Kim nahm den Topf von der Herdplatte.
»Nun hör mir bitte mal zu«, sagte sie. »Ich weiß nicht, ob die Idee gut ist, aber eine Überlegung ist sie auf jeden Fall wert.«
»Was für eine Idee?«
»Dieses Manuskript – übrigens ein spannender Thriller – ist vielleicht noch unveröffentlicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil es viele Korrekturen in dem Text gibt.«
»Das beweist doch gar nichts«, sagte Pauly. »Vermutlich ist es ganz einfach Scheiße – da hat einer etwas zusammen geschrieben, was dann im Abfall landete. Und du lässt dich davon auch noch begeistern. Du liest sonst nie viel, also wie willst du das überhaupt beurteilen?«
»Auf jeden Fall verstehe ich mehr davon als du.« Kim wurde energischer. »Doch wenn es dich nicht interessiert, dann lässt du es eben bleiben.«
»Was soll mich daran schon interessieren?«
»Jetzt überleg doch mal, Nino! Dieses Manuskript ist jetzt in unserem Besitz.«
»Wirf den Mist weg!«
»Romane werden von Schriftstellern geschrieben.« Kim ließ nicht locker und schaute ihrem Freund in die Augen. »Aber das hier wurde von demjenigen, der es geschrieben hat, weggeworfen. Warum versuchen wir nicht, damit etwas anzufangen?«
»Womit?«, fragte Pauly erstaunt. Und dann begriff er: »Du willst es irgendwie verkaufen.«
»Das wäre zumindest eine Idee. Vor zwei Jahren haben wir doch im Urlaub diesen Angeber mit dem ewigen Sonnenbrand auf der Nase kennen gelernt. Und der hat gross erzählt, dass er Journalist ist und dazu auch noch Geschichten für Zeitschriften schreibt.«
»Was willst du von dem?«
»Nichts. Aber er hat mich auf eine Idee gebracht.« Sie pausierte, erzeugte damit aber keinerlei Spannung bei Pauly.
»Die Eier werden kalt«, sagte er.
Kim winkte ab. »Ich kenne mich da ja nicht aus. Aber warum informieren wir uns nicht darüber, was zu machen ist, wenn man ein Buch geschrieben hat?«
»Hör mit diesem Unsinn auf!«
»Niemand braucht zu erfahren, dass wir das Manuskript gefunden haben«, sagte Kim weiter. »Und wer könnte uns das auch beweisen?«
»Derjenige, der es geschrieben hat.«
»Es steht kein Name auf dem Manuskript. Bloß der Titel: Abstieg ins Dunkel.«
»Vergiss es!«, sagte Pauly, näherte sich seiner Freundin und schob ihr das Haar aus dem Gesicht. »Wir verstehen von dieser Sache doch nichts.« Er versuchte sie zu küssen, doch sie wich ihm aus.
»Kapierst du denn nicht?«, sagte sie erregt. »Was haben wir zu verlieren?«
»Du spinnst doch!« Pauly ging zur Küchentür.
»Wie lange willst du noch für diesen eingebildeten Leo als billiger Gehilfe herumrennen?«
Pauly drehte sich langsam nach seiner Freundin um. »Was soll das heißen?«, fragte er.
»Was kann es schaden, wenn ich mich mal ein wenig umhöre?«, fragte Kim.
»Wer hat dir diesen Floh ins Ohr gesetzt?«
»Niemand. Ich versuche nur, logisch zu kombinieren. Es könnte ja nichts schaden, wenn es uns ein bisschen besser ginge.«
»Mit diesem lächerlichen Papierstapel aus dem Abfallkorb?«
»Wir könnten es ausprobieren.«
»Dann probier mal schön!«, sagte Pauly abschätzig. »Ich gehe eine Pizza essen.« Damit verließ er die Wohnung.
»Der begreift doch nichts«, sagte Kim zu sich selbst, warf einen Blick auf die Eier, die sie nun sowieso nicht mehr essen wollte. Dann setzte sie sich ins Wohnzimmer und las in dem Manuskript weiter.
Der Entschluss war gefasst. Kim fand die Adresse und rief diesen Journalisten an, den sie aus den Ferien flüchtig kannte. Rolf Hoerning hieß er.
»Kim? – warte mal! – Ach ja, jetzt erinnere ich mich. Vor zwei Jahren, Nizza, oder genauer, Cap Ferrat, Beach-Club.«
Sie sagte ihm natürlich nicht, was sie von ihm wollte.
Zwei Tage später trafen sie sich in einem Café. Kim kam gleich zum Thema.
»Ich suche jemanden, der ein Buch veröffentlichen möchte«, sagte sie.
»Ein Buch veröffentlichen?« Hoerning schien erstaunt. »Um was für ein Buch handelt es sich denn?«
»Um einen Thriller.«
»Den du geschrieben hast?«, wollte er wissen.
»Ein Bekannter von mir hat ihn geschrieben«, antwortete sie, was sie zu ihrem eigenen Erstaunen ganz locker aussprach.
»Und du willst diesen Thriller für ihn verkaufen?«
»Ja.«
»Wird nicht einfach sein«, meinte Hoerning. »Ohne Beziehungen läuft eigentlich nichts. Dazu kommt, dass ein solcher Thriller auch eine gewisse Qualität haben muss.«
»Der ist Spitzenklasse«, sagte Kim.
»Also, ich kann dir da schlecht weiterhelfen.«
»Schreibst du nicht selber Geschichten für Zeitschriften?«
»Das lief nicht besonders. Wenn du willst, kann ich dir aber die Adresse eines Agenten geben.«
»Eines Agenten?«
»Vielleicht hat der Interesse daran, die Sache zu vertreten und sie den entsprechenden Verlagen anzubieten.«
»Ja, warum nicht?« Kim lächelte. »Nett von dir. Ich verstehe von diesem Geschäft ja nichts.«
»Warum versucht dein Bekannter es nicht selber?«, fragte Hoerning.
»Es macht mir Spaß, so etwas zu versuchen«, sagte Kim.
»Du musst es wissen.«
»Ist der Autor ein Freund von dir?« Hoerning wollte es doch genauer wissen.
»Ja«, antwortete Kim.
»Aber nicht etwa dieser – wie hieß er schon wieder?«
»Erraten – Nino hat das Buch geschrieben.« Jetzt war die Katze aus dem Sack.
»Also, den hätte ich eher für einen Sportler gehalten«, sagte Hoerning.
Kim СКАЧАТЬ