Ricarda Huch: Deutsche Geschichte 2 Zeitalter der Glauben-Spaltung - Band 2 - bei Jürgen Ruszkowski. Ricarda Huch
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СКАЧАТЬ das sei ein ärgeres Verbrechen als alle Untaten der Türken. Nicht auf das Geld komme es an: das Unerträgliche sei, dass der Satan sich in den Engel des Lichtes verstelle, dass in den Becher der Frömmigkeit Gift gespritzt werde, dass das Volk, im Glauben, gottgefällig zu handeln, der Habsucht opfere, die die Mutter der falschen Religion sei. „Den Türken wollt ihr schlagen? Ich billige eure Absicht, aber ich fürchte sehr, ihr irrt euch im Namen. Sucht ihn nicht in Asien, sucht ihn in Italien. Gegen den asiatischen kann jeder Fürst sich selbst wehren, den anderen zu bändigen reicht die ganze christliche Welt nicht aus. Jener liegt mit seinen Nachbarn ab und zu im Kampf und hat uns noch nicht geschadet, dieser wütet überall und dürstet nach dem Blut der Armen, diesen Höllenhund könnt ihr auf keine andere Art als mit einem goldenen Strom beschwichtigen.“ Ebenso scharf war die Denkschrift des Bischofs von Lüttich, eines Grafen von der Mark. „Von der Hölle aus ging eines der ärgsten Tiere“, hieß es darin, „die Geldgier, die Wurzel alles Übels.“ Für den Verfasser der Oratio dissuasoria hielten viele den Ritter Ulrich von Hutten; dieser aber hatte in einer Schrift zur Bewilligung der Zehnten aufgefordert, in der er freilich, hin- und hergerissen zwischen seiner Anhänglichkeit an den Kaiser und der Einsicht in die Notwendigkeit des Türkenkriegs auf der einen Seite und dem Hass und Argwohn gegen den Papst auf der anderen, nicht umhin konnte, ein Übergewicht dieses Hasses spüren zu lassen. Wahrscheinlich hat ein Würzburger Domherr, Friedrich Fischer, die Oratio geschrieben; es waren also zwei hohe Geistliche, die einen so unverhüllten, beleidigenden Angriff auf das Kirchenoberhaupt wagten. Das Bedenkliche der wirtschaftlichen Zustände, hervorgerufen, wie man annahm, durch die Ausbeutung von Seiten Roms, machte blind gegen die Gefahr der Türkenkriege; wenigstens traute man den regierenden Häuptern nicht zu, dass es ihnen mit der Abwendung der Gefahr Ernst wäre. Die päpstlich-kaiserlichen Forderungen wurden abgelehnt, und zwar mit Hinblick auf den armen Mann, das vielgeplagte Volk, auf das alle Abgaben abgewälzt zu werden pflegten, und das nicht noch mehr belastet werden dürfe. Bereits waren im südwestlichen Deutschland Bauernaufstände ausgebrochen und hatten die Herren erschreckt. Man sagte sich, dass die Aufständischen mit ihren Klagen nicht durchaus im Unrecht waren; Befürchtungen, dass eine allgemeine Erhebung des bedrückten Volkes bevorstehe, wurden häufig ausgesprochen. Sei es nun, dass die Stände ernstlich daran glaubten oder nicht, sie wollten ihren Unwillen über das Ausbleiben der Reformation zeigen, indem sie ihren Beutel verschlossen.

      Traurig ritt der Kaiser von Augsburg fort, wo er so oft auf der Höhe des Lebens getagt, gescherzt, getanzt hatte; jetzt mahnte ihn die über seine Seele sinkende Dämmerung, dass er es nicht wiedersehen werde. Als er in Innsbruck, die vor allen geliebte Stadt in den Bergen, einkehren wollte, schloss sie die Tore vor ihm zu, weil er ihr ohnehin viel schulde. „Er wird ein Streuhütlein werden“, hatte sein Vater, der sparsame Friedrich, von dem Kind gesagt, als es bei der gestellten Wahl nicht nach dem Goldstück, sondern nach dem Apfel griff, und wirklich hatte er das Geld nie festhalten können. „Der Kayser war ein herr von oesterreich“, berichtet eine Chronik von Maximilian. „Er war fromm und nicht von hoher vernunft und war stets arm.“ Wie ein abgewiesener Bettler ritt der kranke Herr weiter nach Wels, wo er am 12. Januar 1519 starb. Er war noch nicht 60 Jahre alt geworden.

      Das Bild des seinem Ende nahen Kaisers, das in seinem kleinen Stüblein auf der Augsburger Pfalz Dürer von ihm zeichnete, versteht man erst recht, wenn man das Bild des jungen Maximilian damit vergleicht, das Lukas von Leyden gemalt hat.

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      Maximilian von Lukas von Leyden gemalt

       Trotz der kennzeichnenden höckerigen Nase, und wenn wir auch die gleichen Züge wiederfinden, ist doch kaum ein Zusammenhang zwischen dem blonden, weichen, ganz ungeprägten, ganz empfänglichen Prinzengesicht und dem souveränen Haupt des scheidenden Kaisers. Die Spuren eines reich ausgefüllten, weit ausgreifenden Lebens sind hier zu einem ergreifenden Akkord gesammelt. Lag vielleicht ein Keim der Schwermut auf dem Grunde dieser unermüdlich tätigen, elastischen, heiteren Seele? Schöpfte er rastlos die unzähligen Quellen seines Reiches aus, damit der dunkle Keim nicht aufschießen und ihn überschatten könne? Dem unvergesslichen Antlitz haben sich ebenso sehr die Strapazen eines mehr an Mühsal als an Erfolgen reichen Lebens eingegraben wie die Einsicht in bodenlose Tiefen und klägliche Unzulänglichkeiten alles Menschlichen, und ebenso sehr wie hohe Würde scheint unausgesprochenes Leiden Distanz zu gebieten.

      Es ist schicksalhaft, dass Maximilians Körper nicht in Innsbruck, sondern in Wiener-Neustadt begraben liegt; denn nicht seiner Person gilt die übermenschliche Gedächtnisfeier, die die ehernen Kolosse an seiner Tumba in der Hofkirche zu Innsbruck begehen, sondern dem letzten Kaiser des Heiligen Römischen Reiches, des in einem Glauben einigen. Er ist ein Letzter, dessen hier voll Ehrfurcht gedacht werden soll, der Letzte einer stolzen und tragischen Reihe. Bild ist hier die Klage geworden, die zu seinen Lebzeiten, von Sebastian Brant ausgesprochen, aus vielen Herzen brach: „O Deutschland, hülle dich in Trauer, denn das Zepter wird aus deiner Hand genommen werden! Wer gibt meinen Augen Tränen, um den Zusammenbruch des Reiches zu beweinen!“

      * * *

      Kultur

       Kultur

      Nicht Sebastian Brant allein witterte Verfall und Untergang, aber kaum einer hat der bangen Ahnung so bestimmten Ausdruck gegeben wie er in seinem großen Brief an seinen Freund, den Patrizier und Humanisten Peutinger in Augsburg.

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      Konrad Peutinger (* 14. Oktober 1465 in Augsburg; † 28. Dezember 1547 ebenda) war ein Jurist, Humanist und Antiquar.

      Er sieht die drohenden Vorzeichen, die andere nicht bemerken. „Keine besseren Zeiten werden kommen, im Gegenteil, ich fürchte schlimmere, da ja alles zu Verderben und Sturz sich hinneigt!“ Ein Gefühl war verbreitet, wie es die Kreatur vor einem Gewitter oder Erdbeben beschleicht, als verdunkle sich das Licht, als senke sich der Himmel tiefer als sonst hinab, als höre die Natur auf zu atmen.

       Diese Ahnung unabwendbaren Unheils bemächtigte sich der Deutschen zu einer Zeit hoher kultureller Blüte, deren Pracht die Nachkommen zum Neid auf ein so harmonisches Zusammenwirken geistiger Kräfte bewegt. Um die Mitte des 15. Jahrhunderts sagte Enea Silvio Piccolomini, Deutschland sei noch nie so reich und glänzend gewesen, und andere sagten dasselbe mit ähnlichen Worten. In den hundert Jahren von 1450 bis 1550 ist, mit Ausnahme der Kirchen, das meiste von dem entstanden, was wir heute als Zeugnis des schönen mittelalterlichen Stadtbildes bewundern. Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts und im Laufe des 16. bauten sich fast alle Städte neue Rathäuser oder bauten wenigstens die älteren um, bauten die Zünfte sich neue Versammlungshäuser, die Patrizier und die Handwerker sich Wohnhäuser, die ihrem vermehrten Wohlstand, ihrem verfeinerten Geschmack, ihrem zunehmenden Bedürfnis nach Bequemlichkeit entsprachen. Überall in Deutschland, wo nicht Krieg oder Feuer oder Großstadtbedürfnis zerstört haben, treffen wir auf den mittelalterlichen Kern, der durch seinen malerischen, Auge und Gemüt befriedigenden Charakter so merklich von der modernen Umgebung absticht. Das ist keine Wohnstätte, sondern Heimat; es scheint, als ob glücklichere Menschen hier gelebt haben, die wussten, dass draußen Kampf und Ruhm ist, dass aber das Glück im Innern des Herzens und im Innern des Hauses gesucht werden muss.

      Das Fachwerkhaus mit seinem phantastisch vergitterten Holzgerüst mahnt an die Wälder, deren Rauschen einst die deutschen Lande erfüllte, und atmet ihr würziges Aroma in die Straßen aus. Der hohe Giebel und das breite Tor erinnern an das Bauernhaus, das mütterlich schirmend mit dem Menschen zugleich das Vieh und den herbstlichen Vorrat umfasst.

Grafik 1

       Aus dem Jahr 1526 stammt das imposante Knocherhaueramtshaus am Marktplatz in Hildesheim, das mit der rhythmischen Steigerung seiner Stockwerke СКАЧАТЬ