Название: Freundlicher Tod
Автор: Ute Dombrowski
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: Eltville-Thriller
isbn: 9783742755940
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Michael sah vom Computer hoch und schaute seinen Kollegen fragend an.
„Der Notar hatte Gernot angerufen, um ihm den Termin für die Testamentseröffnung mitzuteilen. Dabei stellte sich heraus, dass ein Brief für seinen Neffen hinterlegt worden war, den er möglichst sofort lesen sollte. Der Notar hatte danach einen Boten zu Gernot geschickt und der hat mich angerufen. Hier lies!“
Michael nahm das weiße Blatt in der Folienhülle und sah die sanft geschwungene Handschrift. Er begann zu lesen.
„Mein lieber Gernot, wenn du das hier liest, bin ich gegangen. Es tut mir leid, aber die Schmerzen haben mir trotz der Medikamente das Leben zu einer Qual gemacht. Ich wollte es dir und Jutta nicht sagen, denn ihr wart immer so gut zu mir. Es hätte euch ein schlechtes Gefühl gegeben, nicht genug für mich zu sorgen. Ich habe einen Menschen getroffen, der ein schlimmes Schicksal erlitten und mich bei meinem Schritt in die andere Welt begleitet hat. Es ist eine Welt ohne Leid und Schmerz, ohne Medikamente und Korsett. Ich bin ihm außerordentlich dankbar. Er hat mir nur das Mittel verabreicht, das ich im Krankenhaus gestohlen habe. Ich bin diesem Menschen wirklich unendlich dankbar und er konnte damit seine Seele von einer großen Schuld befreien. Lieber Gernot, du bist das letzte Familienmitglied, nimm das Geld, verkaufe das Haus und lebe! Ich wünsche mir so sehr, dass du gesund bleibst und der Krebs vor dir Halt macht. Ich liebe dich, dein Onkel Fred im Vollbesitz meiner geistigen Kräfte.“
Fred Drekelt hatte den Brief eine Woche vor seinem Tod geschrieben und ihn von Jutta zur Post bringen lassen, zusammen mit allen wichtigen Papieren, die er in treuen Händen wissen wollte. Michael ließ das Blatt sinken und sah den jungen Kommissar ratlos an. Der hatte sich gesetzt und wartete auf die Reaktion seines Kollegen.
„Ich finde den alten Mann mutig“, sagte Benedikt leise. „Es wäre toll, wenn ich am Ende meines Lebens auch so klar im Kopf bin, dass ich alles regeln kann.“
„Würdest du es selbst tun oder wie Fred Drekelt einen anderen dazu überreden?“
„Keine Ahnung, ich weiß nicht, ob ich jemanden hineinziehen würde. Der Typ oder die Frau, die das getan hat, macht sich ja strafbar. Wie groß muss die Schuld des Menschen gewesen sein, um sich auf so einen Deal einzulassen?“
„Was denkst du, was er verbrochen hat?“, fragte Michael und verstand sehr gut, was sein Kollege meinte. „Mord?“
„Bestimmt hat er ein Menschenleben auf dem Gewissen. Und Schuld heißt in dem Zusammenhang für mich nicht, dass ein Unfall gemeint ist. Schuld heißt, er hat jemandem Leid zugefügt, einen Menschen getötet. Ein Mörder, der nicht im Gefängnis sitzt, ist einer, der nicht entdeckt wurde.“
Michael war aufgestanden und sagte nun: „Scheiße. Das hört sich an, als wenn wir alle ungeklärten Todesfälle noch einmal aufrollen müssen.“
„Das heißt es wohl. Ich rufe jetzt mal Bianca und den Giftzwerg an, denn die müssen den Brief sehen. Gernot Drekelt ist damit aus dem Rennen und auch diese Pflegerin, oder?“
Michael nickte und Benedikt griff nach dem Telefonhörer. Fünf Minuten später betrat Bianca das Büro und auch Dr. Rosenschuh kam direkt. Die Kommissarin las den Brief noch einmal laut vor. Ratlos ging ihr Blick danach von einem zum anderen.
„Was nun? Das heißt, es gibt einen Mann, der Fred Drekelt auf seinen Wunsch hin getötet hat, aber die Suche nach ihm wird wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen sein. Michael, wir fahren ins Krankenhaus und Benedikt, du redest nochmal mit Gernot und fragst ihn, was er über die ganze Sache denkt. Vielleicht hat der alte Mann irgendwann mal jemanden erwähnt.
„Bringen Sie mir die Person, die den Alten getötet hat, soweit kommt es noch, dass man Gott spielen darf“, grollte der Staatsanwalt.
Bianca runzelte die Stirn und zog Michael mit sich hinaus, damit er nicht irgendetwas sagte, was den Staatsanwalt reizen könnte.
Im Auto schwiegen sie, bis es aus Michael herausplatzte: „Ich kann Fred Drekelt verstehen. Ist das falsch?“
„Das Recht sagt, dass die Erhaltung des Lebens Priorität hat, aber mein Herz stimmt dir zu. Fred Drekelt hatte trotz vieler Medikamente unerträgliche Schmerzen und da hat ihm auch die Prognose des Arztes, dass er mit der Medizin noch ewig leben könne, nichts gebracht. Ich kann ihn auch verstehen, aber Dr. Rosenschuh hat schon recht: Niemand darf Gott spielen. Er hätte ihm ja auch helfen können, irgendwohin zu fahren, wo Sterbehilfe erlaubt ist.“
„Ich muss immer darüber nachdenken, wie ich selbst damit umgehen würde. Zum einen, wenn ich selbst todkrank wäre und zum anderen, wenn mich jemand bitten würde, ihm beim Sterben zu helfen. Es ist ein gruseliges Thema. Hoffentlich finden wir den Kerl schnell.“
Erneut schwiegen sie und nach ein paar Minuten bogen sie auf den Parkplatz des Krankhauses ein. Sie suchten nach der Station, auf der Fred Drekelt gelegen hatte, bevor er für die letzte Lebenszeit nach Hause gegangen war. Eine Schwester führte sie durch die Gänge und klopfte an einer Tür.
„Herein!“, rief eine energische Stimme.
Bianca sah vor sich einen etwa fünfzigjährigen Mann im weißen Kittel, der jetzt die Lesebrille auf die Stirn schob und die beiden Kommissare neugierig ansah.
„Kommen Sie doch herein, Schwester Nina hat mir gesagt, Sie kommen wegen Fred Drekelt. Ich bin Dr. Gerald Pfützsch. Nehmen Sie Platz.“
Er deutete auf die beiden Stühle vor seinem Schreibtisch und Bianca und Michael setzten sich. Die Kommissarin räusperte sich und stellte sich und Michael vor.
„Herr Dr. Pfützsch, es geht um Fred Drekelt, der tot ist. Er wurde von jemandem auf seinen Wunsch hin getötet. In einem Abschiedsbrief schreibt er, dass er im Krankenhaus das wichtige Mittel gestohlen hat. Wie kann es sein, dass ein Patient an Medikamente kommt?“
Der Arzt schaute Bianca sofort pikiert an und presste die Lippen zusammen. Die Kommissarin beobachtete die eindeutige Körpersprache und hakte nach.
„Ein Patient, der mit dem Medikament hier herausspaziert ist und sich damit hat umbringen lassen.“
„Ich verstehe, dass Sie mich angreifen, aber ich kann das erklären.“
„Ich greife Sie nicht an, Herr Dr. Pfützsch, ich frage nur nach. Haben Sie den Verlust bemerkt, nachdem der Patient das Krankenhaus verlassen hat? Haben Sie den Diebstahl angezeigt?“
„Ja, Frau Bonnét, der Vorfall ist aktenkundig. Es handelte sich um ein Narkosemittel. Wir haben eine Anzeige gemacht, der Fall wurde untersucht, aber es wurde kein Täter gefunden. Die Staatsanwaltschaft hat das Verfahren eingestellt. Es war aussichtslos, einen Schuldigen zu finden.“
Eingestellt, dachte Bianca, natürlich, es konnte ja auch nichts im Haus gefunden werden und wer verdächtigt schon einen netten alten Mann.
„Haben Sie den Patienten mal mit einem anderen Mann oder einer Frau in einem Gespräch gesehen?“
„Er war sehr redselig und hat den ganzen Tag außerhalb von seinem Zimmer gesessen und mit vielen Leuten gesprochen. Da war niemand Bestimmtes. Ich fürchte, ich kann Ihnen nicht weiterhelfen.“
„Mein Kollege wird jetzt noch mit der einen oder anderen Schwester darüber reden. Michael, geh mal und frage noch ein bisschen herum.“
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