Название: Nils Holgerssons wunderbare Reise mit den Wildgänsen
Автор: Selma Lagerlöf
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752995510
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Da die Treppe so alt ist, kann man wohl begreifen, daß sie jetzt nicht mehr so aussieht wie damals, als sie noch neu war. Ich weiß nicht, wieviel sie sich in jenen Zeiten aus der Reinlichkeit machten, aber sie war zu groß, als daß irgendein Besen auf der Welt sie hätte rein halten können. Nach Verlauf von ein paar Jahren fing eine Menge Moos und Flechten an darauf zu wachsen; welkes Gras und welke Blätter wehten im Herbst darauf herunter und im Frühling stürzten Steine und Kies darauf nieder. Und da das alles liegen blieb, sammelte sich schließlich so viel schwarze Erde auf der Treppe an, daß nicht nur Kräuter und Gras, sondern auch Büsche und große Bäume Wurzeln schlagen konnten.
Es macht sich trotzdem ein großer Unterschied zwischen den drei Treppenstufen geltend. Die oberste, die Småland am nächsten liegt, ist zum größten Teil mit magerer Erde und kleinen Steinen bedeckt, und da können natürlich keine andern Bäume wachsen als Weißbirke und Faulbaum und Tanne, die die Kälte da oben auf der Höhe zu ertragen vermögen und mit wenigem zufrieden sind. Man versteht am allerbesten, wie jammervoll und armselig sie ist, wenn man sieht, wie klein die Pflanzen sind, die aus dem Walde genommen und dort gepflanzt wurden, und wie klein die Häuser sind, die sich die Leute dort bauen, und wie weit der Weg zwischen den einzelnen Kirchen ist.
Auf der mittleren Stufe ist gleich bessere Erde, und die Kälte bindet sie hier auch nicht so strenge; das kann man leicht daran sehen, daß die Bäume höher und von besserer Art sind. Da wächst Ahorn und Eiche und Linde, Hängebirke und Haselstaude, aber keine Nadelbäume. Und noch besser kann man es daran sehen, daß eine Menge Erde urbar gemacht ist und die Leute sich hübsche, große Häuser gebaut haben. Da sind viele Kirchen auf der mittleren Stufe, und sie sind von großen Dörfern umgeben, und diese Stufe nimmt sich nach jeder Richtung hin besser aus als die obere.
Die allerunterste Stufe ist aber doch die beste. Sie ist mit wirklich guter und reichlicher schwarzer Erde bedeckt, und wie sie da so liegt und im Meere schwimmt, spürt sie nicht das geringste von der Smålandkälte. Hier unten können Buchen und Kastanien und Walnußbäume gedeihen, und sie werden so groß, daß sie über die Kirchendächer hinüberreichen. Hier findet man auch die größten Felder, aber die Leute haben nicht allein Landwirtschaft und Waldwirtschaft als Erwerb, sie treiben auch Fischerei und Handel und Seefahrt. Deswegen trifft man hier auch die schönsten Kirchen, und die Dörfer sind zu Flecken und Städten herangewachsen.
Hiermit ist aber noch nicht alles über die drei Stufen gesagt. Denn man muß bedenken, daß, wenn es oben auf das Dach des großen Smålandhauses regnet, oder wenn der Schnee da oben schmilzt, das Wasser notwendigerweise irgendwohin laufen muß, und dann stürzt naturgemäß eine große Menge davon die breite Treppe hinab. Zu Anfang floß es wohl die ganze Treppe in ihrer vollen Breite herunter, aber dann entstanden Risse darin, und jetzt hat sich das Wasser nach und nach daran gewöhnt, in einigen gut vertieften Rinnen abzulaufen. Und Wasser ist Wasser, was man auch damit macht. Es ist nie in Ruhe. Irgendwo gräbt und höhlt es und führt mit sich fort, und an einer andern Stelle fügt es hinzu. Die Rinnen hat es zu Tälern ausgegraben, die Talwände hat es mit Erde bedeckt, und daran haben sich Büsche und Ranken und Bäume festgeklammert, so dicht und so reich, daß sie fast den Strom verbergen, der unten in der Tiefe fließt. Aber wenn die Ströme zu den Absätzen zwischen den Stufen gelangen, müssen sie sich kopfüber auf sie hinabstürzen und dadurch gerät das Wasser in eine so brausende Geschwindigkeit, daß es Kräfte erlangt, Mühlräder und Maschinen zu treiben, und deren sind auch viele dort bei jedem Wasserfall emporgewachsen.
Hiermit ist jedoch nicht alles über das Land mit den drei Stufen gesagt. Das aber soll noch gesagt werden, daß da oben in Småland in dem großen Haus einstmals ein Riese wohnte, der alt geworden war. Und es ergrimmte ihn, daß er in seinem hohen Alter gezwungen sein sollte, die lange Treppe hinabzugehen, um in der See Lachs zu fischen. Er fand, es sei bequemer, wenn die Lachse zu ihm hinaufkämen, da, wo er wohnte.
Deswegen stieg er auf das Dach seines großen Hauses, und da stand er und warf Steine in die Ostsee hinein. Er warf sie mit großer Kraft, daß sie über ganz Bleking flogen und ins Meer hinabfielen. Und als die Steine fielen, erschrak der Lachs so sehr, daß er aus dem Meer herausstieg, den Strom in Bleking aufwärts flüchtete, durch die Gießbäche dahinstürzte, sich mit großen Sprüngen die Wasserfälle hinaufwarf und erst haltmachte, als er weit drinnen in Småland bei dem alten Riesen angelangt war.
Daß dies wahr ist, kann man an den vielen kleinen Inseln und Klippen sehen, die an der Küste von Bleking liegen, und die nichts anderes sind als die vielen, großen Steine, die der Riese hinabgeworfen hat.
Man kann es auch daran sehen, daß der Lachs noch heute in die Blekinger Ströme hinaufgeht und sich durch Gießbäche und stilles Wasser ganz bis nach Småland hinaufarbeitet.
Aber die Bewohner von Blekinge sind dem Riesen zu großem Dank verpflichtet, denn der Lachsfang in den Strömen und die Steinhauerei in den Schären ist eine Arbeit, die noch heutigen Tages viele von ihnen ernährt.«
Am Rönneberger Bach
Freitag, den 1. April
Weder die wilden Gänse noch Reineke Fuchs hatten sich gedacht, daß sie einander jemals wieder begegnen sollten, wenn sie erst Schonen verlassen hatten. Aber nun traf es sich ja so, daß die wilden Gänse den Weg über Blekinge nehmen mußten, und dahin hatte sich Reineke Fuchs ebenfalls begeben. Anfangs hatte er sich in dem nördlichen Teil aufgehalten, und er hatte bisher weder die Schloßparke noch die Tiergärten voller Rehe und leckerer Rehkitzchen gesehen. Er war so mißvergnügt wie nur möglich.
Eines Nachmittags, als Reineke in einer einsamen Waldgegend nicht weit vom Rönneberger Bach umherstreifte, sah er eine Schar wilder Gänse durch die Luft ziehen. Er bemerkte sofort, daß die eine von den Gänsen weiß war, und da wußte er ja, mit wem er es zu tun hatte.
Reineke machte sich sogleich daran, hinter den Gänsen drein zu jagen, ebenso sehr aus Verlangen nach einem guten Bissen, wie um sich an ihnen für all den Schaden zu rächen, den sie ihm zugefügt hatten. Er sah, daß sie gen Osten zogen, bis sie an den Rönneberger Bach gelangten. Dann wechselten sie die Richtung und folgten dem Bach nach Süden zu. Er begriff, daß sie einen Schlafplatz am Ufer des Baches suchen wollten, und er dachte, daß er wohl ein paar Stück von ihnen ohne große Schwierigkeit ergattern könne.
Aber als Reineke endlich den Platz erblickte, wo sich die Gänse niedergelassen hatten, sah er wohl, daß sie eine Stelle gewählt hatten, die so gut geschützt war, daß er nicht zu ihnen gelangen konnte.
Der Rönneberger Bach ist ja kein sehr großes oder starkes Gewässer, aber er ist doch sehr bekannt wegen seiner schönen Ufer. An mehreren Stellen bahnt er sich seinen Weg durch steile Felswände, die lotrecht aus dem Wasser aufsteigen und ganz mit Gaisblatt und Faulbaum, mit Weißdorn und Erlengestrüpp, mit Ebereschen und Weiden bewachsen sind. Und es gibt kaum etwas Erfreulicheres an einem schönen Sommertag, als den kleinen dunklen Bach hinabzurudern und all das weiche Grün zu sehen, das sich in den rauen Felswänden festklammert.
Aber jetzt, als die wilden Gänse und Reineke an den Bach kamen, war es noch früh im Lenz, es war naßkalt und windig, alle Bäume standen kahl und niemand achtete darauf, ob das Bachufer häßlich war oder schön. Die wilden Gänse priesen sich glücklich, daß sie unter so einer steilen Felswand einen schmalen Streifen Sand entdeckt hatten, gerade so groß, daß sie Platz darauf fanden. Vor ihnen der brausende Bach, der jetzt in der Schneeschmelze breit und reißend war, hinter ihnen die unerklimmbare Felswand, und sie selber von herabhängendem Gras verborgen. Sie konnten es nicht besser haben.
Die Gänse schliefen sofort СКАЧАТЬ