Название: Das zweite Gleis
Автор: Helmut Lauschke
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742797759
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Aus dem Abschiedsbrief von Herbert Simoleit: “22 Monate war ich nun abgeschlossen von aller Welt. Endlich kann ich sagen: >Laqueus contritus est et nos liberati sumus! – die Schlinge ist zerrissen und wir sind frei!<
Mein geliebtes Muttchen! Alles habe ich Dir zu verdanken, alles, was in meinem Leben groß und schön war! Nun dieser Schmerz. Ich fühle Dich heute den ganzen Tag in meiner Nähe. […] >Wer mein Jünger sein will, der nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach.< Das will ich jetzt versuchen, denn die größte Wirksamkeit in der Welt ist das Leiden. Auf Wiedersehen dort, wo alle Tränen versiegen, auf Wiedersehen bei unserem himmlischen Vater.”
Aus dem Abschiedsbrief von Friedrich Lorenz vom 13. November 1944, 16 Uhr: “Es geschehe der Wille Gottes. Er wollte, dass ich nicht länger als 48 Jahre leben, nicht länger als 20 Jahre Priester sein sollte. […] zur Sühne für meine Sünden und die Sünden der ganzen Welt, besonders für jene, die ich nicht verhindert oder an denen ich gar schuldig bin; zur Bitte um Gnade für mich und alle, die mir lieb und teuer sind. Ich sterbe als katholischer Priester und als Oblate der Unbefleckten Jungfrau Maria, im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen!”
Ludwig Steil (*29. Oktober 1900) Pfarrer in der evangelischen Gemeinde Holsterhausen (in Wanne-Eickel). Gestorben am 17. Januar 1945 in Dachau.
Steil berichtet am 7. Oktober 1944 aus der Haftzelle über einen schweren Luftangriff auf Dortmund: “Gestern abend, Freitag, ab 20 Uhr 30, waren wir eine Stunde in der Hölle oder doch wenigstens im Feuerofen, aber der Heiland war mit drin. Er erhörte unser Flehen. Es ist mir noch wie ein Wunder. Nach dem Angriff, als ringsum alles brannte, konnten wir in den Keller gehen, wo der Qualm nicht mehr so sehr beizte wie oben. Da gab es dann mit vielen Gespräche des Trostes und der Aufrichtung. Gegen Mitternacht waren wir dann wieder oben, lobten Gott und gingen unter dem Knistern der Flammen, dem Stürzen der Mauern, dem Krachen der Zeitzünder zur Ruhe.”
K.A. Groß [Häftling 16921] berichtet in seinem Dachauer Tagebuch: “Pfarrer Steil aus Westfalen tot! Freund Reger erzählte es mir heute in der Dämmerung auf der Blockstraße. Vor kurzem erst eingeliefert, kam er fieberkrank ins Revier. Reger hat ihn noch vor drei Tagen besucht. Da lag er still in seinen Decken, […] Er sagte: >Ich kann mich mit den Russen nicht verständigen, aber ich fühle mich doch nicht allein. Mein Herz ruht ganz im Frieden Gottes.< Das waren seine letzten Worte.”
Alfons Maria Wachsmann (*25. Januar 1896 in Berlin) Pfarrer in Greifswald. Verhaftet am 23. Juni 1943 in Zinnowitz wegen Wehrkraftzersetzung. Hingerichtet am 21. Februar 1944 Brandenburg-Görden.
Aus dem Brief an seine Schwester Maria: “Berlin-Tegel, 23. Dezember 1943. […] Bei mir ist der Rahmen des Festes klar umgrenzt: die Kerkerzelle. So arm wie in diesem Jahr habe ich noch nie an der Krippe gekniet. Mir ist alles abgesprochen: mein Heim, meine Ehre, mein Leben. So will ich an der Krippe dessen knien, der nichts hatte, wohin er sein Haupt legen konnte, der als Freund seines Volkes zum Tode verurteilt wurde, der sein Blut als Trankopfer ausgoss für das Heil seines Volkes und der ganzen Welt. […] Als Gabe trage ich zur Krippe: Hunger und Kälte, Einsamkeit und Verlassenheit. Mein einziger Schmuck sind die blanken Fesseln. So will ich mein Leben […] ihm geben.”
Dietrich Bonhoeffer (*4. Februar 1906 in Breslau), Theologe, Dozent an der Universität Berlin; Glied der evangelischen Bekenntniskirche. Kontakt mit dem Bischof von Chichester, Hilfe für den deutschen Widerstand zu gewinnen. Verhaftet am 5. April 1943. Nach Verschleppung aus der Zelle in der Prinz-Albrecht-Straße in Berlin wird er am 9. April 1945 im KZ Flossenbürg erschossen.
Aus seinen Aufzeichnungen: “Nach zehn Jahren. An der Wende zum Jahr 1943”: “Vom Leiden: Es ist unendlich viel leichter, im Gehorsam gegen einen menschlichen Befehl zu leiden, als in der Freiheit eigenster verantwortlicher Tat. Es ist unendlich viel leichter, in Gemeinschaft zu leiden als in der Einsamkeit. Es ist unendlich viel leichter, öffentlich und unter Ehren zu leiden als abseits und in Schanden. Es ist unendlich viel leichter, durch den Einsatz des leiblichen Lebens zu leiden als durch den Geist. Christus litt in Freiheit, in Einsamkeit, abseits und in Schanden, an Leib und Geist und seither viele Christen mit ihm.”
“Tod: Komm nun, höchstes Fest auf dem Wege zur ewigen Freiheit, Tod, leg nieder beschwerliche Ketten und Mauern unsres vergänglichen Leibes und unsrer verblendeten Seele, dass wir endlich erblicken, was hier uns zu sehen missgönnt ist. Freiheit, dich suchten wir lange in Zucht und in Tat und in Leiden. Sterbend erkennen wir nun im Angesicht Gottes dich selbst.”
Helmuth James Graf von Moltke (*11. März 1907 zu Kreisau in Schlesien), ältester Sohn des Großneffen des Feldmarschalls und einer südafrikanischen Mutter. Er wurde Jurist und bewirtschaftete sein Gut Kreisau. Er war nicht in der Partei und gründete den Kreisauer Kreis, dem schließlich führende Vertreter des Widerstands angehörten. Er sah die deutsche Katastrophe als unabwendbar voraus und wollte das Wiedererstehen des anderen Deutschlands vorbereiten. Im Januar 1944 wurde er verhaftet, weil er einen Freund vor dessen Verhaftung gewarnt hatte. Am 10. Januar 1945 verurteilte der Volksgerichtshof ihn zum Tode. Das Urteil wurde am 23. Januar in Plötzensee vollstreckt.
Bischof Lilje traf mit Moltke im Gefängnis zusammen und berichtet: “Ohne die leiseste Selbsttäuschung über sein wahrscheinliches Ende lebte er in einer heiteren Klarheit der Seele, das leuchtende Beispiel einer ungebeugten Haltung aus dem Glauben.”
Aus Moltkes Brief vom 11. Januar 1945 an seine Frau: “Ich habe ein wenig geweint (nach dem gemeinsamen Abendmahl), eben, nicht traurig, nicht wehmütig, nicht weil ich zurück möchte, nein, sondern vor Dankbarkeit und Erschütterung über diese Dokumentation Gottes. Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber wir müssen sehr erschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen, dass er ein ganzes Leben hindurch am Tage als Wolke und bei Nacht als Feuersäule vor uns hergezogen ist, und dass er uns erlaubt, das plötzlich in einem Augenblick zu sehen.”
Peter Graf Yorck von Wartenburg (*13. November 1904 in Klein-Oels/Schlesien), Regierungsrat. Hingerichtet am 8. August 1944 in Berlin-Plötzensee.
Aus dem Abschiedsbrief an seine Frau (undatiert): “Als wir vom letzten Abendmahl hinweggingen, da fühlte ich eine fast unheimliche Erhabenheit, ich möchte es eigentlich Christusnähe nennen. Rückblickend scheint sie mir als ein Ruf. […] Mein Tod, er wird hoffentlich angenommen als Sühne aller meiner Sünden und als Sühneopfer für das, was wir alle gemeinsam tragen. Die Gottesferne unserer Zeit möge auch zu einem Quentchen durch ihn verringert werden. Auch für meinen Teil sterbe ich den Tod fürs Vaterland. Wenn der Anschein auch sehr ruhmlos, ja schmachvoll ist, – ich gehe aufrecht und ungebeugt diesen letzten Gang, und ich hoffe nur, dass Du darin nicht Hochmut und Verblendung siehst. – Des Lebens Fackel wollten wir entzünden, ein Flammenmeer umgibt uns, welch ein Feuer!”
Alfred Delp S.J. (*15. September 1907 in Mannheim). Als Pater wirkte er gegen die politische Verdorbenheit der Zeit und schloss sich dem Kreisauer Widerstandskreis an. Er wurde am 28. Juli 1944 in München СКАЧАТЬ