Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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СКАЧАТЬ den Grad der Unsittlichkeit im 15. Jahrhundert richtig zu beurteilen; aber das übereinstimmende Urteil vieler gebildeter, denkender Menschen muss doch als Beweis für einen erschreckenden Verfall gelten. Unter vielen seien nur einige Äußerungen angeführt. Um die Mitte des Jahrhunderts zählte Nikolaus von Cusa als unheilvolle Zeichen auf: die zentrifugale Tendenz, die Ehrfurchtlosigkeit der Gehorchenden, dass der Gemeinsinn der Privatgier Platz gemacht habe, kurz die Herrschaft des Antichrist. Einige Jahrzehnte später schrieb der Humanist Beatus Rhenanus: „Was gilt uns heute noch heilig, uns, den Christen, die wir zu innerer Beschämung gestehen müssen, dass unsere heidnischen Vorfahren weit besser waren als wir? Wir bringen es über uns, über jede Schandtat zu lachen, wir finden für alles, was wir heutzutage treiben, eine Rechtfertigung im Zeitgeist: er muss Unsittlichkeiten empörendster Art, er muss Trunksucht entschuldigen. Der Zeitgeist muss als Deckmantel dienen für diejenigen jungen Leute, welche als Reisläufer ein leichtsinniges Lasterleben führen, für die Unersättlichen, welche in gieriger Gewinnsucht nie genug zusammenscharren können, für die habsüchtigen Geistlichen, welche Pfründen auf Pfründen häufen und doch nie zufrieden sind.“

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      Beatus Rhenanus (eigentlich „Beat Bild“; * 22. August 1485 in Schlettstadt; † 20. Juli 1547 in Straßburg) war ein deutscher Humanist und Philologe, der aus der Schlettstädter Schule hervorging. Die Familie von Beatus Rhenanus stammte aus Rheinau im Unterelsass (daher sein nach Humanistenmanier latinisierter Name).

       Und in dem früher angeführten Brief von Sebastian Brant heißt es: „Lange habe ich des Reiches Geschick beklagt; fast habe ich für dasselbe keine Tränen mehr, denn ich sehe, dass alles nach einer eisernen Notwendigkeit geschieht. Was ich vor langer Zeit über die verkehrte Ordnung in der Welt geschrieben und geweissagt habe, das ist leider eingetroffen: alles ist Zwietracht, kein Gesetz, keine Freundschaft mehr in der Welt! Alle wüten gegeneinander wie Löwen und Wölfe!“

      * * *

      Ritter

       Ritter

      Noch immer erinnerten die Formalitäten, mit denen die Ritter eingekleidet wurden, an das Ideal, dem sie dienen sollten. Die Kunst stellte mit Vorliebe den Ritter Sankt Georg dar, ihren Patron, wie er den Drachen bekämpft, das Symbol des Bösen.

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      Die berühmten Holzgruppen der Lübecker Bernt Notke und Henning von der Heide zeigen im Hintergrund die Jungfrau, die der Held errettet gemäß der Ritterpflicht, bedrängten Frauen, Witwen und Waisen beizustehen.

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      Bernt Notke – vermutetes Selbstporträt in der zerstörten Gregorsmesse Bernt Notke (* um 1435 in Lassan; † Anfang – vor dem 12. Mai – 1509 in Lübeck)

      Henning von der Heyde (auch van der Heide; * vor 1487; † nach 1520) war ein deutscher Bildschnitzer und Maler. Leben Henning von der Heyde ist für Lübeck für den vorgenannten Zeitraum urkundlich, auch durch Grundbesitz nachgewiesen.

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      In diesen gerüsteten Gestalten vereinen sich Mut und Kraft des Kämpfers mit der strahlenden Sicherheit des Götterboten. Über der phantastischen Scheußlichkeit des Drachen flammt er ohne Makel. Auf den Grabsteinen in den Kirchen sehen wir die irdischen Ritter in Erz und Stein, bald die Hand am Schwert, bald die Hände zum Gebet gefaltet, bald jugendlich schlank, bald breit und gelassen. Sie scheinen bereit, vor ihren himmlischen Herrn zu treten mit dem Bewusstsein, oft gefehlt, aber ehrlich gestrebt zu haben.

       Diese Verherrlichung des Rittertums durch die Kunst entstand zu einer Zeit, als ein großer Teil der Ritterschaft zu Schnapphähnen geworden war, die ihrer Armut durch Beraubung reisender Kaufleute abzuhelfen suchten, die nicht Witwen und Waisen beschützten, sondern die Frauen in Dorf und Stadt zu Witwen und Waisen machten. Es waren Leute von abgefeimter Roheit darunter, die nicht einmal das Flehen ihrer Opfer erhörten, wenn sie baten, ihnen die linke statt der rechten Hand abzuhauen. So waren nicht alle; aber auch die Besseren und Besten hielten sich auch nach Abschaffung des Fehderechtes noch für befugt, sich seiner zu bedienen, was sie vor sich selber damit rechtfertigen mochten, dass die Gerichte mangelhaft wären und dass die Fürsten nach Belieben Krieg führten. Wenn einem selbst Anlass zur Fehde fehlte, erkundete man Leute mit irgendwelchen Ansprüchen, die auf dem Rechtswege nicht befriedigt worden waren, und trieb sie mit Waffengewalt ein. Mit Vorliebe befehdeten die Ritter Städte, deren Kaufleute sie dann überfallen und plündern konnten, wenn der erschreckte Magistrat sich nicht sofort mit einer großen Summe loskaufte. Auf diese Weise konnte man sich bereichern und zugleich die verhassten Stände der Städte und Fürsten schädigen.

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      Silvester von Schaumberg, auch Sylvester Knoch (* zwischen 1466 und 1471; † 29. Juni 1534) war Reichsritter und Amtmann von Münnerstadt, Veldenstein und Parkstein.

      Silvester von Schaumberg, ein sehr angesehener fränkischer Ritter, sagte einmal dem Bischof von Bamberg Fehde an, weil er wichtige geistliche Stellen an Schusters- und Schneiderssöhne und andere hergelaufene Leute vergeben habe zu Schmach und Schaden der Ritterschaft, die diese Stellen für sich in Anspruch nahm, weil sie von ihren Vorfahren gestiftet wären. Die Bischöfe von Würzburg und Bamberg waren dem Angriff der fränkischen Ritterschaft besonders ausgesetzt. Die Gefahr war groß, weil alle zusammenzuhalten pflegten und ihrer sehr viele waren. Herzog Ulrich von Württemberg soll nach der Ermordung des Hans von Hutten über fünfhundert Fehdeansagen erhalten haben.

      Die Lage des Ritterstandes war ein allgemeines Übel und Problem, das viele Reichstage beschäftigte. Sie waren die Arbeitslosen und Anarchisten jener Zeit, Arbeitslose, für die es eine standesgemäße Arbeit zu finden galt. Durch bürgerliche Arbeit hätten sie geglaubt, sich zu erniedrigen; aber auch die Bürger hätten das als einen Eingriff in ihre Rechte beanstandet. Eins blieb dem Ritter übrig, als Rat oder hoher Beamter in den Dienst von Städten oder Fürsten zu treten. Viele taten das und kamen auf diesem Wege zu gesichertem Einkommen und Ansehen; aber andere sahen darin eine Demütigung oder steiften sich auf ihren ritterlichen Beruf, der Studium und Federfuchserei nicht gestatte.

       Der natürliche Stützpunkt der Reichsritter war der Kaiser. Sie hatten ein Interesse daran, seine Macht zu stärken, wie er, sich ihrer gegen die Fürsten bedienen zu können. Verschiedentlich hatten Kaiser versucht, diesen abgesplitterten Stand, der sich nirgends mehr angliedern konnte und wollte, zu erneuern und sich enger zu verbinden, so Siegmund und Maximilian I., beide allerdings vergeblich. Die Bemühungen Maximilians scheiterten daran, dass die Ritter nicht auf die Bedingung eingingen, es solle jeder mit vollendetem 18. Lebensjahr gewissen Gerichtshauptleuten, die der Kaiser setzen würde, sich eidlich verpflichten, keinen Straßenraub zu begehen. Nicht dass nicht viele Ritter den Straßenraub missbilligten; aber erstens sahen sie die Fehde nicht für Straßenraub an, und sodann zweifelten sie, und vielleicht mit Recht, ob das neue Recht, welches der Kaiser ihnen verleihen wollte, sie gegen die Fürsten genügend sicherstellen würde. Sie antworteten dem Kaiser, sie wollten bei dem alten Herkommen bleiben. Auf diesem unfruchtbaren Standpunkt erstarrten sie. Lieber als durch Reichstagsbeschlüsse zu irgendeiner Steuer verpflichtet zu werden, entbehrten sie des Rechtes der Teilnahme an den Reichstagen. Um nicht besteuert zu werden, lehnten sie zur Zeit der Kämpfe um die Reichsreform den Gemeinen Pfennig ab, der die Macht des Kaisers gestärkt hätte, des einzigen, der sie gegen die Fürsten schützen konnte. Grollend saßen sie auf ihren Burgen, verzehrten die knappen Einkünfte, die ihre Untertanen ihnen lieferten, und hielten sich für die von aller Welt Gekränkten. Im СКАЧАТЬ