Название: Seefahrtserinnerungen – Anthologie
Автор: Jürgen Ruszkowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783847683988
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Wir wussten nur, dass das Schiff 9.307 Tonnen Eisenerz für Mobile geladen hatte und am 17. Dezember 1952 in See gestochen war. Das Wetter war schlecht gewesen, wie es zu dieser Jahreszeit üblich war, aber das Schiff war so solide gebaut, dass ihm ein solches Wetter nichts anhaben sollte.
Dieser Rettungsring der MELANIE SCHULTE wurde im Februar 1953 an der schottischen Westküste angespült. Er hängt heute im Emder Seemannsheim
Vier Monate auf der „HERTA ENGELINE FRITZEN“
Ein Teil der Deckscrew der HERTA ENGELINE FRITZEN im Jahre 1953.
Von links nach rechts: Erich Remmers (Leer), Leichtmatrose Wolfgang, Matrose Hans aus Leer, Matrose Egon Honefeld (Emden) sowie ein Jungmann. Im Rettungsring unten: Matrose Karl Scheel (Emden)
Mein nächstes Schiff, die „HERTA ENGELINE FRITZEN“, war ein 10.000-Tonner der „Emden“-Klasse. Im August 1953 musterte ich auf den Nordseewerken an, wo das Schiff damals zu Garantiearbeiten lag. Weil der eigentliche Kapitän Urlaub hatte, führte Reederei-Inspektor Heinrich Looft das Kommando.
Von Emden ging die Reise in Ballast (leeres Schiff) nach Norfolk (USA), wo wir in Charter einer amerikanischen Firma Kohle für Japan an Bord nahmen. Zum ersten Mal fuhr ich durch den Panama-Kanal, der den Atlantik mit dem Pazifik verbindet. Ich kann mich noch daran erinnern, dass das Schiff in den Gatunschleusen durch drei Kammern 26 Meter hoch geschleust wurde. Dabei wurden wir von drei Dieselloks gezogen, die über Zahnradantrieb verfügten, weil es ziemlich steil bergauf ging.
Auf der anderen Seite des Kanals angekommen, nahmen wir Kurs auf Hawaii. In einem kleinen Hafen mit dem schönen Namen Navillivilli wurde Öl nachgebunkert.
Danach ging es nonstop weiter nach Moji auf der japanischen Insel Kiushu. Dort löschten wir einen Teil der Ladung in Schuten. In den Laderäumen schaufelten an die hundert Männer und Frauen die Kohle in Netbrooks, mit Segeltuch ausgekleidete Netze. Diese wurden dann mit unseren Ladebäumen außenbords gehievt. Alle Hafenarbeiter trugen eine Art Turnschuhe, die wie Fausthandschuhe aussahen, weil die große Zehe seinen extra Platz hatte. Ob dieses eigenartige Schuhwerk dafür verantwortlich war, dass einer der japanischen Arbeiter in den Laderaum stürzte und sofort tot war, vermag ich nicht zu sagen.
Japanisches Bier schmeckte nach Chemie
In der Nähe der damals noch völlig zerstörten Stadt Nagasaki löschte die HERTA ENGELINE FRITZEN die restliche Ladung. Yawata hieß der Hafen. Abends gingen wir mit vier Mann an Land; meine Handharmonika nahm ich mit. Wir steuerten die erstbeste Kneipe an. Zuerst wollte man uns gar nicht reinlassen, weil man uns für Amis hielt. Als sie aber merkten, dass wir Deutsche waren, wurden wir herzlich willkommen geheißen und mit allem bewirtet. Am besten schmeckte uns noch der „Sake“, ein Reiswein. Das japanische Bier dagegen, egal ob „Sapporor“, „Asahi“ oder „Kirin“, schmeckte irgendwie nach Chemie. Später kamen noch einige Gäste, die ganz gut deutsch sprachen. Es waren frühere Geheimdienstoffiziere der Marine, für die ich immer wieder das Volkslied „Am Brunnen vor dem Tore“ spielen musste. Dieses Lied machte die Japaner ganz sentimental.
Als das Schiff am anderen Morgen auslief, waren die Laderäume leer, die Postkammer aber bis obenhin vollgestaut mit rund 70 großen Holzkisten, in denen sich wertvolles Porzellan befand. Sie gehörten der Mannschaft, die auf ihrer ersten Japan-Reise die Gelegenheit nutzte, für sich und ihre Angehörigen daheim ein oder gleich mehrere japanische Teeservices zu erwerben. Meine Kollegen und ich besitzen sie noch heute.
Weiter ging die Reise quer über den Pazifik mit Kurs auf die Westküste Kanadas. Unterwegs gab es viel zu tun, denn das Schiff sollte Getreide für Rotterdam und Bremen laden. Als erstes mussten die Laderäume gewaschen und anschließend mit Rappeltuch ausstaffiert werden. Außerdem wurden die Bilgen gereinigt und mit einem Gebläse getrocknet. Beim anschließenden Setzen der Getreideschotten hingen die Brüder Heinz und Karl Scheel aus Emden und ich noch in den Bootsmannsstühlen, wenn das Schiff bei Windstärke 10 heftig rollte. Die einzelnen Schottenplanken mussten in die Schienen bugsiert werden, eine gewiss nicht ungefährliche Arbeit. Aber wir waren damals junge Kerle, und Angst hatten wir nicht.
Zahltag
Als wir drei Wochen später in Prince Rupert in der Nähe von Vancouver einliefen, war die Knüppelarbeit beendet und das Schiff ladebereit. Gleich am ersten Abend war Zahltag. Der amerikanische Charterer, für den wir die Getreideschotten gebaut hatten, war zufrieden mit unserer Arbeit und zahlte jedem Matrosen 240 Dollar bar auf die Hand. Bei einem Umrechnungskurs von 4,50 Mark war das mehr als eine zusätzliche Heuer. Natürlich machten wir auch sofort einen Abstecher an Land. In Erinnerung geblieben sind mir die vielen Holzfäller aus Schweden, Finnland, aber auch aus Bayern, die wir an Land trafen. Sie alle hatten einen Arbeitsvertrag über fünf Jahre.
Moses über Bord
Auf der Heimreise kam es dann noch zu einem Zwischenfall, der aber noch glimpflich ablief. In der Karibik war am helllichten Tag unser Moses über Bord gesprungen. Weil es dort Haie gab, mussten wir ihn möglichst schnell wieder herausholen. Nach dem Ruf „Mann über Bord“ wurde die Maschine gestoppt und das Schiff auf Gegenkurs gebracht und das Steuerbord-Rettungsboot in Rekordzeit zu Wasser gelassen. In ihm befanden sich der 3. Offizier, Bootsmann H. Buss, Jonny Thoben und Karl Scheel. Weil der Moses sich wehrte, hatten die vier ihre liebe Mühe, ihn aus dem Wasser zu ziehen. Anschließend wurde er 19jährige zu seiner eigenen Sicherheit an Bord in Gewahrsam genommen und in Rotterdam an Land gegeben. Nach Rotterdam verholten wir mit der Restladung Weizen zur Rolandmühle in Bremen. Dort ging eine unvergessene Reise zu Ende, die vier Monate gedauert hatte.
Die Reederei Fritzen:
Es war 1919, ein Jahr nach dem 1. Weltkrieg, als der 40jährige Johannes Fritzen keine Lust mehr hatte, nur Angestellter eines Binnenschifffahrtsunternehmens zu sein. Die seit Jahrhunderten in Emden ansässige Familie bestand bis dahin aus Kapitänen und Schiffbauern, nun sollte ein Reeder dabei sein – und das Glück war auf seiner Seite. Zehn Jahre nach der Firmengründung in schwärzester internationaler Wirtschaftskrise zeigten schon rund hunderttausend Tonnen Schiffsraum die blau-weiß-blaue Hausflagge mit dem roten „F“ in der Mitte. Bei Kriegsausbruch 20 Jahre nach der Gründung waren es gar 130.000 tdw – und sechs Jahre später war nichts mehr.
Statt Flotten zu lenken, handelten Johs. Fritzen Sohn mit Wäscheklammern und Kleinstherden oder ließen Kochtöpfe aus Stahlhelmen pressen.
1948 gab es den ersten Silberstreif am Horizont. Der kriegsbeschädigte Dampfer „JÜRGEN FRITZEN“ war repariert, mit 800 BRT nicht eben groß, aber es war ein Anfang. Ein Jahr später holte man vom Grunde des Hamburger Hafens die alte „HERMANN FRITZEN“, lange vor dem ersten Krieg entstanden und einer der letzten so genannten Turret-Decker der Welt. Bei den Emder Nordseewerken wird er überholt und geht an einem strahlenden Sonnentag Ende der vierziger СКАЧАТЬ