Crazy Zeiten - 1975 etc.. Stefan Koenig
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Crazy Zeiten - 1975 etc. - Stefan Koenig страница 3

Название: Crazy Zeiten - 1975 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783750214989

isbn:

СКАЧАТЬ Ich befürchtete, wenn ich nicht bald einschliefe, sauste es wie ein Schmiedehammer auf mich herab. Ich erinnerte mich an Quinys Worte von vorhin, als unser Gepäck zur Verladung kam. „Wenn ich heute bei dieser Hitze und der Anstrengung keine Migräne bekomme, wäre das ein Wunder.“

      „Rede es nicht herbei“, hatte Wolle geraten.

      Aber Quiny hatte entrüstet geantwortet: „Das hat nichts mit herbeireden zu tun. Es kommt bei nervlicher und körperlicher Anspannung manchmal über mich wie ein Schmiedehammer! Da kann ich nichts dagegen tun!“

      Jetzt also traf vielleicht mich der Schmiedehammer. „Wahrscheinlich mache ich heute Bekanntschaft mit Madame Migraine“, sagte ich halblaut und betonte das französische „Migraine“, wie es mein Vater betont hätte, womit er gelegentlich an unsere hugenottische Abstammung erinnerte.

      Meine Augen fielen zu.

      In zwanzig Minuten würde die Boeing 757-300 abheben. Ich wollte mich entspannen. Wolle beugte sich jetzt über die Sessellehne nach hinten, um mich nach meinem Wohlbefinden zu fragen.

      „Kara?“

       Nett, dass du mich bei meinem alten Spitznamen nennst. Aber: Verdammte Kacke, lass mich in Frieden! Nicht mehr reden, bitte!

      „Ach, du schlummerst schon ein wenig?“

      „Hm, hm.“ Bleib bloß still! Kein weiteres Wort!

      „Möchtest du mein Kissen?“ fragte er mit kuscheligen Worten.

      Ich schüttelte den Kopf. „Mhm, mhm.“ Lass mich einfach in Ruhe, du musst doch sehen, dass ich an der Grenze bin, dachte ich und stöhnte noch einmal. „Mhm, mhm.“

      „Wenn es dir nicht gut geht, sag es mir, ich besorge eine Migräne-Tablette bei der Stewardess.“

      Wenn du jetzt nicht deinen Mund hältst, rede ich morgen kein Wort mehr mit dir. Mein Kopf begann heftig zu brummen.

      »Na, dann gute Nacht, erhol dich vom Stress der vergangenen Tage. Und von der Enttäuschung in Sachen Svea. Ab jetzt beginnt eine neue Ära.“ Halt verdammt nochmal den Mund, altes Quatschmaul!, schwirrte es durch das Stockfinster meines Kopfes.

      Plötzlich sah ich Svea, wie sie sich das Heroin direkt in die Vene der Armbeuge spritzte. Ich kam ins Schwitzen. Als ich sie 1970, vor etwas mehr als vier Jahren, kennen gelernt hatte, war sie gerade siebzehn Jahre alt und erwies sich als eine der vitalsten Menschen, denen ich je begegnet war. Sie nahm Anteil an allem, was in der Welt vorging. Ihre Sinne waren wach und schienen stets auf Hochtouren zu laufen. Aber jetzt, nach all den persönlichen Niederlagen und der schleichenden Drogenabhängigkeit, hinterfragte sie nichts mehr.

      Aus dem unbeschwerten, weltoffenen Hippiemädchen war eine sich nur mit sich selbst beschäftigende Drogenabhängige geworden. Keine glänzende Karriere in diesen jungen Jahren. Mir schien, sie beobachtete nur noch ihr eigenes Inneres, saugte kein neues Wissen in sich auf, wog nicht mehr ab und hatte kein Interesse mehr, sich ausgewogene Urteile über dies und das zu erlauben. Ihre Welt war sehr einfach geworden. Sie war verflacht.

      „Du bist so schön und klug …“, hatte mein erstes Kompliment an sie gelautet. Aber von der Klugheit war viel verweht, vielleicht auch nur verschüttet, und ich musste ihr beim Wiederfinden behilflich sein.

      Mir schoss unsere damalige Diskussion im Alamo durch den Kopf. Wir hatten uns über ihre hoffnungsvolle Lebensperspektive unterhalten:

      „Ich meine, es wäre schade, wenn du dein Leben nur als Bardame oder Bedienung verbringst.“

      „Diese Berufe sind auch nötig. Ohne die könnten wir hier nicht gemütlich sitzen und plauschen“, hatte sie mein Argument zurechtgestutzt. Dann war sie nachdenklich geworden. „Kara, wenn ich wirklich so schlau wäre, wie du vermutest, glaubst du, ich hätte dann mit sechzehn meine Schulausbildung abgebrochen? Ich hätte weitergemacht, um Tierärztin zu werden oder Theologin.“

      Und nun, vier Jahre danach, das Drama: Heroin.

      Vor mir hörte ich jetzt ein Räuspern.

      Wird doch nicht schwer sein, einmal die Klappe zu halten! Sei anständig und lass mich schlafen, guter Freund!, dachte ich; dann nickte ich wieder ein. Doch der Moment währte kurz.

      „Nimm ruhig meine Decke“, sagte Wolle und warf den Stoff auf meinen Schoß. „Mir ist warm genug, ich brauche sie nicht.“

      War es draußen im Flughafengebäude selbst am Abend noch unerträglich heiß gewesen, so war der Kälteschock hier im Flieger das andere Extrem.

      „Ich brauche die Decke wirklich nicht!“, hörte ich unseren guten Freund Wolle sagen.

      Ich auch nicht, altes Arschloch. Merkst Du nicht, dass ich schlafen will? In Gedanken ging ich noch einmal die Versprechen dieses unhöflichen Freundes durch. Wenn sie ebenso löchrig waren wie seine Höflichkeit, dann Gnade ihm Gott. Er hatte mir etwas zugesagt. Schon in wenigen Wochen würde er mit mir nach Marrakesch zurückkehren und Svea suchen gehen, um sie aus den Händen der marokkanischen Zuhälter zu befreien.

      Ich schlug die Augen kurz auf, und da sah ich sie.

      Svea – in ihrer prachtvollen Schönheit – betrat das Flugzeug in Begleitung eines dunkelhäutigen Arabers. Nein, das kann nicht sein!, wollte ich schreien, aber ich stammelte nur: „Nicht doch, nicht doch.“

      „Schon gut, du brauchst die Decke nicht zu nehmen“, hörte ich vor mir Wolles Stimme.

      Der Marokkaner ging Svea voran und hielt sie an der Hand. Eben drehte er sich zu ihr um und machte merkwürdige Handzeichen, die sie in gleicher Art beantwortete.

      Oh mein Gott, Gebärdensprache – sie haben ihr die Zunge ausgerissen. Das Flugzeug rumpelte.

      Doro!, zuckte es plötzlich durch meine Vorderstube. Wenn sie die beiden sieht, ist es aus. Sie wird hier einen Aufstand machen. Die Umbuchungs- und Stornierungskosten für Sveas Flug, die wir hatten leisten müssen! Und dann die Aufregung, als wir feststellen mussten, dass sie spurlos verschwunden war! Ich griff hinüber und fasste Doro am Arm. Offensichtlich schlief sie schon und hatte die beiden nicht gesehen. Jetzt nur kein Wirbel an Bord. In Berlin, nach der Landung, werde ich den Araber und Svea zur Rede stellen. Er sieht aus wie ein Zuhälter, aber das macht mir keine Angst.

      Ich räkelte mich nervös in meinem bequemen Sitz der Economy Class. Mein übermüdeter Verstand versuchte, das Vergangene zur Seite zu schieben – und mit ihm Svea, ihren dänischen Verführer Sören, und jetzt diesen unbekannten arabischen Begleiter und ... die Drogen und ... den Tod.

      Da hörte ich es flüstern. Doro und Quiny! Gut, dass ihr da seid; ihr seid so liebe Freunde! Mechanisch suchten meine Füße nach Doros Füßen. Erneutes Flüstern. Beruhigt legte sich mein Gefühl in die Nähe von Doros Kopf. Schlafen, ich will schlafen.

      Das Flugzeug setzte sich langsam in Bewegung. Wahrscheinlich rollte es zur Startbahn. Jetzt konnte ich endgültig abschalten.

      In diesem Moment erscholl die auffordernde Stimme der Stewardess gleich neben meinem Ohr: „Angeschnallt?“

      „Hm, hm, ja“, murmelte ich.

      Wahrscheinlich werden sie jahrelang darauf gedrillt, Passagiere СКАЧАТЬ