Gulligold - Serienmorde in Münster. Michael Wächter
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Название: Gulligold - Serienmorde in Münster

Автор: Michael Wächter

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754182888

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СКАЧАТЬ Es schwebte in der Umlaufbahn des ehemaligen Kometen 109P/Swift-Tuttle alle 133 Jahre einmal um die Sonne, wurde vom Mond umgelenkt und geriet kurze Zeit später plötzlich und mit einer rasenden Geschwindigkeit von 249000 Stundenkilometern in den Luftraum über dem Münsterland. Die Reibungswärme erhitzte es auf über 2000 Grad Celsius. Im Todeskampf in 80 km Höhe glühte das Geschoss für einen Sekundenbruchteil am Sternenhimmel im Sternbild Perseus auf, bevor seine Atome und Moleküle mit der Luft zu einem Plasma reagierten.

      „Petra, schau!“, rief ich, „Eine Sternschnuppe!“. Ich wusste an diesem Abend noch nichts von den Vorgängen in der Schmelzerei am Kanal, und auch nichts von Hevelings neuem Vermisstenfall am Morgen danach. Ich erinnere mich aber: ich hatte an jenem Abend diese Sternschnuppe erblickt, als wir unseren Abendspaziergang am Kanal machten. Ich stieß meine Kollegin noch an und zeigte in die Richtung. Petra sah sich zur Seite um, doch da war sie schon verglüht. Die Baumwipfel am Horizont hinter den Silhouetten der Betonwerke verdeckten das Ende ihrer Schweifspur und der Abendhimmel war wieder vom gleichmäßigen Dunkel des sternenübersäten Firmamentes geprägt.

      „Eine Sternschnuppe? Um diese Zeit?“, fragte Petra.

      „Ja, es sind Perseïden – wir haben August!“, meinte ich.

      „Aber sie fallen doch erst nach Mitternacht – bis in den nächsten Morgen hinein?“, meinte Petra skeptisch.

       Ich sah sie an. Ich wollte ihr gerade antworten, da stießen wir am Kanalufer plötzlich auf eine Gestalt, die ein Fahrrad angehoben hatte und es in hohem Bogen durch die Luft schwang. Der Vorderreifen hätte mich fast am Kopf erwischt.

      „Hallo!“, protestierte ich, „passen sie doch gefälligst auf!“

       Wir waren stehen geblieben und ich sah ihn entrüstet an.

      „Entschuldigung!“, sagte er kleinlaut, „Ich habe sie übersehen!“

      „Allerdings!“, entgegnete ich im Weitergehen. „Unmöglich, sowas hier zu entsorgen.“

       Genervt setzten wir unseren Abendspaziergang fort.

       Als wir ein paar Schritte weitergegangen waren, drehte Petra sich noch einmal um.

      „Du, er hat sein Fahrrad in den Kanal geworfen!“, meinte sie entsetzt.

      „Was?“

      „Ja, einfach weggeworfen – ins Wasser!“

      „Ein Wutausbruch?“

       Kopfschüttelnd zog Petra weiter, ich folgte ihr.

      „Aggressionsstau oder Choleriker?“, fragte ich, und schon waren wir von einem astronomischen in ein psychologisches Fachgespräch gerutscht. Es machte einfach Spaß, mit Petra zu fachsimpeln.

       Wir hatten unsere Runde abgebrochen, waren zurück Richtung Wolbecker Straße gelaufen – entlang an den Sportanlagen des TuS Saxonia und des gegenüberliegenden Rudervereins. Ich verabschiedete mich von Petra in Höhe des Alten Gasthauses Homanns. Sie bestieg ihr Auto, fuhr schnell davon, und auch ich war froh, bald wieder in meinem Bett zu sein. Schließlich war am nächsten Morgen viel zu tun: Ein Kommissar Heveling bat um Rückruf in Bezug auf mein früheres psychologisches Gutachten in einem Mordfall und Patient Hans Haferkamp hatte einen Therapietermin. Und Petra und ich hatten uns noch kurzzuschalten für eine Videokonferenz zur Vorbereitung einer Fortbildung für Kollegen, Thema: „Tatmotive in der Traumabewältigung von Gewaltopfern“. Vielleicht ließ sich dann ja auch kurz über den „Radweitwurf“ scherzen, dessen Opfer ich beinahe am Kanal geworden wäre?

      

      Mark und Luigi hatten Schicht. Es war wenige Tage nach dem Vorfall mit dem Fahrrad am Kanal. Luigi war als Erster da. Er pulte sich in den Hitzeschutzanzug, schmiss den Ofen an und machte die erste Ladung zum Aufschmelzen fertig. Der Ofen war noch nicht heiß, doch schon jetzt kam der 110-Kilo-Mann ins Schwitzen. Einem unbedarften Zuschauer wäre es unklar gewesen, ob nun Luigi schwerer war – oder die Schmelzladung für Ofen Zwei.

      Luigi machte sich daran, den Schmelzofen zu bestücken, da hörte er jemanden die Halle betreten und das Radio anschmeißen.

      „Wieder gesund, Mark?“, ächzte Luigi, als Mark die Halle betrat.

      „Jau, wieder gesund!“ entgegnete Mark ganz auf westfälische Art. Zwei, drei knappe Worte mussten genügen, denn alles ab vier Worten ist ein unnötig langer Roman. Immerhin hatte Mark hochdeutsch geredet, denn Luigi, der Italiener, konnte kein Plattdeutsch.

      Luigi wandte sich also wieder der Schmelzladung zu, als Mark plötzlich ins Reden kam.

      „Besichtigung“, teilte er ihm mit, „vom Chef genehmigt“.

      „Mamma Mia!“

      Luigi stöhnte. So etwas nervte ihn.

      „Gleich um halb acht“, fügte Mark hinzu.

      So gesprächig hatte Luigi ihn selten erlebt.

      Mamma Mia! So schwätzt der doch eigentlich sogar nur dann, wenn Ostern auf Weihnachten fällt!, dachte er.

      Der Physiklehrer und seine Klasse kamen, als die Belegschaft schon in die Frühstückspause gegangen war –bis auf Mark und Luigi.

      Der Lehrer und seine Klasse kamen vom Halleneingang zu den Schmelzöfen herüber. Mark hantierte an Ofen Eins, Luigi knurrte und schmorte an Ofen Zwei. Wegen dieser blöden Betriebsbesichtigung sah er seine Frühstückspause in ernsthafte Gefahr kommen – in Gefahr dieses Typen, dessen Gesicht er wiedererkannte.

      „Grüß Dich, Luigi!“, rief ihm der Lehrer zu. Dann drehte er sich um.

      „Und jetzt lernen wir den Prozess des Schmelzens aus nächster Nähe kennen“, informierte der Lehrer seine Klasse.

      „Kommt einmal rüber zu mir. Ich erkläre Euch jetzt, was der Schmelzer da macht.“, ergänzte er.

      Marks Knurren war verstummt – es schien, als werde der Lehrer die Führung übernehmen (er kannte ihn schon vom Sehen her). Nur das Knurren seines leeren Magens verstummte nicht – Mark hoffte, der Lehrer werde die Führung, die er übernommen hatte, auch schnell wieder beenden. Marks Magen brauchte dringend eine Schinkenstulle mit Pumpernickel, dem westfälischen Schwarzbrot.

      Der Lehrer kam schnell zur Sache. Die Schüler bestaunten Marks‘ Hitzeschutzanzug, die Hitze des Höllenofens dahinter und des Lehrers Schilderung vom „heißesten Arbeitsplatz von Münster“, wie es in den Westfälischen Nachrichten damals geheißen hatte. Die heißeste Braut Münsters wäre mir lieber!, hatte Mark nach dem Erblicken der Reporterschlagzeile damals gedacht, doch der Zeitungsbericht hatte nur zur Folge gehabt, dass mehrere Firmenbesichtigungen angefragt wurden. Sogar Anfragen nach Praktikumsplätzen hatte es gegeben, und daher kannte Mark den Lehrer schon. Aber er war sich unsicher.

      Hat der Typ sich nicht neulich für so ein Kennenlern-Praktikum beworben oder eins mitgemacht?, fragte er sich. Oder kenn’ich den jetzt nur von diesen lästigen Betriebsbesichtigungen?

      Sein knurrender Magen zeigte ihm, dass es nun echt wichtigere Dinge gab als das, was da vor ein СКАЧАТЬ