Название: Toxicus
Автор: Anita Jurow-Janßen
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783741884931
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Sanne stand hilflos daneben. Sebastian kam mit Ben zur Hilfe.
„Ben, bitte! Sie hat gesagt, sie muss kotzen. Bitte hilf ihr!“
Sannes Stimme war den Tränen nahe.
Ben sah sie an. „So schlimm wird es wohl nicht sein.“
Als er Birgit umfasste, versuchte diese auch Ben wegzuschieben. Aber er ließ es nicht zu und brachte sie zur Toilette. Schnell zog er den Schlüssel aus der Tür, bevor Birgit sich einschließen konnte. Sanne sah ihn dankbar an.
„Bitte warte mit mir, bis sie wieder herauskommt.“
„Na klar. Was denkst du denn. Wir müssen sehen, dass meine Eltern das nicht mitbekommen. Geh mal zur Treppe und sag mir Bescheid, falls mein Vater herunterkommt. Ich halte hier so lange die Stellung.“
Ben sah Sanne schuldbewusst hinterher. Er hatte ein schlechtes Gewissen, weil er nicht besser auf Birgit und die ganze Situation aufgepasst hatte. Es schien alles ein wenig aus dem Ruder zu laufen.
***
Ronny war mit dem Gefühl, einen ersten Sieg errungen zu haben, zu seinen Schlangen geeilt. Er hatte die beiden Mädchen gegeneinander ausgespielt. Zunächst hatte er Sanne weisgemacht, dass Birgit ihn eingeladen hatte. Die hatte ihn zwar skeptisch angesehen, ihn aber schließlich dennoch ins Haus gelassen. Lukas hatte seinen Mund gehalten und sich davongeschlichen, nachdem er seine Glückwünsche heruntergestammelt hatte. Kurz nach ihnen war noch ein Gast erschienen, der Sanne davon abhielt, sich weiter um sie zu kümmern. Ronny war vor Staunen der Mund offen stehen geblieben, als er auf ein riesiges Gemälde aufmerksam geworden war, von dem Birgit ihm entgegenlachte. Gebannt war er auf das Bild zugegangen. Bei näherem Hinsehen hatte er geglaubt zu erkennen, dass es sich doch nicht um Birgit handelte. Die Frau war schon etwas älter, sah aber fantastisch aus, in ihrem engen grünen Kleid, das bis zum Boden reichte und sich unten zu einem Volant ausbreitete. Als er sich durch die vielen Gäste zu Birgit durchgekämpft hatte, glaubte er, das Kleid an Birgit wiederzuerkennen, nur dass es jetzt kurz war. Nachdem Sanne aufgetaucht war, hatte er sich schnell aus dem Staub gemacht, und jetzt stand er vor seinen Terrarien und konnte es kaum fassen. Ich hab es geschafft. Sie hat angebissen. Ich bin mir sicher.
Ehrfürchtig nahm er seine Anabelle aus dem Terrarium und legte sie um seinen Nacken.
„Stell dir vor, meine Schöne. Ich bin mit Birgit verabredet. Ich weiß ganz genau, sie wird euch auch lieben. So wie sie aussieht, ist sie mit euch verwandt.“ Im Glücksrausch legte er sich mit Anabelle aufs Sofa.
Pünktlich um sechzehn Uhr des nächsten Tages stand Ronny vor der Auffahrt der Giesevilla. Sein Herz klopfte. Wird sie wirklich kommen?
Seine Zuversicht war plötzlich zu einem Minimum zusammengeschrumpft. Was bilde ich mir eigentlich ein! Die kommt doch nicht. Niemals.
Zehn Minuten vergingen. Keine Birgit in Sicht. Auf das Fernglas hatte er verzichtet. Wie hätte er Birgit das erklären sollen? So konnte er jetzt aber nichts hinter ihrem Fenster entdecken. Verzweifelt und mit Wut auf sich selbst lief er ein Stück die Straße hoch und wieder zurück.
Wie konnte ich nur so blöd sein und denken, sie würde tatsächlich kommen!
Er wollte sich schon davonmachen, als er die Haustür hörte. Sein Herz schien stillzustehen, als er in Richtung Haus sah. Birgit kam schnellen Schrittes auf ihn zu. „Da bin ich also“, sagte sie.
„Hallo“, begrüßte er sie unsicher. „Ich dachte schon, du kommst nicht mehr.“
„Will sehen, was du mir zu bieten hast“, sagte sie ohne Umschweife.
„Na, dann komm!“
„Wohin gehen wir überhaupt?“
„Ist ein ganzes Stück aus Oldenburg raus. Wir können mit dem Bus fahren.“
Birgit sah ihn zögernd an. Zweifel standen in ihrem Gesicht. Niemand wusste, was sie vorhatte, noch nicht einmal Sanne.
Sie trottete neben Ronny her bis zur Bushaltestelle, ohne ein Wort zu sagen. Auch er schwieg. Es dauerte nur einen Moment, bis der Bus kam und sie einstiegen.
„Ist ja ’ne Weltreise“, brach sie das Schweigen. Sie hatten die Innenstadt hinter sich gelassen und Birgit war immer unruhiger geworden. „Wohin fahren wir überhaupt?“
„Sind gleich da, wirst schon sehen.“
Als sie ausstiegen, standen nur noch vereinzelt Häuser an der Straße. Nur wenige schienen bewohnt zu sein.
„Hier war ich noch nie“, sagte Birgit mehr zu sich selbst, während sie sich immer wieder umsah.
„Ist nicht mehr weit“, sagte Ronny, der ihre Verunsicherung spürte. Er schlängelte sich durch eine kleine Häusergruppe hindurch zu einem Hinterhof. Am Ende stand eine kleine Baracke, auf die er jetzt zügig zuging. Birgit folgte zögernd.
„Wohnst du jetzt etwa hier?“ Ihre Stimme wollte nicht richtig gehorchen.
„Nein, aber hier ist die Überraschung. Ich habe mir nur eine Bude eingerichtet, in der ich mich meistens aufhalte. Meine Eltern ahnen nichts davon. Sie sind kaum zu Hause und wissen nie, wo ich gerade bin.“
„Aber dann brauchst du doch diese Bude nicht, wenn sie nie da sind.“
Ronny sah sie geheimnisvoll an. „Sie wissen nichts von meinen Freundinnen, und sie dürfen es auch nicht wissen.“
Birgits Gesichtsausdruck war ein einziges Fragezeichen. Was mache ich hier? Was meint er mit Freundinnen? Ihre Schritte wurden immer langsamer.
Ronny bemerkte ihre Unsicherheit. „Gleich ist es so weit. Du wirst staunen. Komm!“
Birgit sah sich noch einmal um. Weit und breit war niemand zu sehen. Ronny hatte die Tür inzwischen aufgeschlossen und sah sie erwartungsvoll an. „Na, nun mach schon.“
Zögernd ging sie durch die Tür.
2. Kapitel
Kurz nach der Geburtstagsfeier musste Ronny das Gymnasium für immer verlassen. Er hatte zu viel versäumt und kam weder mit den Schülern noch mit den Lehrern wirklich zurecht. Sein ständiges Schwänzen war letztlich aber der Grund für den Rausschmiss gewesen.
Die Sache mit Birgit hatte ihn endgültig aus der Bahn geworfen. Birgit war tot. Es war zwar ein Unfall gewesen, Ronny konnte sich aber nicht verzeihen, wie es dazu gekommen war. Nach dem furchtbaren Unglück in seiner Baracke, das Birgit ihr Leben gekostet hatte, fand er überhaupt keine Ruhe mehr. Seine Trauer um Birgit hatte er seit dem schrecklichen Ereignis immer wieder zu verdrängen versucht. Oft wachte er nachts schweißgebadet auf, weil sie ihm im Traum erschien. Tagsüber irrte er umher und entwickelte gegen alles und alle einen zerstörenden Hass. Er brachte seine Eltern schier zur Verzweiflung.
Nachdem Birgit Ronnys abenteuerliche Behausung am Rande von Oldenburg endlich betreten hatte, war sie nicht nur überrascht, sondern geradezu СКАЧАТЬ