Sexy Zeiten - 1968 etc.. Stefan Koenig
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Название: Sexy Zeiten - 1968 etc.

Автор: Stefan Koenig

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия: Zeitreise-Roman

isbn: 9783742739810

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СКАЧАТЬ heute ihren Waschtag hatte, denn die Waschküche war genau neben meinem Souterrainzimmer. Und falls Hanna oder ich im Laufe unseres sexuellen Startups zu laut werden würden, na ja, dann wäre unser ganzer Aufwand um- sonst gewesen. Also stapfte ich die Treppe hoch und klingelte.

      „Tante Ria, ich wollte jetzt Wäsche waschen; aber falls du heute …“

      „Nein, nein“, unterbrach sie mich, „heute ist mein freier Tag!“

      „Das hast du auch verdient“, sagte ich. Aber bei mir dachte ich, dass sie eine ganz schön faule Sau sei, denn sie ging weder arbeiten, noch half sie meiner Mut- ter beim Reinigen des Hausflures, der Treppen, des Vorhofes oder bei der Pflege des Gartens. Doch ich verbarg meine unschicklichen Gedanken hinter einem freundlichen Lächeln. Und tatsächlich war ich auch erleichtert.

      *

      Wenn du beim ersten richtigen Sex auch noch darauf achten sollst, wie laut du sein darfst, dann haben die Schweine gesiegt. Und Schweine waren natürlich alle, die die rostbraunen und grauen Zustände dieses Landes repräsentierten. Das war das Establishment. Oft reichte das Establishment bis hinunter zu unseren Eltern und den maroden Verwandten. Insbesondere bis zu Onkel Karl, dem alten Nazi und ehemaligen SS-Standarten-Führer, der nach ultrakurzer Entnazifizierung im Handumdrehen zum bestverdienenden Allianz- Direktor aufgestiegen war. Aber in der Hauptsache standen unsere Lehrer allesamt für das verpönte Establishment, gegen das wir mit den ersten Songs der Beatles und Rolling Stones rebellierten.

      Im Sommer 1966 war „19th Nervous Breakdown“ mein Lieblingshit der Stones. Das unerträglich nervige Grau unseres Deutschlands musste zum Abblättern gebracht werden. Wir würden das westdeutsche Haus total renovieren. Aber als erstes mussten wir uns sexuell befreien. Wenn wir die Gefühlswelt befreit hätten, dann würde sich die Menschheit zum Besseren wenden. Han- nas und mein Befreiungsakt stand unmittelbar bevor.

      *

      Alles war erstmal wie immer und es begann halb so wild, wie wir es uns vorgestellt hatten. Wir hatten ja bereits Petting, hatten uns befummelt und aneinander gerieben und liebkost, hatten nach vier Wochen Schülerliebe fast alle Entdeckungsreisen an unseren Körpern abge­schlossen. Und nun kam der letzte Kick, der erste Akt – und, na ja, wie soll ich sagen, er war uns nicht so recht geglückt. Mir schien es ziemlich schwer, bei meiner Liebsten durch- und reinzukommen. Aber nach einer Weile fühlte es sich sehr feucht an und wir beide schauten, was sich da getan hatte.

      Hanna schrie auf. Ich staunte nicht schlecht. Eine ansehnliche Blutlache hatte Laken und Bettdecke ver- saut. Wir nahmen das bereitgestellte Toilettenpapier – eine erotischere Variante hatte sich nicht finden lassen – und ich wischte Hanna ab. Aber Hanna hatte nur Augen für meinen Pimmel. Das Wort „Schwanz“ wurde noch lange nicht benutzt. Und sie schrie wieder: „Du blutest da!“

      Mein Bändchen an der Vorhaut war eingerissen, das blutete wie die Sau. In meiner Erregung hatte ich das nicht mitgekriegt. Es tat auch nicht weiter weh, noch nicht – musste aber verbunden werden, worum sich Hanna liebevoll, zärtlich und mitfühlend bis mitleidig kümmerte. Das war mir höchst peinlich. Der erste reale Sex war eine blutige Erfahrung. Hanna war nicht entjungfert, stattdessen ich. Die romantischen Kerzen waren nicht zum Einsatz gekommen, dazu war es noch zu hell. Der Rest dieses ereignisreichen und doch so jämmerlichen Tages war irgendwie noch ganz schön, wenngleich ich etwas breitbeinig gehen musste. Deshalb saß ich viel. Die Nacht verbrachte Hanna natürlich bei mir.

      Vorher rief sie ihre Eltern an und sagte, dass sie bei ihrer Freundin übernachten würde. Bei der hatte sie zuvor angerufen und sichergestellt, was zu sagen sei, falls Hannas Eltern dort anrufen. Aber gutbürgerliche Eltern glauben ihren pubertierenden Gören. Das wirklich Gute an den guten alten Wählscheiben-Telefonen war, dass der Angerufene nie sehen konnte, von welchem Apparat aus angerufen wurde.

      Jetzt schlichen wir uns hoch in die elterliche Wohnung, machten uns Brote, holten Obst, das ich am Tag zuvor in unserem Garten gepflückt hatte, Pflaumen und Brombeeren. Dann endlich zündeten wir die Kerzen an, machten uns an Vaters Weinvorrat zu schaffen und hörten halbbetrunken vom Schallplattenspieler das wilde Wild Thing von The Troggs und den klassischen Loversong jenes Jahres: When a Man Loves a Woman von Percy Sledge.

      So kam es, dass wir ohne Komplikationen den ers- ten Abend, die erste gemeinsame Nacht miteinander verbringen konnten – sex- und fast geschlechtslos, total dem äußeren prüden Flair des ganzen großen Landes ergeben. Wir waren aber auch recht fleißig, so fleißig und gewissenhaft wie uns täglich im Übermaß vorgelebt wurde, und wir wuschen sogleich Laken und Bettdecke mit kaltem Wasser aus. Die Blutflecken hinterließen keine verdächtige Spur mehr. Meine Mutter würde am nächsten Abend nicht merken, was in der Liebeshöhle im Souterrain geschehen war.

      Mutter war total lieb und fürsorglich, aber wie wohl alle Mütter war sie total interessiert am Intimleben ihres Jüngsten. Eines Tages, als ich Verdacht schöpfte, sie würde in meine Schreibtischschublade gucken und heimlich meine Liebesbriefe lesen, zog ich zur Kontrolle ein dünnes Nähfädchen über die Schublade. Als ich aus der Schule kam, lag das Fädchen tatsächlich auf dem Boden. Von da an versteckte ich die Liebesbriefe, die ich schrieb und die ich erhielt, zwischen meinen Schulsachen und schleppte sie täglich mit zur Schule.

      Den gescheiterten Entjungferungsabend ließen wir ab 20:00 Uhr mit bourgeoisem Fernsehen ausklingen. Den kleinen Schwarz-Weiß-Kasten hatten sich meine Eltern erst ein Jahr zuvor angeschafft. Hannas Akademiker-Eltern fanden das Fernsehen derart schrecklich, modisch-unnütz und verwerflich, dass sie solch einem Gerät noch weitere drei Jahre den Zutritt in das Familienleben verweigerten. „Fernsehen verblödet“, sagten sie. Hanna und ich waren tatsächlich ganze sechzehn Jahre unseres jungen Lebens ohne TV aufgewachsen.

      *

      Hin und wieder sahen wir bei Freunden, die mit dem neuesten großformatigen Fernsehmodell ihrer Eltern prahlten, ausschnittweise jenes Leben, das aus Amerika zu uns herüberschwappte. Niedlich fand ich den bekanntesten Delfin der Fernsehgeschichte. Im ZDF meisterte „Flipper“ in der gleichnamigen US-Serie gemeinsam mit Küstenwächter Porter Ricks die gewagtesten Abenteuer. Dabei halfen an Floridas Küste die beiden Söhne von Ricks, Sandy und Bud. Gemeinsam brachte das Quartett so manchen Gangster hinter Schloss und Riegel. Und Flipper war einfach immer spitze.

      Da gab es noch lange keine Baywatch-Boys und keine Pamela Anderson, denn die wurde erst ein Jahr später geboren. Die Rettungsschwimmer von Malibu kamen dann schließlich 1989 in Kalifornien zum Einsatz und ins TV. Dazwischen lag eine rasante Fernsehgeschichte; zugleich eine Geschichte des großen Rückzugs ins Private, eine Entwicklung der schleichenden Entpolitisierung und des Bildungsabbaus im Rahmen der Öffentlich-Rechtlichen – und überhaupt. Aber eilen wir der Zeit nicht voraus.

      Unser „Marken-Fernseher“ von Grundig war Baujahr 1965 und in einem Nussbaum-Fernsehschrank mit zwei Flügeltüren versteckt. Das passte so leidlich zu der antiquierten Chippendale-Einrichtung, die meine Mutter von ihren Eltern geerbt hatte. Meine Großeltern mütterlicher- wie väterlicherseits habe ich nie kennen gelernt. Lediglich Vaters Mutter ist mir noch in Erinnerung, da sie mich einmal zu Hause am Krankenbett besuchte. Da lag ich mit einer dicken Bronchitis und Fieber im Bett. Und es musste mir wohl sehr schlecht gegangen sein, denn Oma hatte unsere Wohnung weder vorher noch danach jemals betreten.

      Das lag an ihrer „grenzenlosen Eifersucht“, wie mir Mutter in späteren Jahren einmal erklärte. Mein Vater war alleine mit ihr aufgewachsen, Opa früh verstorben. Meine Oma hatte sehr geweint, als ihr einziger Sohn Otto eine andere Frau kennen lernte, liebte und heiratete. Opa war Goldschmied СКАЧАТЬ