Название: Seefahrtserinnerungen – Anthologie
Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783847683988
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(Nach Wolfgang Gerth am 18. Januar 1992 in der Emder Zeitung)
Wieder ein Fritzen-Schiff
Anfang 1954 musterte ich zum zweiten Mal auf einem Fritzen-Schiff an, das auf den Nordseewerken zur Reparatur lag. Es handelte sich um den alten Dampfer „KATHARINA DOROTHEA FRITZEN“, der damals schon 25 Jahre auf dem Buckel hatte. Mit einer Tragfähigkeit von 11.000 Tonnen war der Frachter damals der größte Dampfer ohne Zwischendeck.
Nach Abschluss der Reparaturarbeiten und dem anschließenden Kompensieren im Neuen Hafen übernahm die „KDF“, wie das Schiff allgemein genannt wurde, am Erzkai eine Ladung Schlammkohle, die für ein Gaswerk in Mestre bei Venedig bestimmt war. Von dort verholten wir in Ballast nach Ploce in Jugoslawien. Mit einer primitiven Förderanlage luden wir Erz für Rotterdam. Die Ladung wurde mit einer Art Skilift, an dem etwa alle hundert Meter ein mit Erz beladener Kübel hing, an Bord gebracht und in die Luken gekippt. Die Liegezeit betrug zehn Tage.
Aus dem erfischenden Bad wurde nichts
Von Rotterdam aus ging es in Ballast über den großen Teich nach Wabana, einem reinen Erzverladehafen auf der kanadischen Insel Neufundland. Unterwegs hatten Kapitän Klinger (Emden) und Bootsmann Ernst Maintz aus Leer die Idee, den Laderaum V unter Wasser zu setzen, weil das Schiff nur wenig Ballast nehmen konnte und deshalb bei Schlechtwetter immer fürchterlich rollte oder stampfte. Außerdem lag so die Schiffsschraube tiefer im Wasser und schlug nicht so oft „blind“. Als wir aber eines Tages bei gutem Wetter die Luke öffneten, um darin zu baden, erlebten wir eine böse Überraschung. Aus dem erfrischenden Bad wurde nichts, denn die Bugdielen, der hölzerne Schiffsboden, hatten sich gelöst und schwammen in einer dicken Brühe aus Erz- und Kohlenstaub an der Oberfläche.
In Schweden blühte das Schmuggelgeschäft
Das Wabana-Erz brachten wir nach Emden, wo die „KDF“ anschließend mit Kohle für Stockholm beladen wurde. Auf der Heimreise übernahmen wir in Lulea und auf den nachfolgenden Reisen gelegentlich auch in Gävle und Öxelösund Eisenerz für Emden.
Wir blieben mehrere Monate in diesem Törn, der uns allen sehr zusagte, und das nicht nur, weil wir regelmäßig – meist zum Löschen und Laden – den Heimathafen Emden anliefen, sondern auch wegen der lukrativen Schmuggelgeschäfte in den schwedischen Häfen. In Schweden war damals der Alkohol rationiert. Die Zuteilung beschränkte sich auf eine Flasche pro Mann und Monat. Nicht einmal Bier war davon ausgenommen. Wollten die Svenskas in einem Restaurant eine Flasche Öl (das schwedische Wort für Bier) trinken, war das nur in Verbindung mit einem Imbiss möglich.
Vor allem in Stockholm blühte der Handel mit zollfreien Spirituosen und Zigaretten, wobei letztere weit weniger gefragt waren als die Hochprozentigen. Zwar wurde seitens der Schiffsführung darauf geachtet, dass das Ganze nicht ausuferte, aber ich hatte jede Reise vier Flaschen billigen Weinbrand-Verschnitt und zwei Flachen „Hamburger Vorreiter“ – ein Kümmelschnaps – zur Verfügung, für die ein Hafenarbeiter anstandslos je 40 Kronen – umgerechnet 32 Mark – auf die Back blätterte. Noch größer war die Verdienstspanne beim „Eau de Vie“, den wir an Bord als „Rückwärtsbenzin“ bezeichneten. 24 Mark zahlten die Hafenarbeiter für eine Flasche, die im Freilager noch keine zwei Mark kostete. Das Geschäft lief so gut, dass ich mir schon nach der zweiten Reise in Stockholm eine Lederjacke kaufen konnte.
Für mein Schmuggelgut hatte ich zwei gute Verstecke. Bei beladenem Schiff wurde die Ware in zwei leere Farbeimer im Farbenstore unter der Back verstaut, und auf Ballastreisen leistete eine Pütz, die ich mit einem Fleischhaken an eine Eisensprosse im gefüllten Ballasttank hängte, gute Dienste. Beide Verstecke blieben bis zum Schluss unentdeckt.
Ein Risiko: die „schwarze Gang“
Die ganze Schmuggelei war natürlich mit dem Risiko verbunden, von der „schwarzen Gang“, den Zöllnern mit ihren blauen Overalls, geschnappt zu werden. Die Zollstrafen waren nicht von Pappe. Wenn ich mich recht erinnere, durfte man für eine Flasche Schnaps 250 Kronen löhnen. Im Wiederholungsfalle drohte sogar ein zusätzliches Landgangsverbot.
Meine Fahrzeit auf der KATHARINA DOROTHEA FRITZEN ging Mitte August 1954 zu Ende. Drei Monate später musterte ich auf dem Dampfer „ELIZA NÜBEL“ an.
Die „Emder Dampfercompagnie“ verfügte Anfang der 1960er Jahre über neun Frachter, davon sieben Seeschiffe in weltweiter Trampfahrt. Sie trugen alle den Namen „Emden“ als Heimathafen am Heck, und mehr als 300 Beschäftigte wurden vom Kontor in den oberen Räumen der Commerzbank aus gelenkt. Wilhelm Nübel hatte zusammen mit einem Partner die „Emder Reederei AG“, kurz ERA, 1919 gegründet. Nach einigen Problemen musste die ERA aufgegeben werden, und so wurde dann 1923 die „Emder Dampfercompagnie“ gegründet. Das erste Schiff hieß „RADBOD“. Später kamen die „WITTEKIND“ und die „TAGILA“ hinzu. Als Folge des 2. Weltkrieges gingen alle Schiffe verloren. Das erste Nachkriegsschiff mit 4.170 Tonnen war bei den Emder Nordseewerken gebaut worden und trug den Namen des Reeders „WILHELM NÜBEL“. Die „ELIZA NÜBEL“, 7.800 Tonnen tragend, kaufte man in England. Dieses Schiff machte erstaunliche Reisen. Einmal kam es mit Düngemitteln aus Durban in Südafrika nach Liverpool und musste gleich anschließend Nordostkurs fahren. Vorbei an der Eismeerinsel Nowaja Semlja ging es bis zum sibirischen Strom Jenisei, der vom Baikalsee kommt und 3.800 Kilometer lang ist. Hier fuhr man bis Igarka, um Holz zu holen, was aber nur von Juni bis September möglich ist, dann ist wieder alles vereist. Aber dieses Schiff kam heil zurück, wie alle, die nach dem Krieg unter der „Nübel“-Flagge mit den schräggestreiften Emder Farben fuhren. Bei der Emder Schiffswert Schulte & Bruns ließ man vier weitere Schiffe zwischen 1.280 und 1.600 Tonnen bauen. Das erste vom Stapel laufende Schiff war am 8. Juli 1952 die „BERNI NÜBEL“. Bis in den Anfang der sechziger Jahre wuchs die Flotte. Ab 1969 traten, wie bei anderen Reedereien auch, Probleme durch die internationale Frachtenlage ein, denn die Raten wurden bei ständig steigendem Schiffsraumangebot immer niedriger, und so musste man ein Schiff nach dem anderen verkaufen.
(Nach Wolfgang Gerth am 13. Februar 1992 in der Emder Zeitung)
Von Anfang Oktober 1954 meldete ich mich wieder auf dem „Heuerstall“, wie wir Seeleute die seemännische Heuerstelle in der Brückstraße nannten. Herr Obes war damals der Leiter. Außerdem waren dort Herr Vollrath und Fräulein Behrens beschäftigt. Matrosen wurden gesucht, erfuhr ich. Dagegen hatten Heizer und Trimmer kaum noch Chance, vermittelt zu werden, weil auf deutschen Werften Motorschiffe am laufenden Band vom Stapel liefen und viele Dampfschiffe inzwischen von Kohle- auf Ölfeuerung umgerüstet hatten.
Um bei Kasse zu bleiben und die Wartezeit zu überbrücken, kloppte ich erst einmal Schichten im Emder Hafen. Es СКАЧАТЬ