Название: Dog Soldiers
Автор: Thomas GAST
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783738089905
isbn:
»Annemarie, Heidi, Waltraud! Wollt ihr unsere Gäste hungern und dursten lassen? Euch mach ich Beine!«
Er reichte mir seine Hand. »Bodenhausen, Ernst Bodenhausen, herzlich willkommen.«
Am Lagerfeuer der Deutschen erfuhren wir, dass es sich bei ihnen nicht etwa um Goldgräber handelte, wie ich es fälschlicherweise zunächst vermutet hatte, sondern lediglich um Siedler. Ernst Bodenhausen war Arzt, und er hatte die feste Absicht, sich dort niederzulassen, wo seine Hilfe am nötigsten gebraucht wurde, und das war seiner Meinung nach dort, wo Wohlstand herrschen würde. Anders ausgedrückt meinte er die Orte, an denen man Gold fand. Während er erzählte, beobachtete ich heimlich die Männer und Frauen, die uns umgaben. Ich zählte neun Männer, denen ich zutraute eine Waffe zu ergreifen und auch abzufeuern, doch wenn man Kenneth, Julius, Paul, Phillip und mich hinzuzählte, waren wir, so dachte ich, eine doch ziemlich schlagkräftige kleine Armee, mit der sich niemand einfach so mir nichts, dir nichts anlegen würde. Die Tatsache, die uns schließlich dennoch dazu bewegte, uns für die Schutztruppe, von der Lebœuf gesprochen hatte, zu entscheiden, war, dass wir wieder einmal konsterniert feststellten, dass keiner von uns eine wirkliche Ahnung vom Orientieren hatte. Wir konnten grob mit dem Kompass umgehen, doch das allein würde nicht genügen. Wir mussten verschneite Pässe überqueren, uns in einer unbekannten Landschaft und eventuell inmitten einer Population bewegen, die uns nicht sonderlich freundlich gesinnt sein würde und wo ein Irrtum in der Abschätzung zwischen Hinterlist oder Freundschaft den Tod bedeuten konnte.
Oh ja, ein Ziel hatten wir alle, doch wollten wir diesen Ambitionen auch die Chance geben sich zu verwirklichen, und nicht aus falschem Stolz oder aus Dummheit heraus diese Chance schon im Ansatz auf ein Minimum reduzieren. Ernst Bodenhausen und ich trafen Lebœuf wie zufällig am nächsten Tag.
Dieser schien zunächst überrascht. Bevor wir jedoch auch nur ein Wort sagen konnten, winkte er bereits ab. Arroganz schwang in seiner Stimme, als er selbstgefällig sagte: »Sie haben eine gute Wahl getroffen. Ich bin aber nicht billig, das sage ich Ihnen gleich.«
»Ich?« Jetzt war ich es, der überrascht war. »Sie sprachen gestern von einer ganzen Truppe.«
Der Franzose lachte und zeigte eine Reihe vom Tabak gelblich verfärbter Zähne.
»Keine Sorge. Es gibt niemanden, der dieses Land da oben besser kennt als ich, die Injuns nicht ausgenommen.«
Dann sah er mir direkt in die Augen und sagte genau den Satz, den ich am Tag vorher gedacht hatte.
»Sie haben genug Leute, die ’ne Waffe tragen können. Niemand wird so dumm sein und mir nichts, dir nichts eine so schlagkräftige Truppe angreifen, compris?«
Ich hatte verstanden, konnte seiner Logik dennoch nicht ganz folgen, denn Lebœuf war alles andere als ein Dummkopf. Er hatte bei unserem ersten Treffen von einer ganzen Schutztruppe gesprochen und dies auch so gemeint, da war ich mir ganz sicher. Warum hatte er seine Meinung so plötzlich geändert?
Ernst nahm mich einen Augenblick beiseite.
»Er hat Recht. Was wir benötigen, ist ein Führer und keine Armee. Wir haben dank euch genug Waffen, wir haben das Herz am richtigen Fleck und den Mut derer, die nichts zu verlieren haben. Was kann da schon schiefgehen? Also von mir aus ... geben wir dem Franzosen doch seine Chance!«
Ich nickte in Lebœufs Richtung und zeigte vage nach Nordwesten.
»Was verlangen Sie dafür, uns dorthin zu bringen?«
Auf der Chippewa
An einem herrlichen Morgen im Februar des Jahres 1860 schifften wir auf der Chippewa, einem Dampfboot der American Fur Company, ein. Im Hafen drängten sich Dutzende von Schaulustigen. Hüte und Taschentücher in den Händen schwingend sahen sie, wie eine dicke Rauchwolke nach der anderen den beiden vorderen Kaminen der Chippewa entwich, wo sie kerzengerade nach oben stiegen und sich irgendwo am azurblauen Himmel im Nichts auflösten. Der Kapitän, ein streng dreinblickender Mann im besten Alter, sah von der Brücke müßig auf uns herab. Ihm war es sichtlich egal, wen er wohin beförderte, solange er nur die Münzen in der Kasse klingeln hörte. Was ihm nicht egal schien, war sein Steamer, die Chippewa, die außer uns und unserem Hab und Gut noch große Mengen von Alkohol und Schwarzpulver beförderte, wie ich später erfahren sollte. Für die tapferen Frauen und Männer in den Forts, wie der Pilot des Steamers schmunzelnd immer wieder betonte. Ich ertappte ihn während der Reise dennoch mehrmals dabei, wie er mit sorgenvoller Miene zu den Depots hinüberschielte, in denen das gefährliche Pulver lagerte, und ehrlich gesagt, auch mir war das nicht ganz geheuer. Ein Funke würde genügen, um uns alle ins Grab zu schicken, auf den schlammigen Grund des Missouri in diesem Fall. Die Reise auf der Chippewa war ansonsten ein einziges Abenteuer. Der Missouri, an vielen Stellen reißend und Erde und Schlamm mit sich führend, war gewaltig. Oft kamen wir an kilometerlangen ockerfarbenen Sandbänken vorbei. Weites Land mit sanften Hügeln erstreckte sich vor unseren Augen bis zum Horizont, wo hohe Gebirgszüge in der klaren vor Kälte flirrenden Luft sichtbar waren. Links und rechts am Ufer kam es nicht selten vor, dass Büffel, die den Fluss überqueren wollten, uns den Weg versperrten. Bei einer solchen Gelegenheit ließ es sich der Kapitän nicht nehmen, das Boot kurzum zu stoppen, nur um höchstpersönlich drei oder vier Büffel zu erlegen. Lagen die Büffel dann tot am Ufer, schickte er einen Trupp hinaus, der nur das kostbarste Fleisch aus den Rümpfen schnitt, die Lende und ein ganz spezielles Stück vom Hinterschinken, den Rest aber einfach liegen ließ, woraufhin schon bald Schakale und Wölfe gierig darüber herfielen. Auch Indianer sahen wir. Diese hielten jedoch respektvollen Abstand. Warum, das sollte ich in einem Gespräch mit Lebœuf erfahren. Ich stand gerade auf dem verschneiten Deck und starrte mit größtem Interesse zu einer Gruppe Indianer hinüber, die ängstlich, aber auch voller Neugierde das Boot betrachtete.
Lebœuf hatte sich mir genähert, ohne sich durch einen einzigen Laut zu verraten. Er stand ganz plötzlich neben mir.
»Pocken! Sie haben Angst vor den Pocken.«
Ich erschrak heftig, worauf Lebœuf lachte.
»Nun ja. 1838 wurden die Blackfeet von den Pocken dezimiert, doch nicht nur sie. Auch die Crees und Assiniboin. Die Krankheit ist ausgebrochen, nachdem sie einem Dampfboot wie diesem einen Besuch abgestattet hatten. Deswegen ihre Angst.«
Nickend zog ich von dannen. Ich war geschockt. Nicht etwa von dem, was Lebœuf mir über die Indianer erzählt hatte, sondern von der Tatsache, dass er so plötzlich wie ein Schatten neben mir aufgetaucht war. Er hätte mich töten können, ohne dass ich je erfahren hätte, von wem und woher die Gefahr gekommen war. Das zeigte mir eindrucksvoller, als mir lieb war, dass ich ein verdammtes Greenhorn war, wie Debütanten und Stadtmenschen hier genannt werden. Unerfahren, schwach, verletzbar, und das wiederum gefiel mir nicht, machte mich wütend auf mich selbst. Wenn es nur irgend ging, hielt ich mich von Lebœuf fern, denn von ihm ging eine Bedrohung aus, die ich nicht in der Lage war genauer zu beschreiben.
Am vierten Tag auf der Chippewa kam es zu einem Vorfall, mit dem niemand gerechnet hatte, ich am allerwenigsten. Wir saßen bei sonnigem Wetter auf klobigen Holzbänken. Diese waren auf dem ersten Deck um eine aus Brettern gezimmerte Tanzfläche gruppiert. Am Rande spielte ein Trio einen langsamen Walzer, wenn man das Geplänkel, das sie zustande brachten, so nennen mochte. Es war ein feuchtfröhlicher Nachmittag und die Chippewa glitt langsam schlingernd Richtung Westen, der untergehenden Sonne entgegen. Es war kühl, doch die Getränke heizten allen mächtig ein, erhitzten auch die Gemüter. Lebœuf war betrunken, was man ihm jedoch kaum ansah, denn er hatte sich sehr gut unter Kontrolle.
»Und wenn alles klappt, ziehen wir von Fort Benton hinauf bis nach Helena. Das sind СКАЧАТЬ