Ut oler Welt - Volksmärchen, Sagen, Volkslieder und Reime - 150 Seiten. Вильгельм Буш
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СКАЧАТЬ da die Glocke gerade Zwölf

       schlug, fuhr die Prinzessin aus ihrem Sarge, packte

       die Wache, drehte ihr den Hals um und warf sie in ein

       finsteres Gewölbe, das da unter der Kirche war. Sobald

       aber die Glocke Eins schlug, mußte sie wieder in

       ihren Sarg hinein. In der zweiten Nacht ging es ebenso.

       Als die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter

       aus ihrem Sarge, drehte der Wache den Hals

       um und warf sie in das Gewölbe, das unter der Kirche

       war. In jeder folgenden Nacht ging es ebenso; jeden

       Morgen war die Wache verschwunden und kein

       Mensch wußte, wo sie geblieben war. Nun wollte zuletzt

       keiner mehr bei der Königstochter wachen. Da

       ließ der König im ganzen Lande bekannt machen: wer

       seine Tochter erlösen könnte, der sollte sie zur Frau

       haben und König werden.

       Nun war da ein junger Schäfer mit gelben Haaren,

       der hieß Jakob, der reiste nach der Königsstadt und

       ließ sich anstellen als Wache bei dem Sarge der Prinzessin.

       In der ersten Nacht, da es kurz vor Zwölfe war

       und der Schäfer daran dachte, daß die andern Wachen

       alle so sonderbar verschwunden waren, da ward er

       bange und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter

       ihm her: »Jakob, geh nicht fort, du kannst mich erlösen,

       wenn du drei Nächte hintereinander an meinem

       Sarge wachst.« Da kehrte der Schäfer wieder um und

       versteckte sich unter den Sarg der Prinzessin. Als nun

       die Glocke Zwölf schlug, fuhr die Königstochter aus

       ihrem Sarge und suchte die ganze Kirche durch; in

       dem Augenblick aber, wo sie an den Sarg kam und

       den Schäfer eben fassen wollte, schlug die Glocke gerade

       Eins; da mußte sie wieder in ihren Sarg hinein.

       In der zweiten Nacht, da es wieder bald Zwölfe war

       und der Schäfer daran dachte, daß es ihm auch ergehen

       könnte wie den andern Wachen, da ward er bange

       und wollte weglaufen. Da rief eine Stimme hinter ihm

       her: »Jakob, geh nicht fort; du kannst mich erlösen.«

       Als der Schäfer das hörte, kehrte er wieder um und

       versteckte sich in das Gewölbe, wo die Leichen der

       früheren Wachen lagen. Er beschmierte sich Gesicht

       und Hände ganz mit Blut, deckte einige der Toten

       über sich und verhielt sich so ruhig, als ob er auch

       eine Leiche wäre. Als nun die Glocke Zwölf schlug,

       fuhr die Königstochter wieder aus ihrem Sarge, durchsuchte

       die ganze Kirche und kam auch zuletzt in das

       Gewölbe, wo der Schäfer unter den Leichen lag.

       »Dem die Füße warm sind, der ist's!« rief sie und tastete

       zwischen den Leichen herum. Schon war sie dem

       Schäfer ganz nahe, das Blut gerann ihm in den Adern,

       da schlug die Glocke Eins. Nun mußte die Prinzessin

       wieder zurück in ihren Sarg. – Am andern Morgen

       kam der König mit seinem ganzen Hofstaate in die

       Kirche, um nach dem Schäfer zu sehen, und als sie

       das viele Blut in seinem Gesicht und an seinen Händen

       sahen, erschraken sie und meinten nicht anders,

       denn es sei ihm ein Leid widerfahren. Jakob aber

       sprach: »Wisset, daß ich gesonnen bin, auch noch die

       dritte Nacht Wache zu halten; Morgen früh Glocke

       Sechs, da kommt mit Pauken und Trompeten und der

       ganzen Musik, denn entweder bin ich todt oder die

       Prinzessin ist erlöst.« Das mußte ihm der König versprechen.

       Kurz vor Zwölfe in der Nacht kroch der Schäfer

       unter den Sarg der Prinzessin, und als sie nun mit

       dem Schlage Zwölf herausfuhr, legte sich der Schäfer

       schnell selber in den Sarg hinein. Nun suchte die

       Prinzessin die ganze Kirche durch; als sie aber zuletzt

       auch an den Sarg kam, da schlug die Glocke Eins. In

       demselben Augenblick fing die Prinzessin an zu sprechen

       und sagte: »Jakob, ich danke dir viel tausend

       Mal; du hast mich nun erlöst.« Von Stund an begann

       sie auch allmählich weiß zu werden, und Morgens

       Glock sechs stand sie da in voller Schönheit und weiß

       wie zuvor. Da kamen auch der König und die Königin

       mit ihrem ganzen Hofstaate und vielem Volk, mit

       Pauken und Trompeten und voller Musik; und als nun

       Jakob mit der Prinzessin an der Hand aus der Kirche

       trat, da rief alles Volk: »Vivat, unser König Jakob!«

       und wollte des Jubilierens kein Ende werden.

       3. Das Öl der Zwerge.

       Es ist einmal eine Hebamme gewesen, zu der kam in

       der Nacht ein kleines Männlein mit einer Laterne und

       forderte sie auf, eilig mit ihm zu gehen. Sie nahm

       ihren Mantel über und folgte dem Zwerge, welcher

       über Feld und Wiesen voranschritt bis zu einem Wasser,

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