Название: Skizzenbuch
Автор: Mark Twain
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754173084
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Fiat justitia, ruat coelum
Post mortem unum, ante bellum
Hic jacet hoc, ex-parte res
Politicum e-conomico est.
Der Gedankenreichtum des alten Dichters, verbunden mit der glücklichen Wahl der Worte, in die er seine erhabenen Bilder kleidet, haben diese Verse vor allen andern berühmt gemacht, welche jemals –«
»Schweigen Sie, sage ich – kein Wort weiter!« – Her mit Ihrer Rechnung und dann verschwinden Sie auf ewige Zeiten aus meinem Gesichtskreis. – Neunhundert Dollars? – Ist das alles? – Nun gut, auf diese Anweisung hier wird jedes achtbare Bankhaus in Amerika Ihnen Zahlung leisten. – Aber, was bedeutet denn der Volksauflauf unten auf der Straße? – Nach den Blitzableitern wollen die Leute schauen? Du meine Güte! Haben sie denn noch nie im Leben Blitzableiter gesehen? – ›Noch nie einen solchen Haufen auf einem Dach,‹ sagen Sie, wenn ich Sie recht verstehe. Da muß ich doch einmal hinuntergehen und mir die Menschen betrachten, die eine solche Unkenntnis öffentlich zur Schau tragen.«
Drei Tage später. Wir sind alle in einem Zustand völliger Erschöpfung. Unser Haus, das wie ein Stachelschwein von Blitzableitern starrte, war vierundzwanzig Stunden lang der Gegenstand allgemeinen Staunens und das einzige Stadtgespräch. Die Theater standen leer, denn ihre neuesten scenischen Erfindungen konnten es bei weitem nicht mit meinen Blitzableitern aufnehmen. Tag und Nacht war unsere Straße von Zuschauern belagert; viele fuhren sogar vom Lande herein, um das Schauspiel zu genießen. Endlich am zweiten Tage kam uns glücklicherweise ein Gewitter zu Hilfe. Kaum begann der Blitz auf mein Haus loszugehen, als sich, so zu sagen, sämtliche Bänke und Galerien im Handumdrehen leerten. Fünf Minuten später war im Umkreis einer halben Meile von meinem Besitztum kein einziger Zuschauer mehr zu erblicken. In den ferner gelegenen hohen Häusern jedoch drängte sich Kopf an Kopf an den Fenstern, auf den Dächern und überall. Das war auch nicht zu verwundern, denn, alle Sternschnuppenfälle und glänzenden Feuerwerke eines Menschenalters zusammengenommen und gleichzeitig in einer ungeheueren Feuergarbe vom Himmel herab gegen ein schutzloses Dach losgelassen, hätten nicht die großartige pyrotechnische Wirkung erzielen können, durch welche mein Haus, mitten in der Dunkelheit, die während des Unwetters herrschte, wie mit Strahlenglanz umleuchtet war. Innerhalb vierzig Minuten schlug der Blitz – ich habe es genau gezählt – siebenhundertvierundsechzigmal in mein Grundstück ein, jedesmal angelockt durch einen der getreuen Blitzableiter. Er glitt an dem spiralförmig gewundenen Eisen entlang und schoß in den Boden, bevor er noch selbst recht wußte, wie ihm geschah. Während dieses ganzen Bombardements wurde mir nur eine einzige Schieferplatte zertrümmert und zwar deshalb, weil sämtliche Blitzableiter der Nachbarschaft in ein und demselben Augenblick alle Blitze, die sie gesammelt hatten, auf uns übertrugen. Seit Anbeginn der Welt war ein ähnliches Schauspiel nie gesehen worden. Während eines ganzen Tages und einer Nacht, konnte kein Mitglied meiner Familie den Kopf aus dem Fenster strecken, ohne daß ihm das Haar ausgerissen und er so glatt rasiert wurde, wie eine Billardkugel; daß sich eins von uns hinausgewagt hätte, davon war schon gar nicht die Rede. Endlich wurde aber doch die entsetzliche Belagerung aufgehoben, weil auch keine Spur von Elektrizität mehr in den Wolken über uns vorhanden war, soweit meine unersättlichen Blitzableiter reichen konnten.
Sofort machte ich einen Ausfall, sammelte eine Schar unerschrockener Arbeiter um mich, und kein Bissen Brot kam über unsere Lippen, kein Schlaf in unsere Augen, bevor wir nicht das ganze Gebäude seiner schrecklichen Stachelrüstung entkleidet hatten. Nur drei Blitzableiter blieben auf dem Hause, einer auf der Küche, und einer auf dem Scheunendach, wo sie noch heutigen Tages zu sehen sind. Erst als dieses geschehen war, wagten die Leute es wieder unsere Straße zu betreten. Beiläufig will ich hier noch bemerken, daß ich während jener entsetzlichen Zeit meinen Aufsatz über die Staatswirtschaft nicht weiter geschrieben habe. Selbst jetzt sind mir Kopf und Nerven noch so angegriffen, daß ich die Arbeit nicht wieder aufnehmen kann.
Für Liebhaber. – Leute, welche dreitausendzweihundert und elf Fuß der besten, zinkplattierten, spiralförmig gewundenen Blitzableiterstangen und sechzehnhunderteinunddreißig versilberte Spitzen verwenden können – alles in leidlichem Zustand und obgleich durch den Gebrauch stark abgenutzt, doch für jeden gewöhnlichen Fall zu benützen – mögen sich zum Abschluß des Geschäfts an den Verfasser dieses Buches wenden. –
Es ist gefährlich im Bette zu liegen.
»Auch ein Unfallversicherungsbillet?« fragte der Mann am Schalter.
»Nein,« entgegnete ich nach kurzem Überlegen, »nein, ich glaube nicht. Heute fahre ich den ganzen Tag mit der Eisenbahn. Aber – warten Sie einmal – morgen bin ich nicht auf Reisen. Geben Sie mir eins für morgen.«
Der Mann sah mich verblüfft an. Dann sagte er:
»Aber die Versicherung ist ja gerade gegen Unfälle. Und wenn Sie mit der Eisenbahn reisen –«
»Da habe ich keine Furcht. Man läuft nur Gefahr, wenn man zu Hause bleibt und im Bette liegt.«
Ich hatte mich über diese Angelegenheit gründlich unterrichtet. Im vergangenen Jahr war ich zwanzigtausend Meilen, hauptsächlich mit der Eisenbahn gefahren, vor zwei Jahren hatte ich fünfundzwanzigtausend Meilen zurückgelegt, teils mit dem Dampfboot teils mit der Eisenbahn, vor drei Jahren nahe an zehntausend Meilen, ausschließlich mit der Eisenbahn. Wollte ich noch alle die verschiedenen kleinen Reisen in Anschlag bringen, die ich im Laufe der drei letzten Jahre bald hierhin bald dorthin unternommen habe, so würden zusammen wohl sechzigtausend Meilen herauskommen, – und das alles ohne einzigen Unfall.
Eine zeitlang dachte ich jeden Morgen bei mir: »Na, bis jetzt bin ich noch immer gut weggekommen, um so größer ist aber auch die Wahrscheinlichkeit, daß ich diesmal etwas abkriegen werde. Ich will schlau sein und mir ein Unfallbillet lösen.« Aber so oft ich das that – jedesmal zog ich eine Niete und legte mich am Abend mit heilen Knochen und ohne daß mir ein Glied ausgerenkt war zu Bette. Schließlich bekam ich diese tägliche Plackerei satt und kaufte mir nur noch Unfallbillete, die auf einen Monat gültig waren. Ich sagte mir: »Wenn man ein ganzes Bündel von dreißig Stück auf einmal kauft, können es doch unmöglich lauter Nieten sein.«
Aber ich irrte mich. In dem ganzen Haufen war nicht ein Gewinn. Täglich las ich von Eisenbahnunfällen – sie lagerten wie ein Nebel über der ganzen Zeitungsatmosphäre, aber niemals kam etwas davon auf mein Teil. Ich mußte mir eingestehen, daß ich in dem Unfallsgeschäft viel Geld verthan hatte und für mich nichts herausgekommen war. Mein Argwohn erwachte; ich begann mich nach jemand umzusehen, der bei dieser Lotterie einen Treffer gezogen hatte. Zwar fand ich viele Leute, die ihr Geld darin anlegten, aber keinen Menschen, der je einen Unfall gehabt oder einen Cent damit verdient hatte. Nun kaufte ich keine Unfallbillete mehr, sondern begab mich ans Rechnen und kam zu einem erstaunlichen Ergebnis: Die Gefahr lag nicht im Reisen sondern im Zuhausebleiben.
Ich verschaffte mir statistische Berichte und fand zu meiner Überraschung, daß nach all den fettgedruckten Zeitungsüberschriften, welche Eisenbahnunfälle ankündigten, doch nicht einmal dreihundert Menschen während der letzten zwölf Monate wirklich ihr Leben durch solche Unfälle verloren hatten. Die Eriebahn war die mörderischste auf der ganzen Liste. Sie hatte sechsundvierzig oder sechsundzwanzig Menschen umgebracht – ich erinnere mich nicht mehr genau an die Zahl, nur soviel weiß ich, daß sie doppelt so groß war, als auf jeder andern Bahn. Doch fiel mir dabei sofort ein, daß die Eriebahn eine ungeheure Länge hat und den größten Geschäftsbetrieb СКАЧАТЬ