Die Leute von Seldwyla. Gottfried Keller
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Название: Die Leute von Seldwyla

Автор: Gottfried Keller

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754179000

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СКАЧАТЬ sah oder anhören mußte, wie sie ihm die Tugenden der übrigen entgegenhielt, die er eiligst anerkannte und bestätigte.

      Aber dies war ein strenges Leben für die armen Kammacher; so kühl sie von Gemüt waren, gab es doch, seit einmal ein Weib im Spiele, ganz ungewohnte Erregungen der Eifersucht, der Besorgnis, der Furcht und der Hoffnung; sie rieben sich in Arbeit und Sparsamkeit beinahe auf und magerten sichtlich ab; sie wurden schwermütig, und während sie vor den Leuten und besonders bei Züs sich der friedlichsten Beredsamkeit beflissen, sprachen sie, wenn sie zusammen bei der Arbeit oder in ihrer Schlafkammer saßen, kaum ein Wort miteinander und legten sich seufzend in ihr gemeinschaftliches Bett, noch immer so still und verträglich wie drei Bleistifte. Ein und derselbe Traum schwebte allnächtlich über dem Kleeblatt, bis er einst so lebendig wurde, daß Jobst an der Wand sich herumwarf und den Dietrich anstieß; Dietrich fuhr zurück und stieß den Fridolin, und nun brach in den schlummertrunkenen Gesellen ein wilder Groll aus und in dem Bette der schreckbarste Kampf, indem sie während drei Minuten sich so heftig mit den Füßen stießen, traten und ausschlugen, daß alle sechs Beine sich ineinander verwickelten und der ganze Knäuel unter furchtbarem Geschrei aus dem Bette purzelte. Sie glaubten, völlig erwachend, der Teufel wolle sie holen, oder es seien Räuber in die Kammer gebrochen; sie sprangen schreiend auf, Jobst stellte sich auf seinen Stein, Fridolin eiligst auf seinen und Dietrich auf denjenigen, unter welchem sich bereits auch seine kleine Ersparnis angesetzt hatte, und indem sie so in einem Dreieck standen, zitterten und mit den Armen vor sich hin in die Luft schlugen, schrien sie Zeter Mordio und riefen: Geh fort! Geh fort!" bis der erschreckte Meister in die Kammer drang und die tollen Gesellen beruhigte. Zitternd vor Furcht, Groll und Scham zugleich krochen sie endlich wieder ins Bett und lagen lautlos nebeneinander bis zum Morgen. Aber der nächtliche Spuk war nur ein Vorspiel gewesen eines größeren Schreckens, der sie jetzt erwartete, als der Meister ihnen beim Frühstück eröffnete, daß er nicht mehr drei Arbeiter brauchen könne und daher zwei von ihnen wandern müßten. Sie hatten nämlich des Guten zu viel getan und so viel Ware zuweg gebracht, daß ein Teil davon liegen blieb, indes der Meister den vermehrten Erwerb dazu verwendet hatte, das Geschäft, als es auf dem Gipfelpunkt stand, um so rascher rückwärts zu bringen, und ein solch lustiges Leben führte, daß er bald doppelt soviel Schulden hatte, als er einnahm. Daher waren ihm die Gesellen, so fleißig und enthaltsam sie auch waren, plötzlich eine überflüssige Last. Er sagte ihnen zum Trost, daß sie ihm alle drei gleich lieb und wert wären und es ihnen überließe, unter sich auszumachen, welcher dableiben und welche wandern sollten. Aber sie machten nichts aus, sondern standen da bleich wie der Tod und lächelten einer den andern an; dann gerieten sie in eine furchtbare Aufregung, da dies die verhängnisvollste Stunde war; denn die Ankündigung des Meisters war ein sicheres Zeichen, daß er es nicht lange mehr treiben und das Kammfabrikchen endlich wieder käuflich würde. Also war das Ziel, nach dem sie alle gestrebt, nahe und glänzte wie ein himmlisches Jerusalem, und zwei sollten vor den Toren desselben umkehren und ihm den Rücken wenden. Ohne alle fürdere Rücksicht erklärte jeder, dableiben zu wollen, und wenn er ganz umsonst arbeiten müsse. Der Meister konnte aber auch dies nicht brauchen und versicherte sie, daß zwei von ihnen jedenfalls gehen müßten; sie fielen ihm zu Füßen, sie rangen die Hände, sie beschworen ihn und jeder bat insbesondere für sich, daß er ihn behalten möchte, nur noch zwei Monate, nur noch vier Wochen: Allein er wußte wohl, worauf sie spekulierten, ärgerte sich darüber und machte sich über sie lustig, indem er plötzlich einen spaßhaften Ausweg vorschlug, wie sie die Sache entscheiden sollten. Wenn ihr euch durchaus nicht einigen könnt," sagte er, welche von euch den Abschied wollen, so will ich euch die Weise angeben, wie ihr die Sache entscheidet, und so soll es dann sein und bleiben! Morgen ist Sonntag, da zahle ich euch aus, ihr packt euer Felleisen, ergreift euren Stab und wandert alle drei einträchtiglich zum Tore hinaus, eine gute halbe Stünde weit, auf welche Seite ihr wollt. Alsdann ruhet ihr euch aus und könnt auch einen Schoppen trinken, wenn ihr mögt, und habt ihr das getan, so wandert ihr wieder in die Stadt herein, und welcher dann der erste sein wird, der mich von neuem um Arbeit anspricht, den werde ich behalten; die anderen aber werden unausbleiblich gehen, wo es ihnen beliebt!" Sie fielen ihm abermals zu Füßen und baten ihn, von diesem grausamen Vorhaben abzustehen, aber umsonst; er blieb fest und unerbittlich. Unversehens sprang der Schwabe auf und rannte wie besessen zum Hause hinaus und zu Züs Bünzlin hinüber; kaum gewahrten dies Jobst und der Bayer, so unterbrachen sie ihr Lamentieren und rannten ihm nach, und die verzweifelte Szene war alsobald in die Wohnung der erschrockenen Jungfrau verlegt.

      Diese war sehr betroffen und bewegt durch das unerwartete Abenteuer; doch faßte sie sich zuerst, und die Lage der Dinge überschauend, beschloß sie, ihr eigenes Schicksal an des Meisters wunderlichen Einfall zu knüpfen, und betrachtete diesen als eine höhere Eingebung; sie holte gerührt ein Schatzkästlein hervor und stach mit einer Nadel zwischen die Blätter, und der Spruch, welchen sie aufschlug, handelte vom unentwegten Verfolgen eines guten Zieles. Sodann ließ sie die aufgeregten Gesellen aufschlagen, und alles, was diese aufschlugen, handelte vom eifrigen Wandel auf dem schmalen Wege, vom Vorwärtsgehen ohne Rückschauen, von einer Laufbahn, kurz vom Laufen und Rennen aller Art, so daß der morgende Wettlauf deutlich vom Himmel vorgeschrieben schien. Da sie aber befürchtete, daß Dietrich als der Jüngste leicht am besten springen und die Palme erringen könnte, beschloß sie, selbst mit den drei Liebhabern auszuziehen und zu sehen, was etwa zu ihrem Vorteil zu machen wäre; denn sie wünschte, daß nur einer der zwei Älteren Sieger würde, und es war ihr ganz gleichgültig, welcher. Sie befahl daher den Wehklagenden und sich Bezankenden Ruhe und Ergebung und sagte: Wisset, meine Freunde, daß nichts ohne Bedeutung geschieht, und so merkwürdig und ungewöhnlich die Zumutung eures Meisters ist, so müssen wir sie doch als eine Fügung ansehen und uns mit einer höheren Weisheit, von welcher der mutwillige Mann nichts ahnt, dieser jähen Entscheidung unterwerfen. Unser friedliches und verständiges Zusammenleben ist zu schön gewesen, als daß es noch lange so erbaulich stattfinden könnte; denn ach! Alles Schöne und Ersprießliche ist ja so vergänglich und vorübergehend, und nichts besteht in die Länge als das Übel, das Hartnäckige und die Einsamkeit der Seele, die wir alsdann mit unserer frommen Vernünftigkeit betrachten und beobachten. Daher wollen wir, ehe sich etwa ein böser Dämon des Zwiespaltes unter uns erhebt, uns lieber vorher freiwillig trennen und auseinanderscheiden wie die lieben Frühlingslüftlein, wenn sie ihren eilenden Lauf am Himmel nehmen, ehe wir auseinanderfahren wie der Sturmwind des Herbstes. Ich selbst will euch hinausbegleiten auf dem schweren Wege und zugegen sein, wenn ihr den Prüfungslauf antretet, damit ihr einen fröhlichen Mut fasset und einen schönen Antrieb hinter euch habt, während vor euch das Ziel des Sieges winkt. Aber so wie der Sieger sich seines Glückes nicht überheben wird, so sollen die, welche unterliegen, nicht verzagen und keinen Gram oder Groll von dannen nehmen, sondern unsers liebevollen Andenkens gewärtig sein und als vergnügte Wanderjünglinge in die weite Welt ziehen; denn die Menschen haben viele Städte gebauet, welche so schön oder noch schöner sind wie Seldwyla; Rom ist eine große, merkwürdige Stadt, allwo der heilige Vater wohnt, und Paris ist eine gar mächtige Stadt mit vielen Seelen und herrlichen Palästen, und in Konstantinopel herrscht der Sultan, von türkischem Glauben, und Lissabon, welches einst durch ein Erdbeben verschüttet ward, ist desto schöner wieder aufgebaut worden. Wien ist die Hauptstadt von Osterreich und die Kaiserstadt genannt, und London ist die reichste Stadt der Welt, in Engelland gelegen, an einem Fluß, der die Themse benannt wird. Zwei Millionen Menschen wohnen da! Petersburg aber ist die Haupt- und Residenzstadt von Rußland, so wie Neapel die Hauptstadt des Königreiches gleichen Namens, mit dem feuerspeienden Berg Vesuvius, auf welchem einst einem englischen Schiffshauptmann eine verdammte Seele erschienen ist, wie ich in einer merkwürdigen Reisebeschreibung gelesen habe, welche Seele einem gewissen John Smidt angehöret, der vor hundertundfünfzig Jahren ein gottloser Mann gewesen und nun besagtem Hauptmann einen Auftrag erteilte an seine Nachkommen in England, damit er erlöst würde; denn der ganze Feuerberg ist ein Aufenthalt der Verdammten, wie auch in des gelehrten Peter Haslers Traktatus über die mutmaßliche Gelegenheit der Hölle zu lesen ist. Noch viele andere Städte gibt es, wovon ich nur noch Mailand, Venedig, das ganz im Wasser gebaut ist, Lyon, Marseilingen, Straßburg, Köllen und Amsterdam nennen will; Paris hab' ich schon gesagt, aber noch nicht Nürnberg, Augsburg und Frankfurt, Basel, Bern und Genf, alles schöne Städte, sowie das schöne Zürich, und weiterhin noch eine Menge, mit deren Aufzählung ich nicht fertig würde. Denn alles hat seine Grenzen, nur nicht СКАЧАТЬ