Название: Wilhelmine von Bayreuth: Erinnerungen der Prinzessin Wilhelmine von Preußen
Автор: Wilhelmine von Bayreuth
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783753192291
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So nahm sie mich denn eines Tages beiseite. „Ich bin zufrieden mit Ihnen“, sagte sie, „und da ich sehe, dass Sie anfangen, verständig zu werden, will ich Sie stets um mich haben und Sie wie eine Erwachsene behandeln. Doch soll die Leti durchaus nichts mehr erfahren dürfen; wenn sie Sie fragt, was vorging, sagen Sie, Sie hätten nicht drauf achtgegeben. Hören Sie mich wohl? Und versprechen Sie es mir?“ Ich bejahte es ihr. „Wenn dem so ist“, sagte sie, „so will ich Ihnen mein Vertrauen schenken, doch bedarf es der Vorsicht, und Sie müssen mir dafür ganz allein ergeben sein.“ Darüber gab ich ihr nun alle erdenklichen Versicherungen. Sie erzählte mir daraufhin alle Intrigen des Fürsten von Anhalt, die Ungnade der Frau von Blaspiel, kurz alles, was ich darüber berichtet habe, und fügte hinzu, wie sehr sie mich nach England zu vermählen wünschte und wie glücklich ich als die Gattin ihres Neffen sein würde. Ich brach in Tränen aus, als sie mir sagte, dass ihre Freundin in Spandau sei. Ich hatte die Dame sehr geliebt, und man hatte mir gesagt, dass sie auf ihren Gütern lebe. Meine Empfindsamkeit gewann mir der Königin Herz; sie sprach auch von der Leti und fragte mich, ob es wahr sei, dass sie jeden Tag den Oberst Forcade sähe sowie einen geflüchteten französischen Geistlichen, namens Fourneret. Ich bejahte es. „Wissen Sie den Grund?“ fragte sie mich; „– weil der Fürst von Anhalt sie für sich gewann und er sich dieser beiden Kreaturen bedient, um gemeinsam zu intrigieren!“ Ich wollte sie verteidigen, aber die Königin hieß mich schweigen. So jung ich war, stellte ich mancherlei Betrachtungen über das eben Gehörte an. Obwohl ich für die Leti eintrat, merkte ich zu verschiedenen Malen, dass die Königin wahr gesprochen hatte. Ich befand mich in großer Verlegenheit, als der Abend hereinbrach; denn ich fürchtete die Leti wie das Feuer, sie schlug und misshandelte mich sehr oft.
Sobald ich in mein Zimmer zurückgekehrt war, fragte mich die Person wie üblich aus. Ich saß mit ihr auf einer zwei Stufen hohen Estrade in einem Erker. Ich gab ihr die Antwort, welche die Königin mir vorgeschrieben hatte. Sie genügte ihr nicht, und sie stellte mir so viele Fragen, dass ich in Verwirrung geriet. Sie war zu schlau, um nicht zu merken, dass ich unterwiesen worden war; und um es zu erfahren, überschüttete sie mich mit Zärtlichkeiten. Aber da sie durch Güte nichts bei mir ausrichtete, geriet sie in einen grässlichen Zorn, schlug mich auf den Arm und stieß mich die Estrade hinab. Meine Gelenkigkeit bewahrte mich vor einem Fall, und ich kam mit ein paar Beulen davon.
Die Szene wiederholte sich am folgenden Abend, nur mit viel größerer Heftigkeit; sie warf mir einen Leuchter an den Kopf, der mich hätte töten können; mein Gesicht war ganz blutig, und mein Geschrei rief die gute Mermann herbei, die mich den Händen dieser Megäre entriss und ihr drohte, die Königin zu benachrichtigen, wenn sie nicht anders mit mir verführe. Die Leti bekam Angst. Mein Gesicht war ganz zerschunden, und sie wusste nicht, wie sie sich aus der Klemme ziehen sollte; nun beschaffte sie einen mächtigen Vorrat kühlenden Wassers und legte die ganze Nacht hindurch Kompressen auf mein armes Gesicht, und ich machte tags darauf der Königin weis, ich sei gefallen.
So verging der ganze Winter. Ich wurde keinen Tag mehr in Ruhe gelassen, und mein armer Rücken erhielt täglich seinen Teil. In der Gunst der Königin stieg ich dagegen so hoch, dass sie mir nichts mehr vorenthielt. Sie bat den König, ob ich sie nicht überallhin begleiten dürfe. Er willigte mit Freuden ein und wünschte, dass auch mein Bruder mit ihm ginge. Wir machten unsere erste Ausfahrt im Juni, als der König und die Königin nach Charlottenburg fuhren, einem prachtvollen Landsitz in der Nähe der Stadt.
Schloss Charlottenburg
Die Leti blieb von dieser Reise ausgeschlossen, und Frau von Kamecke ward mir statt ihrer zugeteilt. Ich habe schon erwähnt, dass diese Dame die trefflichsten Eigenschaften besaß; obwohl sie sich aber stets in der großen Welt bewegt, hatte sie die Manieren derselben nicht angenommen: Sie durfte eher für eine etwas bäuerliche, vernünftige, aber geistlose Person gelten. Sie war sehr fromm, und ich musste zwei bis drei Stunden lang Gebete verrichten, was mich sehr langweilte; dann kam der Katechismus daran und die Psalmen, die ich auswendig lernen musste, aber ich legte dabei so große Zerstreutheit an den Tag, dass sie mich jeden Tag auszankte.
Der König feierte meinen Geburtstag, gab mir sehr schöne Geschenke, und abends war Ball. Ich ging jetzt in mein elftes Jahr, war für mein Alter ziemlich reif und fing an zu beobachten. Von Charlottenburg fuhren wir nach Wusterhausen. Die Königin vernahm am Abend ihrer Ankunft durch eine Stafette aus Berlin, dass mein zweiter Bruder an Dysenterie (Ruhr – eine entzündliche Erkrankung des Dickdarms bei einer bakteriellen Infektion) erkrankt sei. Diese Nachricht versetzte sie in große Bestürzung, und der König und die Königin wollten sich nach der Stadt begeben, doch hielt sie die Furcht vor der Ansteckung zurück. Tags darauf kam eine zweite Stafette, dass auch meine Schwester Friederike von demselben Übel ergriffen sei. Diese Krankheit wütete in Berlin wie die Pest, die meisten Menschen starben am dreizehnten Tage daran. Man verbarrikadierte selbst die Häuser, in denen die Krankheit herrschte, um ihrer Verbreitung entgegenzuwirken. Die Königin war noch nicht am Ende ihrer Leiden. Einige Tage später erkrankte der König selbst an denselben schweren Koliken, von denen er einige Jahre früher in Brandenburg befallen worden war.
Nie hatte ich so viel auszustehen als während dieser Zeit. Die Hitze war außerordentlich, so groß wie sie in Italien vorkommt. Im Zimmer, in dem der König lag, waren alle Fenster geschlossen, und dabei brannte ein mächtiges Feuer. So jung ich noch war, musste ich den ganzen Tag hier verweilen; man hatte mich neben den Kamin gesetzt, ich war wie vom heftigen Fieber ergriffen und mein Blut so in Aufruhr, dass mir die Augen fast herausstanden. Ich war so erhitzt, dass ich keinen Schlaf finden konnte. Des Nachts machte ich so viel Spektakel, dass Frau von Kamecke davon erwachte; um mich zu beruhigen, gab sie mir Psalmen zu lernen, und als ich entgegnete, es fehle mir die Fassung dazu, schalt sie und sagte der Königin, dass ich nicht gottesfürchtig sei. Darüber kam es zu neuem Zank. Endlich erlag ich all der Mühsal und dem Ungemach und erkrankte nun meinerseits an Dysenterie. Meine getreue Mermann benachrichtigte erst die Königin, die es nicht glauben wollte und mich zwang, obwohl es mir schon recht schlecht ging, auszugehen, und die auf die Warnungen nicht eher achtete, als bis ich schwer darniederlag.
Man brachte mich todkrank nach Berlin. Die Leti kam mir auf der Treppe entgegen. „Ah Prinzessin“, sagte sie, „Sie sind es. Haben Sie große Schmerzen? Sind Sie sehr krank? Nun seien Sie aber vorsichtig! Ihr Bruder ist heute Morgen verschieden, und ich glaube nicht, dass Ihre Schwester den Tag überleben wird.“ Diese traurige Botschaft bekümmerte mich sehr, doch war ich so krank, dass ich sie mir weniger zu Herzen nahm, als zu irgendeiner andern Zeit geschehen wäre. Acht Tage lang schwebte ich in größter Gefahr. Am Abend des neunten Tages fing mein Übel an sich zu lindern; doch erholte ich mich nur sehr langsam. Der König und meine Schwester genasen vor mir. Die Art, wie die Leti mit mir umging, verzögerte meine Genesung. Tagsüber misshandelte sie mich, und nachts ließ sie mich nicht schlafen, denn sie schnarchte wie ein Dragoner.
Die Königin kehrte indessen nach Berlin zurück, und obwohl ich noch sehr schwach war, befahl sie, dass ich ausgehen sollte. Sie empfing mich sehr freundlich, würdigte aber die Leti kaum eines Blickes. Diese Person, aufs höchste darüber aufgebracht, rächte sich an mir. Hiebe und Stöße waren mein tägliches Brot; sie erging sich in Schmähungen auf die Königin und nannte sie für gewöhnlich die große Eselin. Das ganze Gefolge dieser Fürstin hatte Spitznamen so gut wie sie. Frau von Kamecke war die dicke Kuh, Fräulein von Sonsfeld die dumme Gans usw. Solcher Art war die treffliche Moral, die sie mir beibrachte. Ich hatte so viel Ärger und Verdruss, dass mir die Galle ins Blut trat und ich acht Tage nach meinem ersten Ausgang von der Gelbsucht befallen wurde. Ich litt zwei Monate daran und genas von dieser Krankheit nur, um in eine andere, viel gefährlichere zu fallen. Sie setzte mit einem СКАЧАТЬ