Lebensläufe und Erlebnisberichte ehemaliger Fahrensleute. Jürgen Ruszkowski
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СКАЧАТЬ und da er aus sehr dünnem Holz war, zersplitterte der Deckel in tausend Stücke. Abermals fuhren wir los und besorgten uns das Material, um einen neuen Deckel zu zimmern. Nachdem uns das gelungen war, betteten wir unseren toten Kapitän in diesen primitiven Sarg. Uns war recht schwer ums Herz, denn wir mochten ihn gern. Seine Familie tat uns so leid, weil sie ihren lieben Toten in fremder Erde lassen musste.

      Um sechs Uhr morgens ruderten wir dann mit einem kleinen Boot und unserer traurigen Last in die Nähe des Friedhofes, eine Strecke von gut 10 Kilometer. Wir mussten mit dem Sarg dann noch zwei Kilometer durch Wüstensand. Weil wir immer wieder einsackten, verfielen wir dauernd in Trab. Es waren jeweils sechs Träger, und wir mussten uns wegen der großen Anstrengung oft abwechseln. Auf dem Friedhof mussten wir feststellen, dass die von uns mühsam ausgeschaufelte Grabstätte wieder eingefallen war. So musste bei 40° C die Arbeit nochmals getan werden. Drei weitere Boote mit "Leidtragenden" kamen noch, sicherlich weitgehende Neugierige, denn so viele Leute kannten wir in dem fremden Land gar nicht. Einen Pastor gab es natürlich nicht, so musste ich zur Abwechslung mal den Pastor ersetzen, die Trauerrede halten und das Vaterunser sprechen. Nach der Zeremonie meinte der Koch, dass unser guter Kapitän auch ein Kreuz auf sein Grab bekommen sollte. Wir hatten denn auch bald ein paar Balken aufgetrieben und zimmerten ein Kreuz. Wir hatten gut drei Wochen mit dem Einschnitzen der Inschrift zu tun. Sie lautete:

      Hier ruht in Gott, fern von der Heimat

      Kapitän Heinrich Lünstedt aus Bützfeld

      geboren am 12. März 1859 - gestorben am 15. Juli 1895

      Dieses Kreuz brachten wir dann eines Tages zum Friedhof und waren froh, dass unser "Alter" wenigstens ein Grabmal hatte, wenn auch nur in Form eines einfachen Holzkreuzes, das wir mit umso mehr Liebe gezimmert und geschnitzt hatten. Frau Lünstedt quartierte sich an Land ein, von wo sie mit ihren Kleinen am 20. Juli via Pernambuco nach Hamburg zurückkehrte. Nun waren der Koch und ich alleine an Bord zurückgeblieben. Im Laufe der Zeit lernten wir allerlei Menschen kennen. Wir wurden auch oft von dem Ablader eingeladen, einem Kaufmann, der mit meinem Vater in Geschäftsbeziehungen stand und nebenbei Plantagen und Salinen besaß. Er hatte einen Sohn von 10 Jahren und eine Tochter von 14 Jahren. Hier geschah es, dass ich zum ersten Mal mein Herz verlor.

       Die erste Liebe

      Eines Tages hatte ich einen kleinen Unfall und wurde bei der Familie Herculanum sechs Wochen lang aufgenommen, gepflegt und verwöhnt. Besonders die kleine Elisabeth bemühte sich sehr um mich. Da war es kein Wunder, dass ich mich in sie verliebte und fest entschlossen war, sie eines Tages zu heiraten.

      Elisabeth's Eltern mochten mich auch gerne, sie hätten mich am liebsten gleich dabehalten. Ich sollte dann später ins Geschäft einsteigen und es übernehmen. Dass ich für den Plan Feuer und Flamme war, wer könnte das nicht verstehen, aber...

      Nach sechswöchigem Aufenthalt bei meinen liebenswürdigen Gastgebern war ich "leider" wieder gesund und musste wieder an Bord zurück. Wir besuchten uns dann noch monatelang gegenseitig. Ich hatte schon nach Hause geschrieben, dass ich in Macao bleiben und Elisabeth Herculanum heiraten wolle. Da hatte ich aber ganz schön ins Fettnäpfchen getreten. Meine Eltern werden schön gewettert haben, jedenfalls hatte Vater an seinen Kapitän Peters geschrieben, der in Pernambuco die WILHELMINE löschte, dass er sich um den verliebten Sohn in Macao kümmern möge. Es wurde wieder Weihnachten und Neujahr 1896.

      Am 10. Februar 1896 kam unerwartet Kapitän Peters in Macao an, und ich war über den Besuch ziemlich erstaunt. Schnell stellte sich heraus, dass er Order von meinem Vater hatte, die AXEL zum Abwracken zu verkaufen und mich nach Hause zu befördern. Nun hieß es Abschied nehmen, es flossen endlos Tränen, aber es half nichts, ich musste mit. Bis alles erledigt war, wohnte ich noch mit Kapitän Peters in einem Hotel, d. h. das was man dort so Hotel nannte. Hängematten und drunter liefen Schweine, Hühner und Gänse herum. Über meine Erlebnisse in Macao wusste die Drestedter Familienchronik vor einigen Jahren folgendes zu berichten:

      „...Aus fernen Häfen trafen Briefe und Telegramme in Cranz ein, die über Schiff und Ladung sowie Besatzung berichteten und so die Familie immer mit der fernen Welt verbanden. Dabei trafen nicht immer gute Nachrichten ein, und als eines Tages der Kapitän der AXEL aus Macao meldete, dass das Schiff leckgesprungen sei und nicht mehr repariert werden könne, war guter Rat teuer. Es fehlte nicht an Landhaien im internationalen Hafenviertel der "Portugiesischen Kolonie", die jetzt ein Geschäft witterten und nun das Wrack für ein Taschengeld erwerben wollten. Versicherungen, die den Verlust eines Schiffes ersetzten, hatten noch ihre Tücken. So machten sich auf Weisung von Jan Hubert der Kapitän und seine Leute daran, das Schiff in eigener Regie abzuwracken und die einzelnen Teile selbst zu verkaufen.

      Es wäre auch alles gut abgelaufen, wenn die AXEL alleine draufgegangen wäre. Aufregender muss es jedoch gewesen sein, als in Cranz die Kunde eintraf, dass auch das Herz des kleinen Johannes leck gesprungen war, und der sein eigenes Lebensschiff nun in den Hafen der Liebe steuern wollte. Hannes war Leichtmatrose auf der AXEL und der Sohn von Jan Hubert. Für solch eine Fahrt schien aber Hannes seinem besorgten Vater noch nicht erfahren genug, und zum Abwracken war er ihm zu schade. Vater Jahn wird damals recht bekümmert gewesen sein... Seine väterlichen Anweisungen an Kapitän Peters (Kapitän Lünstedt war inzwischen in Macao gestorben), wenn nötig die Hilfe des deutschen Konsuls in Anspruch zu nehmen, (Hannes war ja erst 17 Jahre alt und alles andere als mündig) brauchten nicht verwirklicht werden. Johannes kam mit eigener Kraft wieder flott und segelte vor vollem Wind nach Hause, wo er wie ein verlorener Sohn empfangen wurde. Seine dunkle Schöne wird ihn bald vergessen haben, aber für Johannes blieb dieses Macao für sein ganzes Leben mit dem romantischen Zauber der Südsee und mit jugendlicher Schwärmerei verbunden, deren Erinnerungen ihn auf den vielen Fahrten begleiteten. Er soll aber nie mehr mit leckgesprungenem Herzen in fremden Häfen vor Anker gegangen sein." - Soweit die Familienchronik...

       Als Leichtmatrose Richtung Heimat

      Mit einem kleinen Passagierdampfer fuhren wir nach Pernambuco, und dort wurde ich als Leichtmatrose mit 35 Mark Heuer auf der WILHELMINE, ein Schwesterschiff der AXEL angemustert. Nun konnte die Arbeit wieder losgehen, und bei 40° Hitze mussten Stückgüter gelöscht und Sandballast geladen werden. In Pernambuco herrschte außerdem noch die Pest, aber wir blieben davon verschont. Auf vielen anderen Schiffen war die gesamte Besatzung dieser furchtbaren Epidemie zum Opfer gefallen. Wir aber fuhren nach Mosseiro weiter, 1200 Seemeilen von Pernambuco entfernt. Man musste, um den Hafen zu erreichen, noch viele Kilometer einen Fluss befahren und waren bald vom Urwald umgeben. Da aber auch noch eine Flaute eintrat, mussten wir unser Schiff festmachen, und zwar wurde es an einem Urwaldbaum vertäut. Nun hieß es, auf die nötige Brise zu warten, und es dauerte zehn Tage bis wir endlich den Ladeplatz erreichten. Kamen wir mal wieder wegen zu großer Flaute nicht weiter, kletterten wir von Bord und schlugen uns im Urwald das nötige Holz, um unseren Ofen in der Kombüse in Gang zu halten. Viele Schlangen gab es da, Kobras usw., mit denen man natürlich nicht gerne in Berührung kommen wollte, denn früher hatte man noch nicht das Gegengift, das uns bei einem eventuellen Biss hätte retten können.

      Eines Morgens, wir hatten gerade unsere Segel zum Trocknen aufgehängt, wäre es beinah passiert, dass so eine Natter ihr Opfer gefunden hätte, und das wäre ich gewesen. Vorne auf dem Klüverbaum lag das Klüversegel, und ich sollte es wieder festmachen. Als ich es auseinander schlug, kam doch eine große Kobra direkt vor mir hoch. Ich konnte nicht zurückweichen, denn die Schlange versperrte mir den Weg. Ich schrie laut um Hilfe, und der Lotse, der gerade an Bord war, hörte meinen Schrei und ahnte nichts Gutes. Er kam gleich mit einer Handspake angerannt, schlug auf die Schlange ein und traf sie zum Glück, so dass sie über Bord fiel, und so war mein Leben gerettet. Dieses unheimliche Reptil war sicherlich nachts über das Festmachertau an Bord gekommen.

      Im Hafen luden wir Salz. Es wurde von Eingeborenen auf ihren Köpfen in Körben an Bord getragen. Die Moskitoplage war kaum auszuhalten. Wir waren selbst СКАЧАТЬ