Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43. Friedrich Gerstecker
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Читать онлайн книгу Friedrich Gerstecker: Streif- und Jagdzüge durch die Vereinigten Staaten von Amerika 1837-43 - Friedrich Gerstecker страница 18

СКАЧАТЬ herzlichen Dank mich durch die Legion Hunde durcharbeitend, wanderte ich fröhlich weiter, dass der kanadische Wald von deutschen Liedern erschallte.

      Am anderen Morgen erreichte ich endlich die gebahnte, von einer Art Postkutsche befahrene Straße nach Buffalo, die sich fortwährend durch Farmen hinzog. Ich war wieder in den kultivierten Teil des Landes zurückgekehrt. Der Landmann baut hier sehr viel Weizen, der vorzüglich gerät, auch Hafer und Gerste, besonders aber Welschkorn, das jedoch im Norden nicht die Vollkommenheit erreichen soll als im Süden. Die Kolben waren klein, und das meiste, welches ich sah, hatte gelbe Körner.

      Ungefähr 30 Meilen vor der Stadt holte ich einen Viehhändler aus den Vereinigten Staaten ein, der wieder dahin zurückkehrte. Er war ein freundlicher Mann, und ich beschloss, der Geselligkeit wegen, die dreißig Meilen bis Buffalo mit ihm zurückzulegen. Wir wurden auch sehr bald bekannt mit einander. Er trieb zwei ungeheuer fette Ochsen aus Kanada heim nach den Vereinigten Staaten und ritt dabei ein schrecklich mageres Pferd. Nichtsdestoweniger lud er mich sehr gastlich ein, seine Rosinante abwechselnd mit ihm zu teilen, da er selber gern ein wenig gehen wolle.

      Das Reiten wäre nun schon nicht übel gewesen, denn es regnete fein und durchdringend und die Wege waren sehr schlüpfrig geworden, wenn nur der gute Mann nicht das Pferd, auf dem ich ritt, jedem ihm Begegnenden angeboten hätte und sogar willens gewesen wäre, es für zwei Kühe in Tausch zu geben. Es muss wirklich manchmal komisch genug ausgesehen haben, wenn das traurige Tier, auf dem ich ritt, solcher Art den Vorüberziehenden oder uns Begegnenden „spottbillig“ angeboten wurde.

       Wenn er sich müde gelaufen hatte, stieg er auf, und ich ging. Er hatte dabei ein Buch mit irgendeinem ungemein rührenden Trauerspiel in der Tasche, und jedes Mal, wenn er sich in seinem Sattel festgesetzt hatte, nahm er es heraus und fing an zu deklamieren, indem er mit der linken Hand das Buch hielt und mit der rechten, in der er zugleich die lange Ochsenpeitsche führte, gewaltig gestikulierte. Bei jeder etwas starken Bewegung, welche die Kraftstellen des Trauerspiels mit sich brachten, die er mit dem rechten Arme und dadurch mit der für die Ochsen so unheilbringenden Peitsche machte, wichen diese, welche die Geißel immer im Auge behielten, scheu zurück, und nur ein den pathetischen Ton öfters sehr prosaisch unterbrechendes „Schü Bock – Oh! Oh!“ brachte die gehörnten „Zuhörer wider Willen“ zu ihrer Pflicht zurück.

      Den 11. November abends kam ich zum zweiten Mal zum Niagarafall und konnte seine Pracht und Größe nun auch von der kanadischen Seite bewundern.

      Von da wand sich der Weg am Niagaraflusse hinauf dem Eriesee zu. Herrlich ist dieser Weg zu reisen; die Straße schön und trocken, links der prächtige breite, durch den dunkeln Urwald beschattete Niagarafluss, rechts eine blühende Farm neben der anderen mit den schönsten Apfelgärten – es ist ein Anblick zum Bezaubern. Die Strecke, die wir auf diese Art zurücklegten, kam mir nur wie wenige Schritte vor. Einige Meilen von Buffalo entfernt, setzten wir auf einer von Pferden getriebenen Fähre über den Niagara und waren wieder in den United States.

      Was ich von Kanada gesehen habe, zeigte mir, dass es, wenigstens in diesen Teilen, ein schönes, fruchtbares Land von gesundem, wenngleich sehr kaltem Klima sei. Eben dieser strengen Kälte wegen möchte ich aber auch Kanada, nicht einmal das am südlichsten gelegene Oberkanada, nie zum Wohnsitze wählen.

       Das Land bringt herrliches Getreide hervor, doch ist mit der Schaf- und Schweinezucht in den nicht dicht bewohnten Gegenden wenig zu machen, da die zahlreichen Wölfe dem Vieh sehr nachstellen, wenn sich die Farmer eben nicht dazu bequemen, etwas mehr auf ihr Vieh acht zu haben, als es nur draußen im Freien herumlaufen zu lassen.

      Es war Sonntagnachmittag, als ich in die Gaststube des „William Tell“ in Buffalo eintrat und mich, um etwas auszuruhen, in einen Winkel setzte. Die Augen der achtbaren deutschen Handwerker, die gerade im hitzigsten Politisieren begriffen waren, richteten sich zwar im Anfange erstaunt auf den bewaffneten Fremdling, doch bald wieder eifrig ihr Thema verfolgend, vergaßen die Leute bald alle Zuhörer, und ich glaube, es wäre nach deutscher Sitte zu „Schemelbeinen“ gekommen, wenn nicht der Wirt, eine kleine runde Gestalt, sich zwischen sie gerollt und den Frieden mit den versöhnenden Worten: „Ihr seid alle miteinander so dumm wie die Stockfische“ wieder hergestellt hätte. In diesen Worten schien die Gleichheit der Personen anerkannt, und die Gemüter beruhigten sich.

      Es war aber auch keine Kleinigkeit, um die sie sich stritten, denn der eine Gast, ein ehrbarer Schuhmacher, wollte auf keinen Fall zugeben, dass „der Engländer“, wegen der damals schon gärenden Unruhen in Kanada, Militär über den Ozean schicken könne, da „der Russe“ ihm so hart auf dem Halse sitze. Ein Schreiner, der ihm gegenüber saß, behauptete dagegen, dass Russland viel zu weit von England entfernt sei, um mit ihm so schnell Krieg anfangen zu können. Da kam er aber schön an, denn der Schumacher bewies ihm haarklein, dass Russland dicht an England grenze – von oben, im Norden – und nur eine breite Strecke Sand zwischen beiden „Fürstentümern“ liege, so dass der Schreiner, vor lauter Verwunderung über seinen gelehrten Widersacher, still schwieg. Doch gab der Schuhmacher zu, dass der Marsch von Russland nach England sehr beschwerlich wäre, da die Soldaten oft bis unter die Arme im Sande waten müssten.

       Was der gute Mann für Begriffe von einem solchen Marsche im Sande hatte, oder von woher überhaupt seine geographischen Kenntnisse stammten, kann ich nicht sagen, doch amüsierte mich der Streit sehr. Als mich daher der Schuhmacher um meine Meinung fragte, gab ich ihm natürlich recht, erzählte ihm auch, dass der Russe beabsichtige, Bärenfelle über den Sand zu breiten, um seiner Armee den Übergang zu erleichtern, worüber er ganz erstaunt äußerte: „Es sind doch verzweifelte Kerls!“ – Darüber sind jetzt achtzehn Jahre verflossen.

      Den anderen Morgen war ich früh auf den Beinen und beschaute die Stadt ein wenig. Es ist schon ein recht hübscher Platz, wo sehr viele Deutsche wohnen, und muss einst, was es teilweise schon jetzt ist, der Mittelpunkt des nordischen Binnenhandels werden. Eisenbahnen, Kanäle, Dampfboote und Segelschiffe wetteifern miteinander, die Waren und Erzeugnisse zu bringen oder zu holen.

      Gegen Mittag ging das Dampfboot „NORTH AMERICA“ nach Cleveland in Ohio ab und ich mit ihm. Eine ungeheure Menge von Passagieren stopfte den „sterage room“, und kaum war es möglich darin auszuhalten, da besonders noch eine Anzahl irländischer und amerikanischer alter Frauen ihre kleinen Pfeifenstummel im Munde hatten und mit den Männern um die Wette qualmten. Aber, lieber Gott, was nahm das für ein schmähliches und rasches Ende!

       Der Eriesee, von einem frischen Winde gepeitscht, warf gewaltige Wellen, und das Dampfboot fing bedeutend an zu schwanken. Eine Pfeife nach der anderen wurde da schweigend weggelegt, und die Gesichter verlängerten sich und erblässten auf eine gar verdächtige Weise. Ich bemerkte mit Entsetzen diese Veränderung und flüchtete in einen der obersten Schlafräume – es waren derer drei übereinander –, um außer Schussweite zu sein. Der Erfolg lehrte denn auch, wie richtig ich gerechnet, denn kaum hatte ich mein hohes Lager eingenommen, so ging die Geschichte unten los und artete bald in richtige Seekrankheit aus. So komisch es anzusehen war, so ekelhaft war es, doch lag ich wenigstens in Sicherheit. Ganz besonderen Spaß machte mir ein Liebespärchen, das gleich vom Anfang der Reise mit einander gekost und geherzt hatte. Plötzlich wurde ihr schlecht und ihm nicht viel besser. Sie setzte sich darauf ihm auf den schoss und lehnte ihr Haupt an seine Stirn, und sein Gesicht wurde immer blasser, immer länger, seine Nase spitzer, seine Augen glasiger, bis von beiden fast zugleich der furchtbare Ausbruch erfolgte. Dicht vor ihnen hatte dabei eine Irländerin aus der untersten Volksklasse, den Pfeifenstummel im Munde und mit einem gewissen trotzigen devil may care Zug um den Mund, gesessen und die Gruppen um sich her etwa mit einem Gesicht angesehen, als ob sie hätte sagen wollen: „Untersteht ‘s euch und werdet seekrank, erbärmliches Volk, das ihr seid!“ Sie hielt dabei ein kleines Kind auf dem Schoße; dies forderte indessen plötzlich ihre ganze Aufmerksamkeit, und sie hatte das kleine Persönchen eben wieder vollständig gereinigt und sauber poliert, als der vorerwähnte Ausbruch dem kleinen Staatsbürger von unbewachter Seite wieder alles – und zwar ohne dessen Verschulden СКАЧАТЬ