Название: Gulligold - Serienmorde in Münster
Автор: Michael Wächter
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754182888
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Genervt setzten die Beiden ihren Abendspaziergang fort.
Er holte einmal tief Luft, packte die Leeze, wie man in Münster die Fahrräder nennt, erneut und warf sie, wie vorgesehen, in den Kanal. Das Paar war schon ein paar Schritte weitergegangen. Die Frau hatte sich nocheinmal umgedreht, den Fahrradwurf bemerkt und dem Mann mitgeteilt. Kopfschüttelnd zog das Pärchen ab.
„Aggressionsstau oder Choleriker…“, stellte der Mann noch fest. Er bekam noch ein paar Gesprächsfetzen mit. Sie verrieten ihm: Der Typund seine Begleiterin waren psychologisch angehaucht. Intensiv über ihre„Hypothesen“ diskutierend, setzten sie ihren Abendspaziergang fort, ohne ihn weiter zu beachten.
„Da, Lilly, schau!“
Lilly blieb stehen. Sie waren an der Promenade, Höhe Ludgeriplatz. Die Morgensonne blendete sie und die schwere Eisenfeile drückte ihr in der Seitentasche.
Inga zeigte auf die andere Straßenseite.
„Was ist das?“
Inga lief quer über die Fahrbahn. Sie zeigte auf die Gegenstände, direkt an der Bordsteinkante. Lilly kam herüber. Sie beugte sich hinab. Neugierig beäugte sie, was da am Gullideckel an der Bordsteinkante war. Rechts im Rinnstein sah sie einen Schlüsselbund mit grauem Stofftierchen-Anhänger, wohl eine Robbe oder ein Seehund. Links lag eine Tageszeitung und darauf eine schwarze Geldbörse. Sie nahm die Gegenstände auf. In aller Ruhe sah sie in die fremde Geldbörse.
„Ey! Was machst du da?“, fragte Lilly. „Klauen?“
„Nee. Ich sehe nach, wem das gehört, du Nuss!“
Lilly Stresemann griff in die Geldbörse. Sie hoffte, in der Patte einen Perso oder eine Visitenkarte zu finden. So könnten sie den Eigentümer vielleicht direkt anrufen statt zum Fundbüro zu müssen.
Lilly trug Jeans. Sie war Journalistik-Studentin und Praktikantin bei der Bild-Zeitung. Die Blondine hoffte, dort übernommen zu werden, wenn sie ihr Studium schaffte.
Inga sah auf den Personalausweis. Sie studierte nebenbei mit Lilly, war jedoch im Hauptfach Metallurgie-Studentin. Sie hatte Lilly mit auf Tour genommen, denn sie sammelte Gusseisen-Proben von Gartenzäunen, Parkbänken, Sperrmüll- und Altmetall-Abfällen, und von den Beet-Begrenzungen an der Promenade. Deren Untersuchung gehörte zu ihrer Doktorarbeit bei Professor Haber.
„Da steht’s!“, rief Inga. „Bernd Berendsen heißt der. Mit Adresse, guck!“
Er sah gut aus, dieser Berendsen, fand Lilly. Sie beschloss, ihm die Geldbörse und das Portemonnaie noch am selben Abend vorbeizubringen. Lilly steckte alles ein. Sie wollte weiter.
„Moment!“
Inga hielt sie fest.
„Wir nehmen noch eine Probe!“, bestimmte sie.
„Okay“
Lilly wusste, was sie zu tun hatte. Sie reichte ihr die Feile. Inga beugte sich zum Gullideckel hinab, der am Fundort im Rinnstein saß. Sie legte ein Tütchen auf die Querrippen des Gullis, setzte die Feile an eine Gullideckel-Rippe und feilte von unten nach oben. Die Späne fielen auf ihr Tütchen. Sorgsam schloss sie das Tütchen, als sie genug Späne hatte, und steckte es ein. Zufrieden gingen die beiden weiter über die Promenade in Richtung der Synagoge.
Martin Heveling brauchte heute Morgen einen starken Kaffee. Einen Da-steht-der-Löffel-ja-von-alleine-Kaffee musste es sein. Das Kommissariat am Friesenring war jetzt, am frühen Morgen, fast noch menschenleer, und er wollte den Kaffee im Büro selbst aufsetzen, bevor die Anderen kamen.
Kommissar Martin Heveling fuhr den Mitsubishi auf den Parkplatz, ging durch die Pforte und nahm die vierzehn Stufen in den ersten Stock in einem Schwung, bevor er die Tür öffnete. „Der Aktenberg muss weg!“, hatte er sich vorgenommen, und dazu brauchte er, wie gesagt, seinen Da-steht-der-Löffel-ja-von-alleine-Spezialkaffee. Von Hand aufgegossen, nicht per Maschine.
Er öffnete die Amtsstubentür, warf die Lederjacke über die Bürostuhllehne und ging zum Büroschrank, auf dem, hüfthoch abgestellt, Wasserkocher, Kaffeedose und Filter mit Filterpapierpackung bereitstanden.
„Zwei Löffel!“, dachte er, als er den Wasserkocher füllte und anstellte. Die zwei Löffel Kaffeepulver jedoch konnte er nicht mehr in den Kaffeefilter geben, denn kurz darauf klingelte das Telefon.
„Heveling!“, meldete sich Martin.
„Büro Staatsanwalt Memming, Backendreher hier“, meldete sich die Dame von der Staatsanwaltschaft.
„Hallo Inge!“, sagte Martin.
„Martin, wir brauchen die Unterlagen im Fall Welterhoff!“
„Der Tote in der Hohen Waardt?“
„Ja, der Chef will sie einsehen!“
„Gestern fertiggestellt. Ich lasse sie euch rüberkommen!“, versprach Martin.
„Danke!“, schloss Inge, „Dir einen schönen Tag noch!“
„Dir auch!“, antwortete Martin, in Gedanken wieder an der Kaffeedose angekommen.
„Moin moin, Martin!“, schallte es ihm da von der Tür entgegen.
„Morgen, Ernst!“, sagte Martin.
„Martin, die neuen Ermittlungsakten. Abzuschließende Fälle vom Vorjahr! Der Chef will sie heute Nachmittag sehen. Und du sollst die KTU anrufen – gleich sofort!“
Martins Mundwinkel sanken vom Obergeschoss in das Erdgeschoss hinab. Die Kaffeepause konnte er vergessen. Der Arbeitstag hatte begonnen. Mit Betonung auf Tag – denn auch nachts konnte und musste er gelegentlich arbeiten.
„Vielen Dank!“, meinte Martin ironisch – doch Ernst war schon wieder auf dem Flur.
Martin schob den Aktenstapel an den Rand seines Schreibtisches und sah auf die obersten Ordner. „Vermisstenanzeige Mühlmann“, las er die anhaftende Notiz, „Angestellte, vermisst seit 19.3., Spuren erfolglos geprüft, Suche vorläufig einstellen!?? Meier-zu-Brokenhoff.“
„Okay, einstellen!“, dachte Martin, als schon wieder das Telefon klingelte.
„Martin, wo bleibst du? Wir hatten uns doch heute an der Gerichtsmedizin verabredet, mit Mike Rohssoft!“, erinnerte ihn Bob Davis, sein Kollege vom Kommissariat 12.
Oh, Mist, der IT-ler von der KTU!, fiel es Martin wieder ein.
Er holte Luft, um Bob zu antworten, da ging sein Handy.
„Oh Bob!“, meinte Martin. „Vergessen! Das ist nicht mein Tag heute!“
Und während er Bob zu erklären versuchte, dass die Meckmann-Unterlagen zur Staatsanwaltschaft müssen, die KTU auf ihn warte und Meier-zu-Brokenhoff auf einen Stapel Ermittlungsakten hoffe, da erfüllte ihn ein echt trauriges Gefühl in der Brust: Zu seinem Kaffee würde er wohl nun erst einmal nicht mehr kommen…
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