nicht, sondern ging.
Verwundert stand ich vor dem Mietshaus und schaute nach oben, wo Petra ihr Zimmer hatte. Ich ging noch ein Stück weiter zurück auf die Wiese, um besser sehen zu können. Aber Gardinen versperrten mir den Blick. Nichts schien sich zu bewegen.
Aber ich hatte Petra nach Schulende nach Hause begleitet. Sie war also da. Warum sah ich sie dann nicht? Wollte sie nicht raus und mit mir spielen? Konnte ich mir nicht denken.
Wir hatten schon so oft und viel miteinander gespielt. Das würde sich nicht ändern und wenn ich erwachsen bin auch nicht.
Ich hüpfte ein paar mal die Wiese entlang, in der Hoffnung, Petra würde zufällig raus sehen und mich dann entdecken. Dann würde sie doch raus, nach unten kommen. Ich hüpfte und schlug zwei Räder. Nur Purzelbäume wollte ich auf dem harten Untergrund nicht machen. Das grüne Gras war trügerisch. Es sah weich aus, aber wenn man hin fiel, tat der ganze Körper weh. Tückisches Zeug dieses Gras!
Ich schlich auf die andere Seite des Miethauses. Dort gab es auch eine Wiese und ein Kellerfenster, was immer offen war. Das hatte mir Petra mal gezeigt. Ist noch gar nicht lange her.
Dieses Fenster stand immer offen, damit Petra, sollte es mal regnen, durch das Fenster ins Innere klettern konnte, um es warm und trocken zu haben. Ich fand das von Petras Mutter sehr nett, dass sie Petra erlaubte, durch ein Fenster zu klettern, um im Warmen zu sein.
Etwas unentschlossen sprang ich auf der zweiten Wiese herum. Sollte ich in den Keller klettern? Vielleicht war Petra ja dort! Im Warmen. Kühl genug war es ja. Herbst. Auch mir war kalt. Meine Mutter hatte kein Kellerfenster für mich offen gehalten.
Petra war bestimmt dort! Wo sollte sie sonst sein? Oben? Beim Hausaufgaben machen, die es gar nicht gab? Oder wollte Petras Mutter mich eben einfach los werden?
Meine Mutter schickte mich ja auch immer raus, wenn sie ihre Ruhe haben wollte und das war immer, jeden Tag und bei jedem Wetter, von 12 Uhr mittags bis abends, kurz bevor mein Vater von der Arbeit wiederkam. Dann hatte meine Mutter genug ihre Ruhe gehabt. Komisch, dass Erwachsene so viel Ruhe brauchen.
Blöd an dem Kellerraum in Petras Miethaus war nur, dass es dort keine Toilette gab. Wenn man drin war und mal musste, musste man wieder raus klettern. Und das war wesentlich schwieriger, als rein zu kommen, denn das Fenster war zwar von außen fast ebenerdig, aber wenn man rein stieg, musste man rutschen. Das Fenster von innen gesehen, war auf der Höhe eines Erwachsenen Kopfes. Also, raus steigen war so gut wie unmöglich. Und ohne Petras Schlüssel für den Kellerraum würde ich wahrscheinlich nicht wieder rauskommen. Ich wäre eingesperrt für immer und müsste da meine Blase leeren. Und zu trinken und zu essen gab es da auch nichts.
Da hinein zusteigen war Selbstmord. Also ließ ich es und versuchte, mit mir alleine zu spielen. Das war ich gewohnt. Besonders in den Zeiten, wenn ich doch drinnen war. Wenn ich krank war oder meine Mutter fand, ich solle heute mal drinnen bleiben. Das drinnen bleiben bezog sich dann auf mein Zimmer. Ich durfte auf die Toilette, was schon viel war. Und ich durfte nach etwas zu trinken fragen, wurde dann aber von meiner Mutter angeschnauzt.
Mein Zimmer war wie ein Gefängnis. Ein Aufbewahrungsort für Kinder. Voller Spielsachen, aber leer von Menschen.
Nein, ich würde mich nicht wieder in ein Zimmer oder in einen Raum einsperren lassen! So toll war das nämlich nicht. Und im Keller war es kalt. СКАЧАТЬ